kommt‘s, fit ist ein Fremdwort für die Herren und dann wollen sie mich glauben lassen, sie wären dem Schlauchboot mit einem 90er Außenborder davon gefahren. Echt, da hab ich mich zurück halten müssen.“ Genervt verschwindet John ins Bad.
Ich kann’s ihm nicht verdenken. Zu gut kenne ich dieses Imponiergehabe in abendlichen Männerrunden.
John, ehrlich wie er ist, kann er mit dieser gesellschaftlichen Pflege tatsächlich bestimmt nichts anfangen.
Da erheischt eine Meldung der Nachrichten meine Aufmerksamkeit: Brüssel kontrolliert die Vergabe von Fördergeldern intensiver, dafür wird eigenes Personal statuiert. Nicht verkehrt, denn manches Geld verirrt sich in unbeschreiblichen Abgründen. Ich lächle, wie gerne wäre ich mit Geraldine auf einen Drink in einem der Pubs in Brüssel und lausche ihrem Lästern über schlecht ausgefüllte Formulare und andere Engpässe bei manch interessantem Unternehmen, einem wie dem LNG in der Nähe von Triest?
Frisch duftend und nur in einer Hose sucht John nach einem bestimmten Shirt. „Sorry, ich dachte du willst es bestimmt mitnehmen und hab’s schon gepackt?“, gestehe ich John. „Ach ja, ist ok! Wie war dein Geburtstag noch heute? Die Stille hier herinnen? So ganz für dich?“, stöbert John in meinem Heute. „Ich hab das Beste daraus gemacht“, gebe ich ehrlich zu.
Schon sind seine Lippen den meinen so nahe: „Du siehst verdammt gut aus und mit jedem Jahr toppst du das noch, wie machst du das?“ Keine Antwort, es sind mehr Taten, die jetzt folgen.
Eng und liebevoll seine Arme, zwanglos und vertraut die Stimmung, nachdrücklich sein Begehren, wohlig unser Tun.
Wissend, was John erleben will, umsorge ich ihn weiter in unserem Schlafzimmer. Lackstiefel, ein knappes Lackbustier, eine selbstbewusste Frau, kein Mädchen mehr. Gut fühle ich mich, zufrieden spiele ich und gebiete leidenschaftlich.
Endlich mein Becken fest an seinem, gibt mir der Rhythmus den Takt vor, bestimmt folge ich seinem Empfinden und empfinde so viel…
Sanft streichelt John meine Stirn, in jedem Fall ist er zufrieden, ich schmiege mich auf unserem Bett in seine Arme und meine Gedanken wirbeln immer noch.
Seit wir in Düsseldorf wohnen haben wir es vermieden über Jamaika zu sprechen, nein, ich hab es vermieden? Ich muss mit ihm reden, ich muss für ein Uns reden, zwingen mich meine Gedanken. Nur etwas hält mich.
Was?
Wenn ich das wüsste, wäre ich wohl schon weiter! Entnervt spricht meine Seele!
„John, ich muss dir etwas sagen, ich will dir von Jamaika erzählen.“ So einfach bringt mein Mundwerk den Stein zum Rollen. „Ich weiß“, streichelt mich John weiter. Shit, was weiß er? Nichts, er ahnt etwas, aber er weiß gar nichts! „Ich war nicht alleine in Jamaika.“ „Ich weiß, du warst mit diesem Ron Kern dort“, immer noch streichelt mich seine Hand. Mein Blut strömt durch mich, wie sagt man das nur, ohne einem anderen weh zu tun? Obwohl er weiß es ja doch!
„Ron war mehr als nur mit mir dort“, so ist mein Mund wieder einmal schneller und nimmt mir meine Entscheidung ab, erleichtert bin ich dennoch nicht.
„Angie, ich bin nicht blöd, ich kann mir vorstellen, dass da mehr war. Sag mir nur, es ist vorbei, sag mir es ist aus und sag mir, du bleibst bei mir. Viel zu lange habe ich hier in Deutschland auf eine Nachricht gewartet, die nicht kam. Das hat mich zum Nachdenken gebracht über uns, über die Familie und vor allem über dich.“ Seine Hand ruht auf meiner Stirn. Ich versuche mich weiter: „John, es war nichts Ernstes, es war nur eben – aufregend.
Noch nie – und das ist ehrlich – noch nie hat mich ein anderer Mann betören können und du weißt, es gibt immer wieder den einen oder anderen, der sein Glück versucht. Doch eben noch nie hab ich einem Versuch eines anderen Mannes nachgegeben. Dann stand plötzlich eine andere Welt vor mir, glamourös und extrem.“ „Ich weiß, Tomas hat mir ein wenig über den Umfang erzählt. Mir geht es aber um dich. Ich kann dich nicht festhalten, selbst wenn ich es wollte. Und ich will es nicht, es steht mir nicht zu. Nicht oft oder eigentlich nie hat ein Mensch eine Chance, wie du, einfach in eine andere Welt zu tauchen.“
Stille.
„Ich werde nicht dazwischen stehen, auch wenn es mich vielleicht umbringen wird“, seufzt John.
Stille. Eiskalte Stille und mir ist heiß.
John spricht so sinnlich wie ich ihn noch nie gehört habe: „Angie, ich liebe dich und nie wieder werde ich eine Frau wie dich finden, du bist einzigartig, das weiß ich. Ich habe viel nachgedacht und deshalb weiß ich, ich kann dich nicht bremsen, niemand kann dich bremsen. Niemand soll dich bremsen, nur du sollst mit deiner Entscheidung leben können. Denke an unsere Kinder, ich habe an sie gedacht. So gerne will ich ein guter Vater sein, mit den Jungs Männersachen machen. Ungern lass ich einen anderen in dieses Feld. Ich will um dich kämpfen, ja das würde ich gerne, ich kämpfe um dich!“
Shit, verdammter Geburtstag, zwei Männer gestehen mir heute ihr Innerstes, rühren mich zu Tränen und doch bin ich nicht glücklich. Shit, shit, shit!
Ich bin als Ehefrau grottenschlecht und als Frau geradezu miserabel, zwei Männer lieben mich und ich hasse mich, da läuft was schief?
Also erhebt sich mein Kopf, mein Arm stützt ihn und jetzt kann ich Johns Augen im Verschwommenen erahnen. „Du brauchst nicht zu kämpfen, das ist es nicht!“, verteidige ich als Mutter meine Familie – und ich als Frau? „Ehrlich John, als Frau ist es enorm, diese Welt zum Greifen nahe, Ron ist galant. Ja, ich habe über unsere Trennung nachgedacht.“
Shit, nun fluten Tränen meine Sinne. „Angie, entscheide dich, nur du weißt, was du willst, ich werde egal wie du dich entscheidest für dich da sein, immer. Ich will dein Netz sein.“ John ist enorm reif, das habe ich nicht erwartet, alles Mögliche ist mir durch den Kopf gegangen, aber nicht das.
„Du hast Zeit, nicht hier und nicht jetzt, vergiss nicht, ich liebe dich!“
So entschlummere ich irgendwann meinem einundvierzigsten Geburtstag.
DREI
Ohrenbetäubender Lärm, das Lachen und Johlen meiner Kinder und ein glücklicher, wie leidenschaftlicher Vater an ihrer Seite. Ich genieße am Rand eines Motocross–Rennens an der Adria endlich eine kurze italienische Auszeit aus meinem tristen Leben. Die Sonne wärmt, der Himmel so blau. Die Maschinen, eine cooler als die andere, folgt man den Angaben von Aaron, flitzen an uns vorbei. Am Rand einer in einen riesen Acker mit Absperrbändern gezeichneten Strecke tummeln sich Anhänger dieser Sportart. Wir sind mitten drin.
Schon weht eine rote Fahne, signalisiert Alarm. John klärt die Jungs auf, was Sache ist. Meine Sorge, die Kinder sollen nicht sehen, was passiert ist, es reicht doch, wenn sie es wissen: „Wollen wir nicht zu den Stuntautos schauen, die Show müsste bald beginnen?“ Doch keine Chance meine Männer hier wegzubekommen. Ein riesiges Areal ergibt sich, und alles wollen wir bestimmt nach und nach erkunden: Cross–Strecke, Stunt–Parkour, jede Menge Boxen, Wohnwägen dieser Fahrer und kleine Stände, die das eine oder andere im Bereich Verkostung oder Ersatzteil anbieten. Abseits eine große Bühne vor einer Fläche mit langen Holzbänken und darauf tobt eine Liveband.
Entwarnung melden meine Augen beim Anblick eines im grünen Lederanzug heran hinkenden Fahrers, er stützt sich auf seine Maschine, die neben ihm ohne Motorgeräusch rollt. Dahinter ein regelrechter Auflauf des restlichen Feldes. „Für den ist das Rennen gelaufen“, schreit John, damit die Kinder ihn gut hören können. „Aber nächstes Mal macht er es besser!“ Na wenigstens gibt es ein nächstes Mal, flackern meine Gedanken auf. Die Fahne wird gesenkt und die Motorbestien toben weiter.
Meine Ohren wollen ihre verdiente Auszeit, ich setze mich durch und zu viert schlendern wir in sicherer Entfernung von der Rennstrecke in Richtung Verkostung.
„Wow, Mum schau mal!“, entreißt sich Sidney meiner Hand und stürmt an ein Absperrband, das Stuntautos