hinter den Ohren?
Die Räume unterhalb ihrer Wohnung hatte ein katholischer Priester bezogen, und zwar einer von der modernen Sorte. In seiner Freizeit ging er ab und zu mal in Szenekneipen. Sie hatte ihn dort schon mehrfach gesehen. Natürlich war ihr bewusst, dass er als Geistlicher moralisch verpflichtet war, gewisse Bedürfnisse zu unterdrücken. Und dennoch waren derartige Begierden sicher auch bei einem Mann der katholischen Kirche vorhanden. Es lag also durchaus im Bereich des Möglichen, dass er es war, der in diesem Moment mit ihr ›sündigte‹.
Neben dem Pfarrer wohnte der 30-jährige Friseur Roger Dixon. Tamora hatte ihn noch nie zusammen mit einem Mädchen gesehen, doch sie war ihm schon des Öfteren in Begleitung eines jungen, gutaussehenden Mannes im Flur begegnet. Die unmittelbaren Nachbarn erzählten sich, die beiden hätten ein Verhältnis miteinander. Sie wusste nicht, ob dies dem Vorurteil geschuldet war, dass Männer jener Berufsgruppe grundsätzlich vom anderen Ufer waren. Letztlich war ihr das völlig egal. Sie empfand es keineswegs als anstößig, wenn jemand homosexuell war.
Aber kann ich ihn deswegen automatisch aus dem ›Kreis der Verdächtigen‹ ausschließen? Immerhin ist es nicht völlig auszuschließen, dass mein reizvoller Anblick in ihm plötzlich die wundersame Vorliebe für das weibliche Geschlecht erweckt hat, oder?
Sie lachte in sich hinein.
Denk nicht immerzu darüber nach, sagte sie sich, sonst bringst du dich noch um den größten Genuss deines Lebens. Wer immer es sein mag, er versteht es eine Frau glücklich zu machen.
Während sie noch ihre Vermutungen darüber anstellte, wer sich da an ihr zu schaffen machte, war der Mann dazu übergangen ihren Kitzler mit den Fingern zu stimulieren – und ihr lustvolles Stöhnen reflektierte im halbhoch gefliesten Hausflur. Nach und nach wurde sie lauter und sie dachte nicht mehr darüber nach, dass man es inzwischen wohl auch in den Kellerräumen hören konnte.
»Fick mich endlich!«, forderte sie ihn keuchend auf. Sie spürte wie es ihr bereits feucht an den Innenschenkeln hinunterlief. »Ich will deinen Schwanz in mir spüren!«
Der Mann drückte sein Becken jetzt noch fester gegen ihren Po. Sie fühlte den Druck, ehe sein Schwanz bis zum Anschlag in sie eindrang. Langsam näherten sie sich im Rhythmus an. Er nahm sie hart und fest, wie sie es mochte, mal schneller, mal langsamer und umspielte mit seinen Händen ihre Brüste.
»Los mach schneller, fester, härter!«, feuerte sie den Unbekannten an. »Ich brauche das! Besorge es mir, so als wäre es das letzte Mal! Fick mich! … Komm schon! … Schneller!«
Schon kurz darauf brachte er sie an den äußersten Rand körperlicher Lust.
Tamora stand kurz vor ihrem Orgasmus und auch ihr unbekannter Liebhaber schien es nicht mehr länger auszuhalten. Sie spürte ganz deutlich das heftige Pulsieren seines Schwanzes und wusste, dass er gleich abspritzen würde.
»Lass es kommen!«, flüsterte er ihr ganz leise ins Ohr. »Jetzt! Gemeinsam mit mir!«
Tamora machte sich nicht mehr die Mühe, zu versuchen, seine Stimme zu identifizieren. Stattdessen ließ sie ihren Gefühlen freien Lauf …
Aber genau in der Sekunde, als sie einen Aufschrei der Lust in den Hausflur schreien wollte, wurde sie plötzlich und völlig unerwartet vom schrillen Läuten des Telefons aus dem Schlaf gerissen.
»Verdammte Scheiße!«, fluchte sie erwachend und jede gute Erziehung vergessend. »Muss das Telefon immer im schönsten Augenblick klingeln? Eine Minute noch, … und dieser Kerl hätte mich zur Explosion gebracht!« Sie seufzte. »Der war so ganz anders als mein Freund, mit dem schon lange nichts mehr läuft.«
***
Kapitel 2
Tamora nahm das Mobilteil ihres Telefons zur Hand und drückte auf das grüne Hörersymbol für die Gesprächsannahme. »Jaaaa …?«, sagte sie und suchte ein Gähnen zu unterdrücken.
»Du klingst ja noch ganz schlaftrunken. Jetzt sag nur nicht, dass ich dich geweckt habe«, entschuldigte sich die Anruferin. »Ich bin wirklich davon ausgegangen, du wärst schon längst aufgestanden.«
»Heute wollte ich mal ein, bis zwei Stunden länger liegen bleiben … Du hast mich gerade aus einem irre schönen Traum gerissen, May«, stellte Tamora leicht verärgert fest. Sie hatte die Stimme ihrer Freundin direkt erkannt, auch ohne dass May ihren Namen nannte. »Was hast du denn auf dem Herzen?«
»Ich wollte eigentlich nur wissen, ob du Zeit hast? Du hast mir doch aufgetragen, dass ich dich anrufen soll, wenn ›Sie‹ wieder da ist.«
Tamora überlegte kurz, aber ihr fiel nicht ein, worauf May gerade hinauswollte. »Was meinst du, May. Hilf mir mal auf die Sprünge.«
»Na, ich meine die Prostituierte, an der du Interesse hattest ... Du hast heute Morgen aber eine echt lange Leitung«, erwiderte May lachend.
»Ach, richtig! Stimmt ja, darüber haben wir gesprochen.«
»Ich war vor einigen Minuten mal kurz unten im Salon und da kam sie gerade herein … Also, ich meine, wenn du willst, dann kannst du ja hereinschauen. Ich habe ihr davon aber noch nichts gesagt. Weißt du, … sie ist etwas merkwürdig.«
»Mit einem Wort, du und deine Angestellten, ihr meidet sie, wenn es geht, oder?«
»Na, so kann man das nun aber auch nicht sehen. Immerhin verdienen wir ja gut an ihr. Dennoch hat sie es nicht gern«, stellte May fest.
»Was?«
»Dass man sich viel mit ihr unterhält. Ob du das jetzt immer noch machen willst, musst du selbst wissen. Ich habe mein Versprechen jedenfalls eingehalten und dich verständigt.«
»Weiß dein Mann eigentlich davon?«, erkundigte sich Tamora.
»Er hat nichts dagegen einzuwenden. Er meint, es sei ausschließlich deine Sache.«
Tamora dachte kurz nach. Zeit hätte ich ja, das wäre kein Hinderungsgrund. Soll ich wirklich hingehen oder es lassen?
»Sag mal, bist du noch da?«, meldete sich May nach einer Minute des Schweigens.
»Natürlich.«
»Und … was meinst du? Hast du es dir überlegt?«, erkundigte sich May voller Neugierde.
»Ja, einverstanden«, erwiderte Tamora entschlossen. »Ich werde gleich bei dir vorbeischauen.«
May lachte. »Du musst dich wohl erst überwinden?«
»Na ja, so ganz alltäglich ist das nicht.«
»Nun, wie auch immer … dann sag ich mal: bis gleich.«
»Ja, bis gleich.« Tamora beendete das Gespräch. Eine Weile starrte sie nachdenklich aus dem Fenster auf die Straße hinunter. Soll ich es wirklich machen? Hm, … Aber irgendwie bin ich mir selbst gegenüber dazu verpflichtet. Ist schon ein komisches Gefühl. »Ach, alles Quatsch!«, schimpfte sie sich plötzlich laut. »Jetzt sollte ich nicht mehr groß überlegen. Es ist doch letztlich ganz einfach. Mehr als Nein sagen, kann sie ja nicht … Also, … nur zu!«
*
Schnell hatte sie sich frisch gemacht, angezogen und etwas aufgehübscht. Mit ihrem Wagen fuhr sie in die Londoner Innenstadt. Schon seit einigen Jahren wohnte sie etwas außerhalb in ›Twickenham‹. Das hatte zwar den Nachteil eines etwa zehn Meilen längeren Anfahrtsweges, wenn sie in die City wollte, doch hatte sie dort die ständige lästige Parkplatzsuche, der Lärm und letztlich die wahnsinnig hohe Miete gestört. Als sie die hübsche Eigentumswohnung im Vier-Familien-Haus in der ›Pope’s Avenue‹ gefunden hatte, im Ortsteil ›Strawberry Hill‹, nahe dem Golf Club, war sie vor Freude in die Luft gesprungen.
Sie war ein eher naturverbundener Mensch und wäre es nach ihr gegangen, so hätte sie sich am liebsten irgendwo in der Wildnis, fernab jeder Zivilisation,