Anne Daurer

Sommer am Höhlensee


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Hand auf eine Öffnung in der Wand. Sie war sehr schmal, kaum höher als Patte und von Gestrüpp verdeckt.

      „Und was ist damit?“ Auch Nina hatte Schwierigkeiten, den Sinn dieser unscheinbaren Wandöffnung zu erkennen.

      Sophia sah aus, als müsste sie eine Krabbelgruppe beaufsichtigen. „Ihr seid so doof! Versteht Ihr gar nichts? Ich hab einen Schuh gefunden!“

      „Oh nein!“, rief Patte. „Es reicht!“

      Flip schüttelte ungläubig den Kopf. „Hast du deswegen so geschrien?“

      Sophia zeigte auf etwas Undefinierbares, das am Boden lag.

      „Da! Diese Marke! Die ist sauteuer! Dieser Schuh! Lag genau hier! Neben dieser Öffnung!“

      „Ist das deiner?“, fragte Nina.

      „Natürlich nicht!“

      „Und warum sind wir dann hier?“

      „Warum? Weil man da rein muss!“

      „Wo?“ Nina sah sich um.

      „Himmel nochmal! Da!“ Sophia stach mit der Hand in die Wandöffnung. Lehmklumpen und Sand rieselten herab.

      „Warum?“

      „Weil da mein Schuh drin ist!“

      „Woher willst du das wissen?“, fragte Patte.

      „Ich weiß es eben! Ihr müsst nachschauen!“

      Nina lachte laut. „Ich krieche nicht da durch, um Schuhe zu suchen!“

      „Doch!“, beharrte Sophia.

      Patte tippte sich an die Stirn. „Schau selber!“

      Flip presste sein Gesicht an den Lehm und sah durch die Öffnung. „Das da drin sieht aus wie … eine Höhle! Ich sehe … ähm … was Helles! Und was Grünes! Und was Blaues!“

      „Mir egal.“ Patte drehte sich um. Auch was Goldenes hätte ihn nicht länger hier gehalten.

      Sophia stampfte mit den Füßen. „Ihr! Müsst! Nachschauen!“

      „Wir wollen aber nicht!“, rief Nina.

      Sophia packte Flips Arm. „Philipp! Du gehst rein! Sofort!“

      Flip sah Patte und Nina an. Beide hatten sich zum Gehen gewandt.

      „Und? Was ist?“, rief Sophia ungeduldig.

      „Also …“ Flip betrachtete missmutig den pappigen Lehm an seinen Schuhen.

      Patte wurde ungeduldig. „Kommst du endlich? Oder willst du durch Matsch kriechen?“

      Flip rümpfte die Nase. „Nö. Keine Lust.“

      Sophia sah ihm wütend nach. „Wenn Ihr jetzt geht!“, rief sie, „dann sage ich Euren Eltern, dass Ihr geraucht habt!“

      Flip zuckte zusammen.

      Nina lachte.

      „Gute Idee!“, rief Patte. „Mach das! Dann sage ich, dass du mitgeraucht hast!“

      Nina lachte immer noch, als sie zurück zum See rannten.

      Sophia folgt ihnen laut schimpfend und radelte mit hoch erhobenem Kopf nach Hause.

      Patte schnappte sich eine Handvoll Schokokekse und legte sich ins Gras. Der Tag am See konnte weitergehen.

      Flip blickte über den See. „Die sah eigentlich ganz interessant aus.“

      „Wer?“

      „Die … diese Höhle.“

      „Warum?“

      „Da drin war es so blau! Leuchtend blau! Und so hell!“

      „Klingt interessant!“ Nina setzte sich auf. Als sie sich zu Patte drehte, berührte ihr Knie Pattes Knie.

      „Findest du nicht?“

      Pattes Herz hüpfte. Da war es wieder! Das Kniegefühl! Es krabbelte hinauf in Pattes Brust und hinunter in seinen Bauch. Patte rührte sich nicht.

      „Hm, finde ich auch“, murmelte er.

      So skeptisch, wie Flip vorhin seine schmutzigen Schuhe betrachtet hatte, so begeistert war er jetzt.

      „Dann schauen wir die Höhle mal an?“

      „Coole Idee. Patte, was meinst du?“

      „Hm. Machen wir.“ Patte wusste zwar nicht, was er davon halten sollte. Falls es überhaupt eine Höhle war. Aber er hatte ohnehin keinen genauen Restferienplan.

      „Und wann schauen wir?“

      „Morgen!“, schlug Flip vor.

      „Okay.“ Patte schloss die Augen. Dann würde er sich also durch eine Wandritze quetschen, mit Lehm beschmieren und Efeuranken im Haar tragen. Und das nur, weil Nina dabei war.

      4. Der neue Ort

      „Wer will zuerst?“ Patte starrte lustlos den Schlitz in der Wand an. Er glaubte zwar nicht, dass dahinter etwas Sehenswertes war. Aber er wollte trotzdem nachschauen. Vielleicht fand er hier das Tor zum Mittelpunkt der Erde. Oder das Portal in die Zukunft.

      „Ich nicht.“ Ninas Blick verriet dieselbe Skepsis.

      „Also …“ Flip sah sich um. „Soll ich? Oder was?“

      Patte grinste. „War immerhin deine Idee.“

      „Na toll.“ Flip presste sein Gesicht an den Lehm und blinzelte durch die Öffnung. „Da drin …“

      „Ist eine Höhle. Blau und hell und so.“ Patte verdrehte die Augen. „Sollen wir jetzt nachschauen? Oder möchtest du vorher drüber diskutieren?“

      Nina lachte.

      „Ich geh ja schon.“ Flip untersuchte die Wandritze. Sein Blick glitt hinauf und hinunter und hinauf.

      „Guck mal. Hier geht’s rein.“ Patte setzte einen Fuß in die Öffnung. Er glitschte durch butterweichen Lehm und schrammte über Steine. Ein stechender Schmerz schoss durch seinen Fuß.

      „Alles okay?“ Nina sah Patte neugierig an.

      Patte biss die Zähne zusammen. Der Fußknöchel schmerzte höllisch. „Ja, ja … alles in Ordnung“, nuschelte er.

      „Wirklich?“

      „Ja, ja. Alles okay.“ Patte wollte seinen Fuß aus dem Lehm ziehen, doch er steckte fest. Er zog, drehte, wollte dem Schmerz ausweichen. Sein Bein rutschte weiter in die Öffnung.

      „Was ist?“ Flip kam näher.

      „Nichts.“ Patte schraubte und drehte. Das Bein rutschte immer weiter.

      „Steckst du fest?“ Nina reckte den Hals.

      „Nein!“ Patte legte sich auf den Wandschlitz. Was sollte er tun? Stundenlang rumhängen und so tun, als wäre nichts? Oder Flip darum bitten, seinen Fuß aus dem Matsch zu ziehen? Und ertragen, dass Nina dabei zusah? Oder, noch schlimmer, dass sie in die Knie ging, um ihn zu befreien?

      Patte begann zu schwitzen. Noch einmal versuchte er vorsichtig, seinen Fuß zu drehen und der Öffnung zu entkommen. Zwecklos. Ihm blieb nur der Weg nach vorne.

      „Patte? Was ist?“ Nina stand dicht hinter ihm. Patte spürte ihren Atem im Nacken.

      „Nichts!“ Patte drehte sich zur Seite. Das half. Er flutschte wie geölt durch den Wandschlitz. Sein Fuß löste sich und flutschte mit. Er stolperte auf die andere Seite und landete im Matsch.

      „Patte?“ Ninas Stimme klang nervös.

      „Alles okay?“, rief Flip.

      „Ja, ja!“ Patte bewegte vorsichtig seinen