Carlo Fehn

Abitreffen


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Woche Urlaub hierherkommen möchte und sich alles anschauen will. Und was soll ich dir sagen? Er war so begeistert, dass er in zwei Wochen schon wieder kommt, weil beim ersten Mal die Zeit viel zu knapp war und er vieles noch nicht gesehen hat.«

      Pytlik notierte sich gerade etwas auf einem Zettel und kommentierte Hermanns Erzählungen mit einer trockenen Bemerkung.

      »Na, das ist doch prima! Dann haben wir nicht nur einen ausgezeichneten Krimiautor, sondern auch noch einen zukünftigen Tourismusdirektor – und alles in einer Person! Ich bin begeistert!«

      Hermanns Lachen hatte etwas von Verzweiflung, er kannte seinen Chef allerdings zu gut, um zu wissen, dass die Informationen bei ihm angekommen waren.

      »Ach, Franz, ich glaube, ich werde heute sehr bald mal losgehen, und ein paar Leberkässemmeln holen. Vielleicht kühlt das die Gemüter wieder ein bisschen ab.«

      Justus Büttner, der gerade noch einmal hereingekommen war, da er Hermann etwas fragen wollte, hatte den letzten Satz aufgeschnappt und wartete nicht, den Vorschlag mit hochgezogenen Augenbrauen und einem Lächeln zu kommentieren.

      »Also, dess woa mit Obbstond die bessd Idee, die heid jemond ghobbd hodd. Vo mir aus konnsda gleich luhsmarschier! Und mir brengsda omm besten gleich zwaa mit!«

      ***

      Der Leberkäse hatte seine Wirkung nicht verfehlt. In der gleichen Runde, die am Morgen noch darüber diskutiert hatte, ob es denn notwendig sei, die Verbrechen im Landkreis Kronach – wenn auch nur fiktiv – zu Papier zu bringen, vergaß man für eine Weile alles Wichtige ebenso wie das Belanglose und es machte den Anschein, vier große Kinder hätten ihre Weihnachtsgeschenke bekommen und würden nun mit ihnen spielen, ohne dabei gestört werden zu wollen.

      »Also, eines muss ich ja immer wieder sagen«, wagte Pytlik es dann doch, das allgemeine Schmatzen und Schlürfen in seinem und Hermanns Büro zu unterbrechen.

      »Von Leberkäse versteht auf der ganzen Welt niemand so viel wie die Franken!«

      Der Hauptkommissar hatte gerade ganz verliebt auf die Semmel mit zentimeterdickem Fleischbelag in seinen Händen geschaut und dann genussvoll abgebissen. Sein Mund war noch nicht ganz leer, als er sich einen Schluck Kaffee – wie immer gesüßt mit ein bisschen Zucker – hinterhergoss. Das leise Stöhnen machte den Eindruck, als würde er nicht mehr genug Luft bekommen, aber es war lediglich ein Ausdruck der puren Freude.

      »Was soll das denn jetzt schon wieder heißen?«, fühlte Gundi Reif sich anscheinend angegriffen. Sie machte den Eindruck, an diesem Freitag nicht gerade in Wochenendlaune zu sein und legte noch einmal nach.

      »Erstens meinst du wohl, dass auf der ganzen Welt niemand so viel vom Leberkäs versteht wie die Kronacher! Zweitens lassen wir Oberfranken uns bestimmt nicht nur auf unseren Leberkäs reduzieren! Also ehrlich! Manchmal musst du immer raushängen lassen, dass du ja eigentlich einer aus der Hauptstadt bist.«

      »Ich hab doch nur gesagt…«, breitete Pytlik seine Arme aus und wollte sich rechtfertigen.

      »Du wolltest einfach sagen, dass wir Oberfranken ein einfaches Volk sind! So! Basta! Und nichts Anderes!«

      Gundi Reif machte tatsächlich den Eindruck, sich persönlich angegriffen zu fühlen. Pytlik schaute Hilfe suchend zu Hermann und Büttner. Seine beiden Kollegen rollten mit den Augen und signalisierten ihm, dass es anscheinend einen Grund für die schlechte Laune seiner Sekretärin gab. Erst später erzählten sie ihm, dass Adelgunde Reifs Mutter mit gesundheitlichen Problemen zu kämpfen hatte und sie deswegen ein bisschen in Sorge war.

      »Du hast mich durchschaut, Gundi!«, stellte Pytlik dann ganz simpel fest.

      »Konsequenterweise müsstest du dann aber sagen, dass wir Oberfranken« – Pytlik machte mit seinem Zeigefinger eine Kreisbewegung, mit der er alle Anwesenden einschloss – »sogar ein sehr einfaches Volk sind, denn neben dem besten Leberkäse gibt es bei uns auch noch das beste Bier weltweit!«

      »Sehr guhd, endlich moll a woahres Worrd, Franz!«, brummte Büttner seine Zustimmung über den Tisch. Dann war Ruhe. Gundi Reif hatte die Alufolie, in die ihre Leberkässemmel eingepackt war, fein säuberlich gefaltet, so als wollte sie sie später noch einmal benutzen. Man spürte, dass sie sich irgendwie nicht wohl fühlte und so war es nicht verwunderlich, dass sie sich abrupt verabschiedete, nachdem sie die Semmelkrümel auf dem Tisch mit der rechten in ihre linke Hand geschoben und anschließend in den Müll geworfen hatte.

      »Bis später dann mal!«

      »Bis dann!«

      »Tschüss!«

      »Servus!«

      Nachdem Pytlik den Grund für Gundis Unwohlsein also erfahren hatte, nickte er nur kurz und wollte damit bekunden, dass er hoffte, dass es nicht so schlimm wäre.

      Kurz war es still.

      »Maahnst du werglich, dess mir aweng einfoch senn?«

      Büttners besorgte Nachfrage bestätigte den Hauptkommissar zumindest darin, dass sein Kollege wenigstens manchmal etwas unbeholfen war. Pytlik packte gerade die zweite Leberkässemmel mit dem dafür typischen Geräusch aus und überlegte dabei sehr gut, was er antworten sollte.

      »Geht es deiner Mutter auch schlecht, Justus?«

      Der Hauptkommissar blickte ernst, allerdings interessierte ihn in erster Linie sein Frühstück.

      »Und bei dir, Cajo? Auch irgendwelche Probleme in der Familie? Langsam kommt es mir so vor, als hättet ihr euch heute alle gegen mich verschworen. Was ist denn mit euch los?«

      »Moment mal…!«, begann Hermann, der jedoch sofort wieder von Pytlik unterbrochen wurde.

      »Nix, Moment mal!«, geriet Pytlik nun leicht in Rage. Er legte seine Leberkässemmel vor sich auf den Tisch und wartete, bis sein Mund leer war.

      »Ich habe lediglich gesagt, dass es hier den besten Leberkäse gibt!«

      Er hatte seine Hände dazu wie ein Megafon vor seinem Mund geformt und so laut gebrüllt, dass er sicher war, seine Sekretärin musste es auch gehört haben. Büttner und Hermann schauten sich verdutzt an. Pytlik machte weiter.

      »Aber das ist wieder ganz typisch! Und ich sage euch als Oberfranke – ja ich bin seit einem halben Jahrhundert hier und ich bin ein Oberfranke! –, dass wir, vor allem immer nur darauf schauen, dass uns die in München ja nicht mögen, uns vergessen, uns keine Autobahn vor die Haustür bauen und überhaupt: Für die gehören wir ohnehin schon zu Thüringen. Das ist das, was natürlich auch unsere Kinder hier schon mit auf den Weg bekommen. Da war ich kürzlich auf der Frankenwaldmesse, und nachdem ich mit meiner Runde fast am Ende war, hab ich so für mich festgestellt: Wow, ist doch der Hammer, was unsere Region so alles zu bieten hat! Da traf ich dann eine alte Bekannte von früher, die jetzt in Finanzen macht. Ich sprach sie ganz nett an und wollte wissen, wie es denn so läuft und wie sie zufrieden war. Da schaute die mich an, so als hätte sie in eine saure Zitrone gebissen und sagt mir, dass wir uns vor denen da unten überhaupt nicht verstecken müssten und es keinen Grund gäbe, sich klein zu machen.«

      Büttner und Hermann schauten sich fragend an.

      »Ja, ganz genau! So habe ich auch geschaut, als ich das hörte. Viele denken hier bei allem, was sie machen immer nur daran, wie das eben woanders ankommt und wahrgenommen wird. Das ist wirklich so mein Eindruck, und dabei sollten wir erst einmal anfangen, mit uns selbst klarzukommen.«

      »Naja, ganz Unrecht hast du da sicherlich nicht«, nickte Hermann zustimmend.

      Büttner interessierte sich brennend dafür, wer denn wohl Pytliks alte Bekannte war.

      »Schau doch mal bei uns in die Stadt«, fuhr Pytlik fort.

      »Sagen wir mal, wir haben im Innenstadtbereich aktuell vielleicht so ein Dutzend Leerstände bei Ladenimmobilien.«

      »Könnte hinkommen«, bestätigte Pytliks Assistent. Der Hauptkommissar führte seine Überlegungen fort.

      »Gibt es da irgendwelche sinnvollen