Carlo Fehn

Abitreffen


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      »Was ist los, Flo? Du hast doch irgendetwas auf dem Herzen.«

      Der Macho hatte bemerkt, dass seinem Kumpel von früher anscheinend irgendetwas auf den Nägeln brannte. Die Stimmen der Beiden wurden leiser und der, dessen Name wohl Florian sein musste, schaute zunächst vorsichtig nach links und rechts, bevor er weiter sprach.

      »Es ist wegen der Geschichte mit Martina!«

      Das bis dahin so überlegen und unerschütterlich wirkende Getue des hessischen Sportwagenliebhabers verwandelte sich plötzlich in angestrengte Mimik und nervöse Gesten. Wer auch immer diese Martina war, sie schien eine besondere Beziehung mit diesem Benny zu haben, schlussfolgerte Pytlik sogleich.

      »Aber ich dachte, davon würde niemand wissen. Ich meine, was da in der Nacht bei unserem Abischerz gelaufen ist, das wissen doch nur du und ich.«

      Beide flüsterten nun mehr als sie das vorher getan hatten. Pytlik musste sich konzentrieren.

      »Ja, ja, aber anscheinend hat sie doch etwas erzählt, auch wenn du ihr gedroht hast.«

      Pytlik hatte den letzten Halbsatz nicht mehr verstehen können, da sein Handy ausgerechnet in diesem Augenblick klingelte. Er ging kurz nach draußen und telefonierte, bevor er anschließend wieder an seinen Platz im Backhaus zurückkehrte. Die beiden Männer schienen beschlossen zu haben, das Thema von gerade nicht weiter in der Öffentlichkeit zu besprechen. Es dauerte dann auch nur noch wenige Momente – der Hauptkommissar war etwas überrascht – und das Duo zahlte an der Theke die Rechnung und verließ den Raum. Im Augenwinkel hatte Pytlik gesehen, dass sich eine junge Frau mit dunkelblauer Uniform, einem Stift und einem Quittungsblock in der Hand für das schnelle Auto auf dem Behindertenparkplatz interessierte. Ein Lächeln huschte ihm ins Gesicht. Tanja, die sympathische Politesse, die aufgrund ihres Jobs in Kronach mehr Feinde als Freunde hatte, war gerade dabei, ihre Arbeit auch in diesem Fall akribisch zu erledigen.

      Pytlik konnte zwar nicht hören, worum es im anschließenden Gespräch der Männer, die noch vor wenigen Augenblicken neben ihm im Backhaus gestanden hatten, mit der durchaus attraktiven jungen Frau mit den bunten Fingernägeln ging, allerdings konnte sich der Hauptkommissar den Verlauf der Unterhaltung sehr gut vorstellen. Er beobachtete. Pytlik hatte eine gewisse Vermutung, wie es ablaufen würde. Allerdings musste sich der Kronacher Ermittler sehr schnell eingestehen, dass er die Situation wohl falsch eingeschätzt hatte. Ein bisschen Smalltalk, ein paar dumme Sprüche, Zerreißen des Knöllchens und dann mit Vollgas abhauen – das hatte Pytlik erwartet. Aber es war ganz anders gekommen und der Hauptkommissar machte sich bereit, der Politesse zu Hilfe zu eilen. Nachdem er sehen konnte, dass der mutmaßliche Fahrzeughalter der Ordnungshüterin gegen deren Willen einen Arm um die Schultern legte und sie fest an sich drückte und begann, sie vor seinem Kumpel lächerlich zu machen, legte auch Pytlik schnell ein paar Münzen auf den Tresen und eilte nach draußen.

      »So, Freundchen, Schluss jetzt! Du nimmst sofort deine Hände von meiner Kollegin oder es passiert was!«

      Im Nu blieben einige Passanten am Ort des Geschehens stehen und zeigten neugierig Interesse, was nun passieren würde. Pytlik stand jetzt vor dem Mann, der ihm von der Statur her ein bisschen ähnelte, gut und gerne aber sein Sohn hätte sein können. Der blonde Begleiter hielt sich schüchtern mit einem Meter Abstand im Hintergrund. Der Politesse, die sich mittlerweile aus den Fängen des Querulanten befreit hatte, war die Situation sichtlich peinlich. Pytlik redete beruhigend auf sie ein.

      »Alles gut, Tanja! Alles gut, ich regle das. Schreib du dein Knöllchen; ich bin mir sicher, das wird der feine Herr hier schnellstmöglich begleichen.«

      Der feine Herr, wie Pytlik ihn genannt hatte, war sichtlich überrascht, schaffte es aber, rasch wieder in Angriffsposition zu gehen.

      »Kollegin also! Und wer sind Sie, wenn ich fragen darf?«

      »Die Fragen stelle jetzt zunächst mal ich«, entgegnete Pytlik lapidar.

      »Führerschein, Fahrzeugschein, Ausweis bitte! Und von Ihnen bitte auch!«

      Pytlik genoss es, den beiden Männern eine kurze Belehrung zu geben.

      »Also, wen haben wir denn da? Sattler, Benjamin. Aus Hanau, ist das richtig?«

      »Wenn es da steht, wird es schon so sein.«

      »Schönes Auto haben Sie da!«

      »Werden Sie sich wohl niemals leisten können!«

      Pytlik lächelte mitleidig.

      »Und wen haben wir hier noch?«, schaute er sich den Ausweis des zweiten Mannes an.

      »Aha, Florian Frank! Na, da haben Ihre Eltern aber viel Einfallsreichtum bewiesen. Wieso denn nicht gleich Frank Frank? Wäre doch noch einfacher gewesen, oder nicht?«

      »Jetzt machen Sie mal langsam, Herr…«

      »Pytlik! Pytlik ist mein Name. Ich bin Hauptkommissar bei der Polizei in Kronach und wenn ich nicht gerade Verbrechen aufkläre, komme ich meinen Kolleginnen und Kollegen zu Hilfe, wenn die gerade Stress mit irgendwelchen Typen haben, die meinen, nach Lust und Laune Gesetze außer Acht lassen zu können.«

      Der Macho hatte sich aus dem Auto einen Notizblock und einen Stift geholt.

      »Wie schreibt man das?«

      »Was?«, wollte Pytlik wissen.

      »Ihren Namen! Wie schreibt man Ihren Namen?«

      »Komm schon, Benny! Jetzt lass doch gut sein! Zahl den Strafzettel und dann hat sich die Sache!«

      Der kleine Blonde schien zumindest vernünftiger zu sein als sein Kumpel. Als er ihn beschwichtigend am Arm fasste, schubste der in allerdings unsanft weg.

      »Spinnst du? Ich lass mich hier doch nicht schikanieren!«

      Pytlik wollte noch warten, bis seine Kollegin mit ihrer Arbeit fertig war und weitergehen würde, dann würde er den kleinen Zwischenfall auch schnellstmöglich beenden und selbst nach Hause gehen. Die Angelegenheit war ihm keine weitere Aufregung wert.

      »Mach‘s gut, Tanja! Schönes Wochenende.«

      »Danke, Franz! Wär’ nicht nötig gewesen, aber trotzdem…«

      Pytlik konnte sehen, dass es nicht verkehrt war, der jungen Frau geholfen zu haben. Er hätte nur zu gern gewusst, was sie sich alles hatte anhören müssen. Als sie sich davonmachte, konnte es sich Benjamin Sattler nicht verkneifen, ihr noch einen Kommentar hinterherzurufen.

      »Tschüss, Tanja! Ich finde bestimmt heraus, wo ich dich heute Abend treffen kann. Ich habe gute Beziehungen in Kronach – immer noch. Kann sein, dass wir heute Abend noch gemeinsam irgendwo etwas trinken. Was meinst du?«

      Er winkte aufreizend und arrogant hinter der Politesse her, die sich aber nicht mehr umdrehte.

      »So, jetzt reicht es mir! Hier sind Ihre Papiere und Ausweise zurück. Ich gebe Ihnen den guten Rat, sich mit ruhiger Fahrt hier vom Hof zu machen.«

      Dann trat Pytlik ganz nahe an Benjamin Sattler heran und flüsterte ihm etwas ins Ohr, das niemand sonst hören konnte.

      »Arschlöcher wie Sie kann ich in meiner Stadt nicht gebrauchen! Also, steigen Sie jetzt in Ihr Scheißauto ein und hauen Sie ab! Und wenn ich auch nur noch eine kleine Beschwerde über Sie hören sollte, solange Sie hier sind, werde ich Sie auseinandernehmen, das verspreche ich Ihnen! Und bevor Sie jetzt losbrüllen, dass der Bulle Sie Arschloch genannt hat, darf ich Sie daran erinnern, dass der Bulle gesehen hat, wie Sie seiner Kollegin an die Titten gefasst haben. Also, auf Nimmerwiedersehen, Amigo!«

      Nachdem Pytlik einen Schritt zurückgewichen war, konnte er sich an der versteinerten Miene Benjamin Sattlers erfreuen, der wohl tatsächlich im Begriff gewesen war, das zu tun, wovor Pytlik ihn letztendlich eindringlich gewarnt hatte.

      ***

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