Sabine von der Wellen

Auf ihren Spuren


Скачать книгу

ist.“

      Ich starre sie fassungslos an. „Warst du in meinem Zimmer und hast herumspioniert?“

      „Ach nein. Ich habe nur unsere Haarbürste gesucht.“

      Unsere Haarbürste? Das ist meine Haarbürste, die ich von Mama geschenkt bekam, weil ich nur damit meine vollen, welligen Haare etwas gebändigt bekomme. Und die ist bestimmt nicht in meinem Schrank zu finden, sondern liegt in meinem Regalteil im Badezimmer.

      Ich will Katja gerade wütend zusammenstauchen, als sie mit der Hand über meine Wange streicht. „Ich würde nie etwas tun, was dich verärgert.“ Ihr Augenaufschlag dazu ist mittlerweile legendär und das nimmt mir die Möglichkeit, sie richtig zusammenzufalten. Vielleicht, wenn Timo und Manuel da wären, dann würde ich jetzt ausrasten. Aber mit Katja allein … da fehlt mir die Motivation, um den grimmigen und sie verachtenden WG Mitbewohner zu mimen, den ich da gerne raushängen lasse.

      Katja geht in die Küche und holt für uns Milch. Der Saft ist alle und der Tee auch. Kaffee gibt es auch schon länger nicht mehr. Ich war einfach in der letzten Zeit zu aufgedreht und ruhelos, um ans Einkaufen zu denken. Und scheinbar tut das auch kein anderer hier, oder eine andere, obwohl jeder dafür zu sorgen hat, dass wir versorgt sind.

      Katja schüttet uns die Gläser voll Milch, was heißt, dass es nun auch keine Milch mehr gibt. Dabei lächelt sie versonnen. Dann setzt sie sich endlich und reißt das Papier auf, das den Kuchen umspannt. „Oh, schön. Plundergebäck mit Pudding und Pfirsichen“, sagt sie, als wäre sie darüber überrascht. „Ich hoffe, du magst Pfirsiche. Die sind so schön süß und saftig“, säuselt sie den letzten Satz und beugt sich zu mir rüber, was mir ihre Oberweite näherbringt, die sich aus ihrem tiefgeschnittenen T-Shirt drängt.

      Ich lege meinen Zeigefinger an ihre Stirn und drücke sie zurück auf ihren Platz.

      Grinsend zieht Katja ihren Arm unter ihren Brüsten weg, was alles wieder in Normalposition bringt und zieht den Pappteller mit dem Kuchen zu sicher heran.

      Ich kann nicht umhin mir diesen Wechsel von super wow Brüsten zu immer noch wow Brüsten anzusehen. Es fällt auch schwer, den Blick von diesem Dekolleté zu nehmen, als mir ein Teller mit einem der Kuchenteile vor die Nase geschoben wird.

      „Ich weiß gar nicht, wie man sowas unbeachtet in einem Fahrradkorb liegenlassen kann?“, fragt sich Katja gerade, als ich herzhaft in das Puddingteil beiße. Ich verschlucke mich fast.

      „Hast du die geklaut?“, rufe ich entrüstet und mit vollem Mund.

      „Hat dir deine Mutter nicht beigebracht, dass man mit vollem Mund nicht spricht!“, murrt Katja, weil ihr wohl klar wird, dass ich ihren Ausspruch richtig interpretiere.

      Ich funkele sie wütend an und sie mich. „Lass meine Mama da raus!“, zische ich.

      „Und du mach mich nicht immer so blöde an, wenn ich schon dafür sorge, dass es etwas Essbares im Haus gibt.“

      „Wie wäre es mal mit normalem Einkaufen?“, fauche ich zurück und springe auf, dass es den Stuhl kreischend verschiebt.

      „Dann gib mir Geld!“, zischt Katja entrüstet zurück und ihre schönen, braunen Augen bekommen einen Raubkatzenblick.

      Ich starre sie fassungslos an. Jetzt will sie auch noch Geld von mir! Ihr reicht nicht, dass ich ihren Wohnanteil zahle, ganz zu schweigen von ihrem Unkostenbeitrag. Jetzt will sie tatsächlich auch noch Bares von mir!

      Ich greife mir den Teller mit dem Kuchen, weil er einfach zu lecker schmeckt und ich Hunger habe, und gehe in mein Zimmer. Die Tür laut zuknallend, will ich einfach nur meiner eigenen Fassungslosigkeit und Katjas Wut entfliehen. Letzteres verstört mich etwas. Ich will eigentlich nicht, dass sie wütend auf mich ist. Aber sie muss doch einsehen, dass ich im Recht bin.

      Aber ich beschließe, wenn ich mich etwas beruhigt habe und der Kuchen in meinem hungrigen Magen für Ruhe sorgt, wirklich loszugehen, um etwas einzukaufen.

      Als ich keine zehn Minuten später aus meinem Zimmer trete, hockt Katja immer noch am Tisch. Sie sieht auf und mich direkt an. Dabei wischt sie sich schnell die Wangen trocken.

      Mich trifft das, wie der Tritt eines Pferdes. Weint sie etwa?

      „Ich will nicht, dass du immer wütend auf mich bist“, höre ich sie in dem Moment leise murmeln. „Ich versuche doch alles richtig zu machen.“

      Ihre Worte machen mich erneut fassungslos und sofort regt sich etwas in mir und will ihr sagen, dass alles in Ordnung ist und sie nicht weinen muss … und ich gar nicht mehr wütend bin. Irgendwie will ich ihr diese Traurigkeit aus dem Gesicht nehmen. Ich will, dass sie glücklich ist und lächelt.

      Aber ich murmele nur unbeholfen: „Ich gehe eben etwas einkaufen.“

      Erneut putzt Katja sich die Tränen von der Wange und erwidert mit einem leichten Anflug eines Leuchtens in den Augen: „Das ist gut. Es tut mir wirklich leid, dass ich so wenig beitragen kann.“

      Timo und Manuel schätzen ihren Beitrag bestimmt nicht als gering ein.

      Ich winke ab.

      „Aber ich könnte tragen helfen“, ruft Katja mit neuer Kraft in der Stimme und ich bin einen Augenblick verdutzt. Was soll das heißen? Will sie etwa mitgehen?

      Etwas in meinem Inneren beginnt einen Heizstrahler anzuwerfen und dessen Wärme breitet sich schnell überall aus. Das verunsichert mich.

      „Bitte“, säuselt Katja und schiebt sich von ihrem Stuhl, mich mit einem flehenden Blick ansehend, der auch bei mir schnell Einiges zu erflehen droht.

      Schnell laufe ich an ihr vorbei zur Tür und brumme nur: „Wenn du unbedingt willst!“ Damit sprinte ich aus der Tür und zum Fahrstuhl.

      Ich höre Katja die Tür zuwerfen und dann schlüpft sie hinter mir in den Fahrstuhl. Das macht mir klar, dass sie wirklich mit mir zusammen einkaufen geht.

      Ich will es nicht. Aber mich überkommt ein seltsames Hochgefühl, dass ich aber auf keinen Fall zeigen will. Als wir aus dem Fahrstuhl aussteigen, bin ich froh, der Enge zu entkommen und marschiere durch das Portal zum Ausgang.

      Da ich kein Geld habe, muss ich erst zum Automaten. Der ist nur drei Häuser entfernt. Da ist auch meine Bank. Die steuere ich an, während ich Katja möglichst versuche zu ignorieren und meine Karte zücke. Ich checke erst meinen Kontostand.

      Offensichtlich haben Timo und Manuel ihren monatlichen Obolus gezahlt. Jeder hat für sein Zimmer eigentlich 300 Euro einzuzahlen. Durch Katjas Einzug wurden daraus 225 Euro und jeder muss für ca. 100 Euro einmal im Monat einkaufen.

      Ich ziehe zweihundert Euro. Ich kann mir das leisten. Ich habe zwar nicht das Geld meiner Mutter auf dem Konto, weil das Onkel Andreas bis zu meinem achtzehnten Geburtstag verwaltet, aber ich bekomme das Geld der anderen und 300 Euro von Onkel Andreas von meinem Geld. Dafür gehen unsere Unkosten davon ab und ich muss mich selbst finanzieren. Bisher klappte das einigermaßen. Es würde besser klappen, wenn Katja ihren Obolus beitragen würde. Aber natürlich sage ich nichts, obwohl sie hinter mir steht und von einem Fuß auf den anderen trippelt. Ich höre das nervöse Gezappel hinter mir und ziehe das Geld aus dem Schlitz und schiebe es in meine Geldbörse.

      „Okay. Gehen wir“, sage ich und klinge freundlich, dabei wollte ich sie doch eigentlich ignorieren.

      „Ja, gehen wir“, sagt sie und hakt sich lächelnd bei mir ein, als wären wir ein Paar … oder zumindest befreundet.

      Während wir die Straße hinunterlaufen, spüre ich ihren Körper an meinem. Ich versuche das auszublenden. Am liebsten würde ich sie abschütteln oder von mir schieben. Wenn Timo uns sieht … oder Manuel! Oh Mann.

      Endlich kann ich mich von ihr befreien, um beim Laden, an dem wir wenig später ankommen, einen Einkaufswagen zu ergattern. Das ist nicht leicht bei den vielen Feierabendeinkäufern.

      Als ich den Einkaufswagen durch den automatischen Türöffner fahre, steht Katja schon beim Gemüsestand und schenkt mir ein Lächeln, als wolle sie mich für meinen