Sabine von der Wellen

Auf ihren Spuren


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und mein Treffen mit Marco sind wirklich viel an Aufregung für einen einzelnen Samstagabend. Und die ständigen Diskussionen mit Katja auch … und ihre ablehnende Haltung mir gegenüber, weil sie meint, ich bin hier nur der Kurzschwanz der WG.

      Ich atme tief durch und spüre die Hitze in meinem Gesicht. „Und du willst wissen, warum ich mich hier so aufplustere?“, zische ich. „Weil das meine Wohnung ist und ihr nur meine Mitbewohner seid.“

      Katja sieht mich an, als hätte ich nicht alle Tassen im Schrank und ein herablassendes Lächeln zeigt mir, dass sie mir kein Wort glaubt. Und sie will gerade etwas bestimmt sehr Niederträchtiges antworten, als ich schon aus dem Zimmer stürme und rufe: „Entweder Manuel ist bei deiner Party dabei oder du sitzt ab morgen auf der Straße.“

      Ich stürme in mein Zimmer, wo Manuel mir von meinem Lederschreibtischstuhl entgegenstarrt.

      „Und du hast die volle Verantwortung für den Haufen. Ist nur irgendetwas kaputt, jemand in mein Zimmer gelaufen oder mir kommen irgendwelche Klagen, dann war das Katjas letzter Tag hier.“ Irgendwie fühle ich mich plötzlich stärker, jetzt wo ich klarstellte, wem die Wohnung wirklich gehört. Ich habe das Gefühl damit meine Schwanzlänge in die richtige Größe gebracht zu haben und das scheint mir längst überfällig.

      Manuel sieht mich erschrocken an. Doch ich beachte ihn nicht und greife mir ein paar Klamotten und stürme hinaus und ins Badezimmer, dass auch gerade Katja ansteuern wollte, mich mit einem herablassenden Blick bedenkend, der wohl heißen soll: „Red du nur, Kleiner. Ich habe alle, die etwas zu sagen haben, auf meiner Seite.“ Dass ich an ihr vorbeistürme und hinter mir die Badezimmertür zuschmeiße und abschließe, lässt sie wütend gegen die Tür schlagen. „Joel, mach auf. Ich muss mich fertigmachen!“

      „Ich mich auch!“, schreie ich zurück und stelle schon mal das Wasser der Dusche an. Ich habe zwar noch Zeit, werde aber so lange hier verbringen, wie ich kann.

      Mit einem seltsamen Gefühl der Überlegenheit stelle ich mich ewig lange unter das heiße Wasser. Das muss Katja wirklich auf die Palme bringen. Sie klopft immer wieder wütend an die Tür. „Mensch, beeil dich mal!“

      Ich ignoriere sie und hoffe, sie heult sich bei Manuel aus. Vielleicht fragt sie ihn, wem die Wohnung wirklich gehört. Ich höre ihn schon antworten: „Joel!“

      Wie gerne würde ich dann ihr Gesicht sehen. Denn mir glaubt sie das offensichtlich nicht und befürchtet nicht, dass sie einen Rauswurf riskiert.

      Natürlich ist mir klar, dass ich sie sowieso nicht vor die Tür setze. Ihre Tränen vom letzten Streit reichen für Wochen. Das will ich nicht noch mal ertragen. Aber es ist gut, dass sie endlich weiß, welche Rolle ich hier spiele.

      In meinem Kopf kriecht doch tatsächlich ein Bild hoch. Ich sehe mich in meinem Zimmer und Katja vor mir auf dem Boden knieend …

      Okay. Das ist verrückt.

      Ich rasiere mich gründlich und trockne mir vorsichtig mit dem Fön die Haare, damit ich nicht gleich aussehe wie ein Löwe. Mein enges schwarzes T-Shirt zeigt, dass ich mich langsam zum Vorteil entwickele und ich frage mich unweigerlich, was Mama wohl dazu sagen würde. Ob sie stolz auf mich und mein Aussehen wäre? Ich bin im letzten halben Jahr bestimmt fünfzehn Zentimeter gewachsen. Wie gerne würde ich sie das wissen lassen. Aber vielleicht sieht sie mich ja auch?

      Dieser Gedanke verursacht ein seltsames Gefühl in meinem Bauch. Denn dann würde sie auch alles andere sehen und da ist einiges, dass mir wirklich peinlich wäre.

      Als ich die Badezimmertür aufschließe, reißt jemand sie auf und eine aufgebrachte Katja stürmt an mir vorbei. „Scheiße, was stinkt das hier nach Testosteron!“ keift sie.

      Ich starre ihr nur verwirrt hinterher. Aber sie knallt die Tür schon zu.

      Manuel sitzt im Sofa und schaut Fernsehen. Er grinst mich an, als ich bei ihm ankomme und frage: „Häh? Was meint sie?“

      „Männerschweiß“, antwortet er grinsend.

      Ich bekomme den Mund kaum zu. Was soll das denn heißen?

      „Katja steht eigentlich drauf“, meint Manuel mit einem Augenzwinkern.

      Das klang aber anders und ich habe mich extra ausgiebig geduscht, um gut zu riechen. Aber dass ich das vielleicht vorher nicht tat, war mir nicht in den Sinn gekommen. Das ist sowieso ein Aspekt, der mir nie richtig bewusst war. Ich ahnte ja auch nicht, dass andere das so riechen.

      „Komm, lass sie labern. Erzähl mir lieber, warum du dich heute so aufbrezelst. Hast du ein Date?“

      Ich weiß nicht, was ich Manuel sagen soll. Aber vielleicht ist es besser, einer weiß, wo ich hingehe. Nur für den Fall, dass ich nicht mehr wiederkommen.

      Ich lasse mich neben ihn in das Sofa sinken.

      Leise erkläre ich ihm: „Ich treffe mich heute mit einem Typ, der Mama kannte.“

      Manuel rückt erschrocken von mir ab und zischt: „Einer von den Geschichtenschreibern?“

      „Nein, eher ein Freund von ihr. Hoffe ich zumindest. Ich denke, er hat Mama die Sicherungen auf dem Handy und Laptop eingebaut und alles nach ihrem Tod gelöscht.“

      Manuel sieht mich mit offenem Mund an. Dann raunt er: „Ey, das ist gefährlich. Weiß er, wer du bist?“

      Ich nicke, bin aber über Manuels Bedenken erschrocken. Darum raune ich: „Unter meiner Tastatur liegt die Adresse, wo ich hingehe. Falls ich nicht mehr wiederkomme.“

      „Soll ich nicht besser mitgehen?“, bietet er an und klingt wirklich wie ein echter Freund.

      Ich kann ihn nur bitten: „Nein, achte du darauf, dass niemand mein Zimmer betritt und Katja keinen Blödsinn macht. Sonst sind unsere Zeiten als WG gezählt.“

      Manuel weiß das und nickt. Aber ich sehe ihm an, dass er größte Bedenken hat, was mich angeht und auch … wie sein Abend verlaufen wird. Leise raunt er: „Katja wird aber nicht erfreut sein.“

      „Das ist egal. Ich habe ihr gesagt, entweder die Party findet mit dir statt oder gar nicht.“

      Manuels Augen leuchten auf. „Danke, Alter! Dann kann mein Abend ja nur gut werden.“

      Nah, wir werden sehen.

      Eine Stunde später trudeln die Mädchen ein. Ich begegne ihnen unten vor der Eingangstür des Einkaufscenters, wo sie aufgeregt wie Hühner den Klingelknopf drücken, der mit einem neuen Aufkleber bestückt ist, wie ich feststelle, als sie kichernd und aufgedreht durch die Tür ins Innere drängen.

      Ich schaue genauer hin.

      Wir hatten damals unsere drei Nachnamen auf das winzige Zettelchen gequetscht, das in dem Klingelplastik steckt. Nun klebt oben auf nur ein Name … und zwar der von Katja.

      Ich habe keine Zeit mich darum zu kümmern. Aber ich bin schon wieder so wütend auf sie, dass ich am liebsten nach oben stürmen möchte und die Party gleich beenden will. Aber es kommen schon wieder zwei weitere Mädchen und schauen sich verunsichert um. Ich kann nicht umhin festzustellen, dass Manuel ein wirklich netter Abend bevorsteht, wenn er all diese Schönheiten heute beaufsichtigen darf. Hoffentlich ist er damit nicht völlig überfordert. Ich wäre es bestimmt.

      Ich mache mich auf den Weg zum Hotel, meine schwarze Schultasche unterm Arm, in der Mamas Laptop steckt. Es ist noch etwas zu früh, aber ich will pünktlich sein und muss erst mal die Zimmernummer 203 finden.

      Mein Weg führt mich durch den Park, hinter dem das Hotel sich dem Himmel emporreckt. Als ich das opulente Foyer betrete, weiß ich nicht, was ich machen soll. Meldet man sich an oder sucht man sich selbst seinen Weg?

      Zumindest falle ich in meinem schwarzen T-Shirt und meiner schwarzen Jeans nicht auf. Es nimmt auch keiner Notiz von mir. Darum gehe ich mit einem Pulk Leuten, die einen der Fahrstühle ansteuern, mit. Aufgeregt redend, beachten sie mich nicht und wir steigen ein. Zu meinem Glück steht bei jedem Stockwerk, welche Zimmernummern dort zu finden sind. Ich muss in den sechsten Stock und denke mir, dass