Helene Hammerer

Der Bienenkönig


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jemand etwas darüber weiß, macht die Geschichte bald die Runde.“ Seine Einladung zum „z' Nünnor“, einer Vormittagsjause, schlug Ludwig dankend aus und machte sich auf den Weg.

      11

      Rosina hängte Wäsche auf, als Ludwig mit dem Bus zurückkam. Sie goss noch die Blumen vor dem Haus und sah ihn bald darauf mit Zargen aus der Tenne kommen und sie in den Bus laden. Hoffentlich hat man ihm nicht noch mehr Schaden zugefügt, dachte sie beklommen. Sie hatte noch nicht den Mut gefunden, bei Xaver anzurufen und wich Kilians prüfenden Blicken aus. Es schien, als ob sich sogar ihre Familie gegen sie wandte. Valli verbrachte jede freie Minute bei Ludwig und erzählte ganz begeistert vom neuen Badezimmer und dem Schleuderraum, dass die neue Einbauküche „voll schön“ war und dass am Wochenende Ludwigs Familie kommen wollte, um sich das Haus anzuschauen. Rosina fühlte sich ausgeschlossen. Bisher waren sie und Kilian der Mittelpunkt von Valerias Welt gewesen, nun schien sie nur noch eine Nebenrolle zu spielen. Na ja, kein Wunder, Valli kam im Herbst in die Hauptschule, sie war nicht mehr das herzige kleine Mädchen, das seine Mama ständig brauchte.

      Rosina goss die Setzlinge im Garten und verscheuchte ihre trüben Gedanken. Dann ging sie in die Küche, um Mandeltaler zu backen. Sie würde Ludwig einige vorbeischicken, als Zeichen ihres guten Willens, dachte sie und ihre Stimmung hob sich merklich. Valli ging nach dem Mittagessen zum Nachmittagsunterricht und Kilian wurde von Hansjok zum Seniorenjassen abgeholt. Einmal im Monat trafen sich die älteren Leute zu dem beliebten Kartenspiel. Rosina füllte ihre Kekse in kleine Beutel und band Schleifen darum. Einige legte sie für Ludwig auf einen Teller und deckte sie mit Frischhaltefolie ab. Sie würde ihm den Teller vors Haus stellen, beschloss sie, schlüpfte in ihre Holzschuhe und ging zum Nachbarhaus. Als Mariele noch gelebt hatte, war sie oft hier gewesen, aber Ludwig hatte sie noch nie besucht, im Gegensatz zu ihrer Tochter, die fast jeden Tag hier war.

      Beim Bienenstand blieb sie stehen und schaute dem emsigen Treiben zu. Ludwigs Völker mussten viel stärker sein, als ihre eigenen, denn während bei ihr nur wenige Bienen an den Fluglöchern zu sehen waren, wimmelte es hier nur so von ihnen. Vielleicht hatte Kilian Recht und sie sollte sich wirklich an Ludwig um Rat wenden. Wenn er von der Imkerei leben wollte, kannte er sich bestimmt gut aus. Die junge Frau stellte den Teller mit den Keksen auf die Bank vor dem Haus und wandte sich schon zum Gehen, als ihr auffiel, dass die Tür zur Tenne offen stand. Plötzlich war die Versuchung zu groß und ihre lange unterdrückte Neugier gewann die Oberhand. Sie würde sich schnell den neuen Schleuderraum ansehen, dachte Rosina, Valli hatte so viel davon erzählt.

      Flink ging sie in die Tenne und sah den Zubau. Er war größer, als sie es sich vorgestellt hatte. Sie öffnete die Tür und stand in einem hellen Raum, dessen Wände mit hellgrauem Linoleum ausgekleidet waren. Am Boden lag ein dunklerer Belag in Grau und Blau. An der Wand neben der Tür befand sich ein großes Waschbecken aus Edelstahl, darüber war ein Holzbord angebracht, auf dem sich eine Bürste und eine Flasche mit Spülmittel befanden. In der Ecke stand eine neue elektrische Honigschleuder und daneben befand sich die Entdeckelungswanne aus Edelstahl. An der anderen Wand standen ganze Stapel mit gelben Hobbocks, den dicht schließenden Honigeimern. Ludwig hatte alles gut durchdacht und war bereit für die Honigernte. Während Rosina alles betrachtete, hörte sie plötzlich ein Auto vorfahren. Sie schreckte aus ihren Gedanken auf und wollte flüchten, doch da kam schon Ludwig mit einer Beute voll Honigwaben in die Tenne.

      Als er die unerwartete Besucherin sah, runzelte er die Stirn. „Was machst du hier?“, wollte er wissen. „Ich hab dir ein paar Kekse vorbeigebracht“, stammelte Rosina und errötete, „sie stehen draußen auf der Bank.“ Als Ludwig sie nur weiterhin finster anblickte, fügte sie hinzu: „Die Türe war offen und da hab ich mir deinen Schleuderraum angeschaut. Valli hat immer davon erzählt und er ist wirklich schön geworden.“ Als sie ihre Tochter erwähnte, wurde sein Blick freundlicher, dann nickte er kurz. „Danke für die Kekse.“ „Oh, bitte, ich wollte dir sagen, dass mir die Sache mit den Bienenvölkern wirklich leid tut.“ „Dann könntest du mir helfen, anstatt dich dumm zu stellen. Denn, dass du gar nichts weißt, glaube ich dir nicht“, erwiderte Ludwig und schaute sie offen an. Rosina wusste nicht, was sie sagen sollte. Deshalb murmelte sie nur einen Gruß und ergriff die Flucht. Fast rannte sie den Weg zurück zu ihrem Haus. Ludwig stellte die Zarge ab und ging hinaus zum Bus. Kopfschüttelnd schaute er seiner Nachbarin nach. Dann sah er den Teller mit den Mandeltalern und beschloss, zuerst Kaffee zu trinken. So seltsam sich die junge Frau auch sonst verhielt, backen konnte sie ausgezeichnet.

      Rosina stürmte ins Haus und schlug die Tür hinter sich zu. Dann ging sie zum Telefon und rief Xaver an. Er selbst sei beim Jassen sagte seine Frau, ob sie ihm etwas ausrichten solle. „Ja, du kannst ihm ausrichten, dass es nicht in Ordnung ist, anderen Imkern ihre Völker zu zerstören und dass ich mit solchen Methoden nichts zu tun haben will.“ „Das war nicht Xaver, das war Willi“, entrüstete sich Xavers Frau und damit hatte Rosina Gewissheit. „Er als Vereinsobmann ist mitverantwortlich“, entgegnete sie bestimmt, verabschiedete sich und hängte auf, um sich die Tirade der dorfbekannten Klatschbase nicht anhören zu müssen. Jetzt konnte sie wenigstens Kilian sagen, dass sie angerufen hatte. Trotz des peinlichen Zwischenfalls fühlte sie sich erleichtert. In der Küche kochte sie sich eine Kanne Tee und ließ sich einen Mandeltaler schmecken. Dann ging sie ins Arbeitszimmer, um alles für den Markt herzurichten.

      12

      Nach der Stärkung mit Keksen und Kaffee war Ludwig wesentlich besser gelaunt. Die Episode mit seiner neugierigen Nachbarin konnte er inzwischen von ihrer komischen Seite sehen und so ging er schmunzelnd an die Arbeit. Er nahm die erste Honigwabe, stellte sie auf den dafür vorgesehenen Ständer über die Entdeckelungswanne und entfernte das dünne Deckelwachs mit einer spitzzackigen Entdeckelungsgabel. Die offene Wabe stellte er in die Schleuder und als der Schleuderkorb voll war, ließ er sie zuerst langsam laufen, damit die Waben nicht brachen, drehte die Wabe dann um und steigerte mit der Zeit die Drehzahl. Inzwischen bereitete er schon die nächsten Waben vor und als die ersten fertig waren, hängte er diese in eine leere Zarge. Der goldene Honig floss aus der Schleuder durch ein doppeltes Honigsieb in einen Hobbock und am Abend war der erste Honigeimer voll und der zweite halbvoll. Nun musste der Honig ein paar Tage stehen bleiben, damit die Luftblasen, die sich beim Schleudern bildeten, nach oben stiegen. Danach konnte er den Schaum abschöpfen und einige Gläser abfüllen. Das meiste jedoch wollte er zu Cremehonig rühren, denn der Blütenhonig kandierte sehr schnell.

      Die Honigernte wurde am Sonntag durch den Besuch seiner Familie unterbrochen. Nachdem seine Mutter unbedingt wissen wollte, wie und wo er lebte, hatte Ludwig sie alle am Sonntag zum Kaffee eingeladen. In der Bäckerei kaufte er dafür zwei Hefezöpfe und eine Sachertorte und jetzt stellte er den Biertisch und die Bierbank vors Haus, die ihm Ambros geliehen hatte. In Marieles Wäscheschrank fand sich ein schön gebügeltes Leinentuch, das als Tischtuch diente und dann deckte er den Tisch mit Marieles Sonntagsgeschirr, dem mit den Röschen. Seine Brüder würden ihn deswegen hänseln, aber das war egal. Bald gesellte sich Valli zu ihm. „Mama hat gesagt, ich darf nur eine Stunde bleiben und nur dann, wenn ich dich nicht störe“, verkündete sie. „Du störst mich nicht“, schmunzelte Ludwig, „du kannst mir beim Tischdecken helfen.“ Das Mädchen war begeistert und fragte ihn gleich nach Servietten. „Wenn wir Besuch bekommen, falten Mama und ich immer die Servietten“, erzählte sie. „Hm“, brummte Ludwig, „Servietten habe ich nicht.“ „Ich hole welche von zu Hause“, bot Valli an, doch ihr Freund lehnte ab und schickte sie stattdessen Blumen pflücken. In der Küche schnitt er das Zopfbrot auf, nahm die Torte aus der Schachtel und legte sie auf einen Kuchenteller. Falls seine Familie bis am Abend blieb, würde es noch heiße Würstchen geben.

      Er sah das erste Auto und begrüßte gleich darauf Ambros und Annele. Nachdem die beiden Gabis Großeltern waren, gehörten sie auch zur Familie und vor fremden Leuten hielt sich sein Vater zudem mit Kritik immer zurück. Außerdem sollte das Annele auch einmal die neuen Räume und die renovierte Küche sehen, bestimmt war sie schon neugierig. Annele überreichte Ludwig ein großes Stück Bergkäse, den Ambros selbst auf seiner Alpe herstellte, und ließ sich dann gerne durchs Haus führen. Die Küche gefiel ihr sehr gut, mit den neuen Einbauschränken,