Martin Cordemann

Tenderbilt


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in dem Buch „DADA op Kölsch“ (Regionalia Verlag, Rheinbach, ISBN 978-3-939722-01-1) erschienen.

      Doch nun zurück zu Theobald Melberg, der sich eingehend mit der Dicht- und der weiteren Kunst Kunst Fredericos beschäftigte. Ganze Aufsätze schrieb er über dieses Thema. Es begann mit seiner 'Warum Schwachsinnige auch schreiben können' betitelten Arbeit, die er für das inzwischen zugrunde gegangene Magazin DER KLEINE SPIELGEFÄHRTE schrieb. Später behauptete er, er habe es nur gemacht, weil er das Geld gebraucht habe, das ihm von der recht zweifelhaften Zeitung angeboten worden war. Auch versuchte er, seinen Stil als Ironie darzustellen, was jedoch von führenden Experten einwandfrei falsifiziert wurde. Hier ein kleiner Ausschnitt:

      "Ja, auch Schwachsinnige können schreiben. Es erscheint merkwürdig, dass Menschen, die geistig nicht der Norm entsprechen, Dinge können, die einem großen Teil der Weltbevölkerung verschlossen bleiben, doch dem ist so. Noch merkwürdiger erscheint es, dass viele von ihnen Bücher schreiben und sich als Schriftsteller ausgeben. Ich kann nur immer wieder den Mut bewundern, den diese ungebildeten Idioten aufbringen, um sich als Teil einer intellektuellen Kaste auszugeben, die ihren Horizont bei weitem überschreitet..."

      Nach Lektüre dieses Auszugs stellt sich die Frage, ob nicht doch die Möglichkeit der Ironie besteht – der Selbstironie, versteht sich. Leider sind inzwischen alle Exemplare dieser Ausgabe vergriffen, in der der Text durch Zeichnungen von Hernandes del Afrella, auch Potenzo Blitzt genannt, illustriert wurde, die etwa den Geschmack des Lesers getroffen haben mussten, der sich mit dem vorliegenden Text identifizieren konnte.

      Um einen Grobüberblick zu geben, kann man zusammenfassen, dass Melberg in seiner Arbeit nicht nur alle geistig Behinderten verurteilt, sondern sich auch einen intellektuellen Grad zubilligt, der seinesgleichen sucht, etwa zur Behandlung in einer therapeutischen Praxis.

      Potenzo Blitzt, der Herausgeber und Zeichner pornographischer Bilder der Zeitung DER KLEINE SPIELGEFÄHRTE, die sich nicht allein mit dem legendären Sado-Maso-Kult auseinandersetzte, sondern auch Sex mit Minderjährigen für eine erstrebenswerte Angelegenheit hielt, wurde drei Ausgaben später angeklagt, vor Gericht gestellt und für drei Jahre inhaftiert. Später wurde er in eine psychiatrische Anstalt in der Nähe von Brighton überwiesen, wo er im Alter von 64 Jahren nach siebenjähriger Verwirrung starb.

      In der erwähnten Ausgabe wurden illegal gemachte Aufnahmen von Vergewaltigungen, sowie von Kindesmisshandlungen gezeigt, denen ein Text beigefügt war, der ein solches Verhalten hoch lobte und jedem der Leser dazu riet. Da Potenzo Blitzt sich inzwischen für den Papst des Sexes und seine Zeitung für eine Art monatliche Bibel mit netten Bildern hielt, wurde ihm sein Vergehen, wenn überhaupt, erst bewusst, als es bereits zu spät war.

      Bezeichnend ist ebenfalls, dass die Werbung, durch die sich die Zeitung finanzierte, ausschließlich von einer Naziorganisation kam, die inzwischen ihren festen Platz in der Regierung erreicht hat, was sie wahrscheinlich auch der festen Lesergemeinschaft des KLEINEN SPIELGEFÄRHTEN verdankt.

      Heute sagt Melberg, er habe von dem Hintergrund dieser Zeitung nichts gewusst, ebenfalls nichts von den Nazis, er sei konservativ. Seine Konservativität reicht jedoch weit genug zurück, um doch mit den Nazis geliebäugelt zu haben, was jedoch keinen allzugroßen Einfluss darauf hatte, was weiterhin mit der kleinen Zeitschrift passierte. Zudem bestreitet er beständig, je über die Reinheit der Rasse ge-, oder sich gar dafür ausgesprochen zu haben. Es ist anzunehmen, dass seine Meinung darüber nur durch sein Unterbewusstsein in alle seine Texte eingeflossen ist, da eine andere Vermutung eine Verleumdungsklage nach sich ziehen würde.

      Niemand konnte sich erklären, dass Theobald Melberg allerorts als Experte für die Schriften der Tenderbilts, insbesondere Frederico Tenderbilts, ausgerufen wurde, allein die Tatsache, dass er es war, der sich als solcher ausrief, machte die Sache verständlicher.

      Auch war er es, der die erste Biographie über den damals hoch gehandelten Schriftsteller Frederico Tenderbilt schrieb, die leider weniger Biographie, als vielmehr eine Anthologie seiner Aufsätze, die durch einen kommentierenden Begleittext übergeleitet wurden, welche das Bild eines Irren malt, dessen Familie schon immer schwachsinnig gewesen war und bei dem es reiner Zufall zu sein schien, dass er überhaupt schreiben konnte, wurde. In einer Pressekonferenz antwortete Melberg auf die Frage, ob er Frederico überhaupt schon einmal begegnet sei, das wäre nicht nötig, er habe all sein Wissen ( ! ) aus den Werken und der Familienchronik schließen können, im Übrigen lehne er den Kontakt mit frei herumlaufenden Irren ab. Soviel zu den Expertenmeinungen.

      In Zusammenarbeit mit Frau Doktor Vera Allenstoon nahm der bekannte Fremdsprachenexperte Professor Dr. Dr. phil. etc. Allessandro Garivelli eine intensive Untersuchung der Werke Fredericos vor, die sich weit von der Arbeit Melbergs abhebt. Noch vor Erscheinen des Bandes 'Frederico Tenderbilt – Deutung und Interpretation seines Gesamtwerkes in drei Akten' von oben genannten Persönlichkeiten, starb Melberg bei einem Autounfall, der sich in seinem Wohnzimmer ereignete. Er trat auf ein kleines Spielzeugauto, das sein Sohn Raphael auf dem Boden hatte liegen lassen und rutschte darauf aus. Folge: Genickbruch. Für seinen Sohn war es ein schwerer Schlag, da es sich um das dritte Auto handelte, das er in diesem Monat verlor. Die beiden Autoren, die im Anschluss an die Beendigung ihres Buches heirateten und noch vor dem Beginn ihres nächsten gemeinsamen Buches wieder geschieden wurden (Titel: 'Vom Leben zu zweit und darüber hinaus'), beziehen sich in ihrem Werk weniger auf die angebliche Verrücktheit des Autoren, als vielmehr auf seine literarischen Leistungen. Über 'Duelle mit schlechtem Ausgang schrieben sie:

      "Eines der witzigsten und geistreichsten Gedichte, die ich in meinem Leben gelesen habe. Es ist ganz klar, dass der Autor damit den Leser lediglich amüsieren, nicht aber ein literarisches Meisterwerk erreichen wollte. Ganz eindeutig festzustellen sind die sozialkritischen Aspekte, die in vielen, vor allem der späteren Werke Tenderbilts, zu erkennen sind. A.G."

      "Meiner Meinung nach ist das Gedicht langweilig. Es hat keine Tiefe, verschlüsselt das, was es aussagen will in keiner Weise, ist wenig subtil, im Versmaß oft holprig und weist einen naiven Bezug zur Dichtkunst überhaupt, die in fast allen Werken Tenderbilts zu erkennen ist, auf. V.A."

      Nicht selten in ihrem gemeinsamen ersten Buch weichen die Meinungen der beiden Autoren in Einzelheiten voneinander ab, die Frage, weshalb dennoch eine Heirat nicht nur in Betracht, sondern auch durchgezogen wurde, bleibt offen: möglicherweise wird sie in 'Vom Leben zu zweit und darüber hinaus' beantwortet, Bestellnummer: INPN 28-38567-AGVA. Von der Bewertung der Literatur losgelöst, erscheint es interessant, wie sich die Autoren in ihrem Vorwort zur Familie Tenderbilt äußern:

      "Wir sind übereingekommen, dieses Buch über einen bedeutenden Autoren unserer Zeit, Frederico Tenderbilt, zu schreiben, da sein Werk, gerade weil seine Familie in dem Verdacht steht, seit Generationen Schwachsinn in jede neue Generation einfließen zu lassen, besonders interessant erscheint. In den letzten Jahren rückten die Tenderbilts zunehmend in den Mittelpunkt und das Interesse der Gesellschaft, so ist es uns eine Pflicht, eine Studie der literarischen Fähigkeiten dieser Familie anzufertigen.A.G."

      "Über dieses Buch: Der Name Tenderbilt sollte inzwischen jedem ein Begriff sein, nicht unbedingt der des Autors, aber immerhin der Name. Tenderbilt stand einmal nur für Verrücktheit, Schwachsinn, bestenfalls ausgefallenen Humor. Heute ist das anders. Die Tenderbilts haben einen Autoren, wahrscheinlich nicht den letzten, hervorgebracht und wir wollen sehen, was es mit ihm auf sich hat.V.A."

      Eigentlich hätte man sich von diesem Werk mehr erwarten können, da es immerhin von zwei namhaften Kapazitäten geschrieben wurde, doch offensichtlich stand der private Kleinkrieg der Erarbeitung einer vernünftigen, analytischen Beurteilung der Arbeit Fredericos im Weg. Er wurde jahrelang als Schriftsteller ignoriert, niemand nahm ihn ernst. Später dann schien es unmöglich, ihn zu ignorieren, da sein Gesamtwerk inzwischen stark angewachsen war. Über seine Gedichte schrieb man: "Nett, aber wenig aussagekräftig."/"Hübsch, aber wenig aussagekräftig."/"Witzig, aber wenig aussagekräftig." Je nach Art des Gedichts wurden die Adjektive verändert. In der Jubiläumsausgabe des Bandes 'Duelle mit schlechtem Ausgang' findet sich jedoch folgendes Gedicht, das in der Welt der Literatur und Poesie Aufsehen erregte und Frederico endlich in den Olymp der geheiligten Dichter des Landes erhob, wo er zusammen mit Shakespeare Tee trinken konnte:

      "Ich