Renate Amelung

Falsche Annahme


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Stromabschalter, aber unsereiner der hat Till.”

      Das lässt sich Elisa nicht nehmen. “Jedoch, ... jeder Psycho-Thriller hat ‘nen Schraubendriller und ‘nen Plan vom Keller, wenn er will.

      “Elisa“, warnt Mona, “da muss jemand von der Stadt ran!”

      “Bin ich nicht von der Stadt, Mona?”

      “Stadtwerke”, berichtigt Mona.

      “Klar, Taten! Statt Werke - auf sich warten lassen!”, sagt Elisa. “Benjamin, Besteck!”

      “Eh - Taten - Sie, Sie haben, haben nicht zufällig an mich, an mich gedacht?”, fragt ein blasser Flachskopf. “Mein Vater, der, wenn der...”

      “Sicher Manuel”, antwortet Elisa, fingert sein Portemonnaie aus der Gesäßtasche und entnimmt eine Streifenkarte der Rheinbahn, steckt sie ostentativ in die Brusttasche des Jünglings.

      Rebecca hat sich etwas umgesehen, sie ist jetzt sicher, dass diese Agitation seinem neuen Streetworker-Café gewidmet ist. Außerdem erfreut sie sich ihrer wohlgeratenen Tochter mit der sie zwar heftige Dispute über die Kleiderordnung pflegt und dabei doch stets nachgiebig reagiert. Elisa Emilian entfernt sich. Im hintern Trakt brodelt das Leben, quirlige Stimmen und Lachen. Da zwischen ganz dünn hört sie diese Mona, “hat sich das mit Christine eingerenkt?”

      “Wir streiten nicht mehr, die Fronten sind definitiv abgegrenzt”, sagt Elisa.

      “Dann war der Aufwand umsonst? Das tut mir leid, Elisa. Und was willst du jetzt machen?”

      Der Mob stürmt in wilder Hatz in die ehemalige Ladenzone, Geschosse aus Papierkugeln wechseln die Seiten. “Halt, zu mir!” “Hilfe!” “Voll peinlich!” “Ins Klo gegriffen!” “Salve Cheffe!” “Wer ist die Maus?” “Kein Plan!” “High Cheffe!” “Werf’!” “Ich krieg ‘ne Krise!” “Wie sieht Cheffe denn aus!” “Weißt du was ‘Gute Zeiten Schlechte Zeiten’ auf Türkisch heißt? Aldi auf Aldi zu...”

      Die Quaste wird von der zwei-Meterlatte gegriffen und in den Putzeimer getaucht, dann schlägt er die Wasser triefenden Borsten in die Gruppe der Mädchen. Plötzlich ein nasser Putzlappen auf Havarie mit Rebecca, sie duckt sich, prompt klatscht der Lappen über ihr an die Wand und zu Boden. Ein trauriger Fleck ziert die frisch gestrichene Wand. Rebecca hebt den Feudel auf wirft ihn in die Mischpoke zurück. Splotsch! Die weiße Farbe spritzt aus dem Tiegel.

      “Merde!”, ruft Elisa. “Giga Merde”, flüstert er. Und ob Rebecca das unangenehm ist, seine Jeans zieren weiße Kuh-Flecken und das Volk schüttelt sich vor Amüsement. Erstaunt registriert Rebecca, dass er keine Standpauke hält, da er nicht sehen konnte wer der Übeltäter seiner Designer-Jeans war wäre das normal. Elisa schnipst mit dem Finger. Grabesstille! Unterbrochen von einem vorbeifahrenden Rettungswagen mit Martinshorn.

      Elisa ist auf dem Weg in den Keller. Bald landet der erste Tropfen im Kaffeepulver und entwickelt ein herrliches Aroma welches sich zwischen Farbgerüche, Salmiak und Moder mischt, sogar für einen Moment unterdrückt, als Elisa mit einem Becher ohne Henkel vor ihr steht.

      “Elisa, wirfst du Mal rasch dein geschätztes Auge auf die Wunsch-Liste damit ich sie weiterleiten kann. Es ist wirklich das Nötigste was wir brauchen”, sagt Mona.

      “Oh Mona, bewahre mich davor. Setze das was du noch möchtest dazu. Ich habe ein untrügliches Gefühl die Stadt reagiert großzügig. Übrigens weiß ich jetzt wo wir die Schießbude herbekommen.”

      “Schießbude!”, huscht es über Rebeccas Lippen, was bei Elisa unweigerlich sein smartes Lächeln anknipst. “Schlagzeug!”

      Der elektronische Ding-Dong scheppert. Durch die Tür quetscht sich 100 Kilo Lebendgewicht verteilt auf 1-Meter-70, vor dem Bauch ein Wäschekorb. Vermutlich wegen der zu kurz gewordenen Arme kracht die Ladung unsanft auf den Terrazzoboden. Elisa zieht die Augenbrauen hoch und fragt, “was ist das, Leo?”

      “Eine freundliche Spende des Gardinen-Hauses Schieper was ehemals auf der Friedrichstraße war. Mein Schwager arbeitet mit einem zusammen, der ist mit der Cousine von der Schwester des Bruders und der wiederum kennt...”

      “Ist okay, ich weiß dein Organisationstalent zu schätzen”, unterbricht Elisa.

      “Sag, in welchen Fettnapf bist du wieder getrampelt?”, fragt Leo.

      “Wie schaut es denn mit der dazugehörigen Gardinenstange aus?”, fragt Elisa ungeachtet der Anspielung.

      “Im Anmarsch, mein Bruder kennt den Dekorateur vom Kaufhof und der steht sich fabelhaft mit...”

      “Verschon mich mit der Fabel!”, sagt Elisa.

      “Übrigens Fabel, ich habe schon gehört. Du hast dir die halbe Nacht um die Ohren geschlagen und die kleine Jessica in eine Bereitschaftsfamilie gebracht hast.”

      “Ja, der Nachbar hat mich alarmiert. Und somit sind wir voll belegt und ich weiß nicht wo ich einen weiteren Notfall unterbringe.”

      “Scheiße!”, brüllt Leo.

      “Herr Emilian, ich muss mich auf den Weg machen. Danke noch für den Kaffee. So habe ich mir Ihre Arbeit nicht vorgestellt”, sagt Rebecca.

      “Haben Sie geglaubt ich renn hier rum mit der alles-wird-gut-Mentalität? Ich bin einfach nur da und es ist gut zu wissen, dass ich da bin und riesen Arme habe in die man flüchten kann. Punktum!”

      Rebecca verabschiedet sich mit einer Verabredung für den nächsten Tag, oder dass man sich vielleicht sieht, wenn er seinen Wagen holt.

      8

      Rebecca fährt zur Schule zurück. Warum sprach Emilian nicht mit den anderen Kindern? Er muss doch etwas im Hinterkopf haben. Sie parkt direkt auf dem Schulhof und sieht zum Tor zurück. Da steht ein BMW der ‘7ner’ Reihe mit Lederausstattung und allem Pi Pa Po der nicht in diese ländliche Idylle passt und das typische Nummernschild D-EG darf auch nicht fehlen, denn DEG fährt BMW. Die Burschen sollten lieber wieder lernen wie man Eishockey spielt und Siege einheimst. Sie verschwendet aber keine weiteren Gedanken an die Charakter-Karre, schließlich sind die Väter der Mädchen nicht gerade das was man Sozialhilfeempfänger nennt.

      Hinter der Gardine im Direktorenzimmer erkennt sie Brunner, der erregt mit einer anderen Person gestikuliert. Rasch nimmt sie die Stufen und betritt die große Halle von der nur 2 Türen abgehen. Die erste Tür bekommt ihren Mittelknöchel zu spüren bevor sie unaufgefordert eintritt. Herr Lehmann der gerade eine Gleichung an die Tafel schreiben will unterbricht sein Vorhaben mit gerunzelter Stirn.

      “Pardon, nur ganz kurz”, sagt Rebecca.

      Lehmann brummt etwas in seinen Vollbart.

      “Ich habe noch ein paar Fragen. Hat denn niemand bemerkt, dass Leonie nicht mehr in der Gruppe war?”

      Sie erntet leere betretene Gesichter. “Charleen.” Rebecca geht auf das Mädchen zu. “Auf dem Video haben wir dich oft neben Leonie gesehen. Seid ihr befreundet gewesen? Warum ist dir Leonie’s Verschwinden nicht aufgefallen.”

      Charleen steht ungewöhnlich wohl erzogen auf und senkt den Blick. “Wir haben gestritten.”

      “Worüber?”

      “Sie wollte mir ihr neues Kleid leihen für die Geburtstagsparty und dann wollte sie plötzlich nicht mehr. Da habe ich sie eine blöde Kuh genannt. Darauf hat sie mir eine geklebt und mich eine hässliche dicke Ziege genannt dann hat sie einen Riss in das Kleid gemacht und gesagt ich wäre das gewesen und sie würde es petzen.”

      “Und dann?”

      “Ist sie immer einige Meter hinter uns gegangen. Ich wollte sie nicht sehen und bin vorgerannt.”

      “Dann war sie weg und niemand hat gesucht?”, fragt Rebecca nicht zum ersten Mal.

      “Es war Wochenende. Sie ist oft so spontan