positiv entsetzt hinterher.
Hast du auch noch andere Hobbys?
»Mein Name ist Doktor Nora Jercy, aber das wissen Sie ja sicherlich. Ich dulde allerdings nur die Anrede Miss Jercy und verbiete Ihnen mich zu duzen«, stellt die Doktorin eiskalt klar und zieht eine imaginäre Grenze, die auch nur im Ansatz etwas mit Menschlichkeit zu tun haben könnte.
Du verbietest es mir? Huch, habe ich dich eben etwa geduzt? Hach, das tut mir aber leid.
Bissig schaut Ava der Psychiaterin hinterher.
Kann mir jemand verraten, wie ich das mit dieser Schreckschraube aushalten soll?
Nora zeigt auf eine Zimmertür zu ihrer rechten Seite.
»Nein!« Die Hand wandert zur linken Seite und gleich darauf wieder zur rechten.
»Nein! Nein!«
Ok ok, ich habe es verstanden. Alles deins, super.
Die Doktorin öffnet eine Tür auf der linken Seite und zeigt auffordernd hinein.
»Ihr Zimmer. Sie werden an der Ausstattung absolut nichts verändern, alles bleibt so wie es ist. Sehe ich auch nur die minimalste Veränderung, misten Sie den Pferdestall mit einer Kuchengabel aus. Haben Sie mich verstanden?«
Jetzt wird es ja richtig gut.
»Aber bewegen darf ich mich noch, oder?« Bevor die Doktorin wegen dieser nuschelnden Aussage nachfragen kann, betritt Ava das Zimmer und möchte am liebsten auf der Stelle wieder kehrtmachen.
Meine Güte, in welcher Zeit ist diese Frau stehengeblieben? 1789?
Schon fast entsetzt, starrt die Journalistin um sich. Ein Metallbett aus dem ersten Weltkrieg, ein Kleiderschrank der bedrohlich erdrückend in dem eigentlich großzügigen Zimmer wirkt, eine Kommode mit fünf Schubladen in denen man jemanden getrost drin verschwinden lassen könnte, ein runder Holztisch aus der Kreidezeit, ein Holzstuhl der seine beste Zeit auch schon hinter sich hat und ein alter Kamin.
»Versorgen müssen Sie sich selbst, schließlich ist das hier kein Hotel. Hier gibt es keinen Strom und kein fließendes Wasser. Ach und ich gebe Ihnen noch einen gut gemeinten Rat: Wenn Sie nachts pinkeln müssen, verkneifen Sie es sich. Noch ist es nachts relativ warm und die Mücken sind dementsprechend aggressiv.«
Mit einem Ruck wirbelt Ava herum. Als sie die Doktorin anstarrt, treten ihre Augen fast aus den Höhlen.
»Was? Wie jetzt? Mücken? Kein fließendes Wasser? Kein Strom?« Avas Stimme quietscht unkontrolliert.
»Wie soll ich ohne Strom das Buch schreiben, oder mir irgendwelche Notizen machen?«
Unbeeindruckt zeigt Nora an Ava vorbei. Diese folgt dem Finger der Doktorin und sieht auf dem Tisch eine mechanische Typenhebel-Schreibmaschine die vor fünfzig Jahren beliebt war. Daneben liegt ein Block mit einem Bleistift. Avas Kinn klappt herunter. Mit offenem Mund keucht sie atemlos.
Das ist ein schlechter Scherz. Das kann doch nicht ihr Ernst sein.
»Ich kann nicht mit Schreibmaschine schreiben.« Avas Gedanken spielen Ping Pong. Noch nie in ihrem Leben hat sie eine Schreibmaschine aus der Nähe gesehen. Und dann soll sie auch noch mit so einem Teufelswerk aus dem Mittelalter ein ganzes Buch schreiben? Das kann man nicht von ihr erwarten.
»Können Sie mit einem normalen PC arbeiten?«
Mechanisch nickt Ava und starrt die Schreibmaschine noch immer fassungslos an.
»Dann können Sie auch mit einer Schreibmaschine arbeiten.« Mit diesen kurzen Worten dreht sich die Doktorin um und lässt ihren ungebetenen Gast im Zimmer zurück.
»Äh«, mit einem Satz hechtet Ava aus dem Zimmer in den Flur hinaus.
»Wo kann ich mich denn frischmachen?«
Oder mir auf diesen Schock die Pulsadern aufschneiden.
Ava sieht wie die Doktorin stehenbleibt, den Kopf ein kleines Stück in den Nacken wirft, genervt schnauft und kehrtmacht. Sie betritt das Zimmer, geht an das Fenster und zeigt hinaus.
Das Bad ist draußen in einer anderen Hütte? Kann es eigentlich noch besser werden? Hat die schon mal etwas von Fortschrittlichkeit gehört?
Ava tritt an die Seite der Doktorin und blickt hinaus. Suchend schaut sie sich um. Nichts, sie sieht rein gar nichts. Keine Hütte, kein nichts. Noch nicht einmal einen kleinen Verschlag, der einer Telefonzelle ähnelt. Nur ein paar Büsche und Sträucher. Sonst herrscht dort draußen Ruhe.
»Ähm, … .« Ohne ein weiteres Wort ausgesprochen zu haben, scheint die Doktorin zu wissen was Ava gerne fragen würde. Sie schnauft und drückt ihren Zeigefinger deutlicher gegen das Fenster.
»Blind sind Sie aber nicht, oder?« Ava drückt ihre Nase an dem Fenster fast platt, kann aber noch immer nichts erkennen, was einer Zivilisation ähnelt.
»Sehen Sie denn nicht den Fluss dort hinten? Dort können Sie sich frischmachen. Einen schönen Abend noch.« Mit diesen Worten verlässt die Doktorin endgültig Avas Zimmer.
Ein weiteres Mal innerhalb weniger Minuten klappt Avas Kinnlade herunter. Starr blickt sie aus dem Fenster.
Natürlich hat sie den Fluss gesehen. Sie hätte nur nicht gedacht, dass dies der Ernst der Doktorin ist.
»Auf gar keinen Fall!«
Nach Luft schnappend schießt Ava herum, hechtet zu ihren Sachen und fischt hibbelig ihr Handy aus der Handtasche. Die Finger zittern als sie den Kontakt ihres Chefs auswählt und die Anruftaste drückt. Das blinkende Antennensymbol zeigt ihr allerdings, dass es mit dem Empfang in dieser Gegend tatsächlich nicht sehr gut bestellt ist.
»Komm schon. Lass mich nicht im Stich.« Fluchend stolpert Ava im Zimmer umher, findet aber keinen Fleck wo der Empfang besser wird. Im Gegenteil, jede Zimmerecke scheint sich gegen sie verschworen zu haben. In einer ist es schlechter, als in der anderen.
»Fuck!« Wütend rennt Ava aus dem Zimmer und hechtet zur Haustür. Sie muss raus, dort wird sie sicher besseren Empfang haben. Sie ignoriert die Doktorin, die mit einer dampfenden Tasse im Türrahmen zum Wohnzimmer steht und ihr offensichtlich amüsiert hinterherblickt.
»Im Umkreis von fünf Meilen werden Sie keinen Empfang kriegen«, ruft sie der Journalistin zu, die mit großen Schritten in Strumpfhose auf die Wiese läuft.
Schnauze!
Ava rennt im zick zack von einer Himmelsrichtung zur anderen. Immer wieder richtet sie das Handy nach oben, schiebt es soweit hoch wie es ihre Körperlänge zulässt und hüpft sogar hin und wieder auf und ab, nur um einen Fetzen Empfang zu erhaschen.
Erst nach fast einer halben Stunde und einer zerrissenen Strumpfhose, muss sie der Doktorin recht geben. Nichts, dieses Fleckchen Erde scheint tot zu sein. Ava kann nicht glauben, dass es in Amerika tatsächlich noch Regionen gibt, die vom technischen Standpunkt aus völlig von der Außenwelt abgeschnitten sind. Wie ist das nur möglich? Wie kann man bloß so verantwortungslos sein?
Erschöpft geht sie in die Hütte zurück. Die Füße sind von der Wiese völlig verdreckt. Ava wird heute also noch Bekanntschaft mit ihrem Badezimmer machen müssen.
»Wie können Sie bloß so leben? So abgeschnitten von der Außenwelt, ohne irgendwelche Kommunikationsmittel?«, stöhnt Ava als sie beim Wohnzimmer stehenbleibt und die Doktorin auf der Couch sitzen sieht. Diese dreht sich um und blickt über eine Lesebrille hinweg zu Ava.
»Ich verabscheue die Menschen. Weshalb sollte ich mir also irgendwelche Geräte anschaffen, mit denen ich Kontakt mit diesen widerwärtigen Wesen halten könnte? Wenn man mich erreichen will, kennt man den Weg zu meinem Haus.«
Wow.
Ava ist nicht mehr im Stande klar zu denken. Doktor Jercy verabscheut die Menschen? Sie will keinen