Valuta Tomas

Final Game


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haucht sie leise.

      »Warum Neve? Warum liegt sie schon wieder dort? Warum passiert das alles? Warum können wir nicht einfach in Ruhe leben?« Lauras Hand wandert beruhigend Sams Rücken rauf und runter. Erschöpft lehnt Sam die Stirn gegen die Scheibe. Ihre Augen liegen unermüdlich auf ihrer Frau.

      »Sie ist tot, Laura. Neve - meine Frau liegt dort im Bett und ist tot.«

      »Nein Sam, so darfst du das nicht sehen.«

      »Doch, so sehe ich es aber. Genau so sehe ich es.« Mit aller Kraft die Sam noch aufbringen kann, richtet sie sich wieder auf.

      »Ihr Herz hat in dem Moment aufgehört zu schlagen, als die Ärzte es aus ihrem Körper nahmen und hat danach nicht wieder angefangen. Das da …«, eine fast abwertende Kinnbewegung ins Zimmer folgt »ist nur die Arbeit von Maschinen. Nicht Neves Herz schlägt, sondern eine Maschine. Ich kann einfach nicht glauben, dass sie wirklich sterben wollte. Dass sie tatsächlich die lebenserhaltenden Maßnahmen verweigerte. Wie konnte sie das nur tun? Hat sie überhaupt nachgedacht? Hat sie auch nur eine Sekunde an die Kinder oder mich gedacht?«

      »Sam.« Laura greift nach dem Gesicht ihrer Freundin und dreht es zu sich. Noch nie hat sie solch eine Erschöpfung in Sams Augen gesehen. So vieles ist schon passiert, aber nichts davon hat Sam je so sehr mitgenommen, wie die Tatsache, dass Neve dort in diesem Zimmer liegt.

      »Sam, du kennst Neve. Du weißt ganz genau weshalb sie nach Hunters Point abgehauen ist. Und du weißt auch, weshalb sie sich gegen diese Maßnahmen entschied. Sie will einfach nicht, dass du leidest. Dass du … .«

      »Verdammt Laura.« Sams Stimme wird aufbrausend.

      »Neve und ich haben das schon tausend Mal durchgekaut. Ich habe ihr gesagt, dass … .«

      »Und dennoch war es ihr Wunsch«, bremst Laura ihre Freundin ab.

      »Wer von Ihnen ist Jessica Campbell?« Alle drei Frauen drehen sich um, als eine Krankenschwester auf sie zukommt. Jessica macht einen Schritt vor.

      »Ich. Wieso?« Die Krankenschwester tritt an ihre Seite und reicht ihr ein Klemmbrett auf dem sich unzählige Papiere befinden.

      »Misses Stewart-Sanchez hat Sie in ihrer Patientenverfügung als Vormund angegeben. Ich benötige bitte noch ein paar Unterschriften von Ihnen.« Entsetzt reißt Jessica den Kopf herum. Fassungslos starrt sie Sam an, deren Augen bis ins unermessliche wachsen. Auch wenn dafür eigentlich kein Grund besteht, steigt Angst in Jessica auf. Hektisch schüttelt sie den Kopf.

      »Das kann nicht sein. Da muss ein Fehler vorliegen.« Die Krankenschwester blättert einige der Papiere durch und schüttelt den Kopf.

      »Nein, wenn sie Jessica Campbell sind, dann stimmt alles.« Jessica ist nicht in der Lage ihre Augen von Sam zu lassen. Die Südländerin kann nicht glauben was hier gerade passiert.

      »Ich habe nichts damit zu tun, Sam. Ich wusste davon nichts. Wir haben nie darüber gesprochen.« Die Worte verlassen Jessicas Mund viel zu schnell und hektisch. Die ältere Frau beginnt sogar zu zittern.

      »Misses Campbell, wenn ich kurz Ihre Aufmerksamkeit haben könnte«, reißt die Krankenschwester Jessica an sich. Benommen nimmt Jessica den Blick von Sam. Schon fast entsetzt starrt sie die Krankenschwester an, die in diesem Moment einen scheinbar eingeübten Text monoton abspult und gleichzeitig wie eine Wahnsinnige in den Papieren wühlt.

      »Und hier bräuchte ich bitte noch eine Unterschrift für die Transplantation.« Jessica hat schon bei der ersten Unterschrift nicht mitbekommen, dass sie zugunsten von Neve Entscheidungen treffen muss, die sie wahrscheinlich gar nicht treffen will. Aber ihre Freundin hat sie nicht gefragt, sondern einfach als Vormund angegeben.

      »Und das hier«, die Schwester reicht ihr ein kleines Gerät »ist ein Pager. Sobald das Ding anfängt zu piepen, haben wir ein Spenderherz für Misses Stewart-Sanchez, welches wir dann umgehend einsetzen werden. Tragen Sie den Pager also bitte immer bei sich.« Wie vor eine Mauer gerannt nimmt Jessica fast nur noch in Trance auf, wie die Schwester nach dem Papierkrieg auf dem Absatz kehrtmacht und den Rückzug antritt.

      »Du!« Mit einem großen Schritt ist Sam sofort an Jessicas Seite. Eingeschüchtert weicht Jessica zurück. Ängstlich blickt sie Sam direkt in die Augen. Augen die brennend und funkelnd auf ihr liegen. Beunruhigt schluckt Jessica.

      »Sam, ich … ich … ich kann dir nicht erklären weshalb … .«

      »Sei still«, faucht Sam. Jessicas Kehlkopf rutscht langsam Richtung Erdkern. Sie kann kaum noch atmen.

      »Du. Warum du? Warum nicht ich? Warum nicht Laura? Warum du?« Jessica presst sich mit dem Rücken gegen die Wand. Sie wünscht sich Teil der Wand zu werden und sich mit ihr vereinen zu können, nur um Sam irgendwie ausweichen zu können.

      »Weil sie in Neves Sinne entscheiden würde«, mischt sich Laura in die brennende Stimmung. Sofort reißt sich Sam herum.

       »Ich etwa nicht, oder was?« zischt sie wütend. Laura schüttelt den Kopf.

      »Nein.« Schlagartig verengen sich Sams Augen. Rasend richtet sie ihren Blick auf ihre Freundin.

      »Ich könnte ebenso wenig in Neves Sinne handeln wie du, Sam. Aber Jessica kann es. Sie kann es, weil sie Neves Freundin ist. Sie hat im Gegensatz zu uns beiden noch einen klaren Kopf. Wir beide lieben Neve zu sehr, als dass wir noch klar denken können. Selbst Matt wäre dazu nicht in der Lage, aber Jess ist es. Die beiden kennen sich seit unzähligen Jahren. Sie vertrauen sich gegenseitig ihr Leben an, was auf einer völlig anderen Ebene basiert, als wie wir beide es mit Neve kennen. Es ist etwas ganz anderes zwischen ihnen und deshalb ist Jess die Einzige die die richtigen Entscheidungen treffen kann. Wir beide würden mit dem Herzen entscheiden, während Jessica mit dem Kopf urteilt. Für Neve ist sie die einzig fähige Person für diese Verantwortung.« Sams Kiefer beginnt zu malen. Trotz dessen, dass nur einige Schritte von ihr entfernt ihre Frau von Maschinen am Leben erhalten wird, schafft sie es dennoch ihre Wut zu nähren. Wut und Enttäuschung. Wut die eigentlich unbegründet ist.

      Langsam dreht Sam den Kopf zu Jessica zurück. Die presst sich noch immer wie eine Flunder gegen die Wand.

      »Ich vertraue dir, Jessica. Ich vertraue dir wirklich. Seit ich mich für dich entschieden habe, gab es nie auch nur eine Sekunde die ich an dir gezweifelt habe.« Sams Worte erreichen Jessica zwar, beruhigen sie aber nicht wirklich, weil sie weiß, dass Sam noch nicht fertig ist.

      »Aber wenn ich dir schon das Leben meiner Frau überlasse, dann … .« Wortlos streckt Sam eine Hand aus. Jessica braucht nicht eine Sekunde zu überlegen. Ohne zu zögern reicht sie Sam den Pager.

      Kommentarlos und ohne Dank dreht sich Sam um und tritt wieder an das Fenster. Sie weiß, dass sie das Zimmer betreten könnte - dass sie neben ihrer Frau stehen könnte. Aber im Augenblick fühlt sie sich nicht stark genug, um sich dieser Aufgabe zu stellen. Von daher stützt sie sich an dem kleinen Fensterbrettchen ab und legt die Stirn wieder gegen die Scheibe.

      »Was soll ich den Kindern erzählen, weshalb ihre Mutter nicht da ist? Wie kann ich ihnen erklären, dass ihre Mutter vielleicht für Monate nicht nach Hause kommen wird? Dass ihre Mutter für Monate schläft?« Verzweifelt schüttelt sie den Kopf.

      »Das ist Wahnsinn. Das ist absoluter Wahnsinn. Wie kann man einem Menschen so etwas nur antun?«

      »Und genau aus diesem Grund hat Neve angegeben, dass sie das nicht will. Sie wollte einen Abschluss.« Am liebsten würde Sam Laura die Zähne ausschlagen. Sie soll still sein. Sie soll einfach still sein. Allerdings weiß sie auch, dass ihre Freundin Recht hat.

      »Verdammt.« In einem gleichmäßigen Rhythmus beginnt Sam ihre Stirn gegen die Scheibe zu schlagen.

      »Ich habe einen Fehler gemacht, richtig?« Ihre Augen liegen auf Neve, die die egoistische Entscheidung ihrer Frau nun ausbaden darf.

      »So leid es mir tut, Sam, aber ja.« Muss Laura so schonungslos ehrlich sein? Kann sie nicht einfach mal die Schnauze halten?

      Sam schnauft laut aus, nimmt die Stirn von