Catherine St.John

Eine wählerische junge Lady


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Sasson seufzte weithin hörbar, ließ das Lorgnon an Cecilias Gruppe entlang wandern und schnaubte schließlich naserümpfend. Was hatte diese dahergelaufene Person denn bitte? Cecilia spürte, wie die Wut in ihr hochstieg. Die Frau eines gerade erst geadelten Wollhändlers – eines Wollhändlers! – schwang sich zur Richterin über Gemahlin und Schwester des elften Barons Hertwood auf? Wobei obendrein die Damen sehr viel dezenter und geschmackvoller gekleidet waren als diese dubiose Lady Sasson: War diese düstere Kleidung etwa noch mit Jettperlen bestickt? Nun, vielleicht war sie in Trauer? Aber dann so viel Schmuck? Und bei der Pelzauswahl im Pantheon Bazaar anzutreffen statt in der Abgeschiedenheit ihres eigenen Heims?

      Sehr, sehr seltsam… Sie gönnte der Dame ein kühles Nicken und drehte sich dann wieder zu Melinda und ihrer Zofe, die über einen zartgelben Schal mit langen Fransen diskutierten und schließlich davon abkamen. „Recht hast du: Gelb passt nicht zu blonden Haaren – aber mir könnte er gut stehen!“

      Hazel drapierte ihn ihr eilfertig, der Verkäufer brach in Begeisterungsrufe aus, wie nicht anders zu erwarten, und Melinda nickte nach kurzer Musterung. „Ja, für dich ist er das Richtige. Wen hast du vorhin so lange beobachtet?“

      „Später.“ Cecilia nickte dem Verkäufer zu, der sofort auch diesen Schal hübsch verpacken ließ.

      Auf dem Weg zu weiteren Verkaufstischen teilte Cecilia Melinda kurz mit, wie sich Lady Sasson benommen hatte – und prompt ließ Melinda wieder einmal den Kopf hängen: „Wahrscheinlich ist es wegen des Skandals um Lynet.“

      „Ja, mag sein. Aber der ist nicht deine Schuld – und was die Frau eines erst kürzlich geadelten Wollhändlers von uns hält, kann uns wirklich egal sein. Krittelsüchtige alte Weiber gibt es in London reichlich und wenn es nichts zu klatschen gibt, erfinden sie eben etwas. Du machst alles richtig – und ich habe die alte Fregatte nur sehr kühl gegrüßt.“

      „Und wenn wir auf einen Ball gehen und man schneidet uns?“

      „Großer Gott, keinesfalls! Ich bitte dich, Lady Hertwood und Miss Herrion? Vornehm, wohlhabend und gut aussehend – auch wenn ich das von mir selbst wohl nicht sagen sollte? Die alte Sasson hat zu solchen Bällen auch bestimmt keinen Zutritt.“

      „Ein schwacher Trost… oh, sieh nur: Schmucknadeln!“

      Die nächste Viertelstunde verging wie im Fluge, denn die Nadeln – teils für die Frisur, teils, um sie ans Kleid zu stecken – waren ausgesprochen reizend, mit Steinen oder mit kleinen Seidenblumen besetzt, zum Teil auch mit einem Stoff bezogen, der wiederum mit funkelnden Perlchen bestickt war. Und es gab sie in allen nur erdenklichen Farben!

      Von Hazel kundig beraten, erwarben beide Damen eine beträchtliche Anzahl dieser Nadeln und schenkten auch Hazel einige als Honorar für ihre Beratung.

      Als sie weitergehen wollten, schwankte Melinda und musste sich auf einer der Sitzgelegenheiten niederlassen. „Was ist dir?“ Cecilia setzte sich sofort neben sie.

      „Ich weiß es nicht, plötzlich wurde mir schwindelig. Wärst du sehr böse, wenn ich für heute genug hätte?“

      „Nicht doch, wir können doch jederzeit wieder hierher kommen – und wir haben doch schon recht hübsche Beute gemacht, nicht wahr? Aber wir könnten auf dem Rückweg noch bei Gunter´s vorbeifahren…“

      „Noch mehr Putz?“, fragte Melinda schwächlich.

      „Nein, ich hätte eher an etwas Eis gedacht“, war Cecilias heitere Antwort. „Das könnte dich wieder munter machen, meinst du nicht?“

      „Ja, das gefällt mir.“

      „Und heute Nachmittag wird Seb mit uns in den Park fahren, damit alle wissen, dass wir wieder da sind.“

      „Ach ja!“, machte Melinda beklommen, ließ sich von Hazel aufhelfen und zum Ausgang führen.

      Bei Gunter´s gefiel es ihr sichtlich gut, und das Eis mit dem Geschmack nach italienischen Zitronen mundete ihr so gut, dass sie schon mit dem Gedanken an eine zweite Portion spielte. Cecilia lobte diesen Plan, aber dann wollte Melinda doch lieber nach Hause und ein wenig ruhen.

      Sobald Melinda in ihrem Schlafzimmer untergebracht war, zog sich Cecilia, die ihre Einkäufe ihrer eigenen Zofe Florette übergeben hatte, in den Salon zurück und sah noch einmal die Einladungen durch, die sie bereits erhalten hatten. Da Melinda in London ohnehin niemanden kannte und Sebastian keine Vorlieben geäußert hatte, konnte sie wohl selbst entscheiden, wohin sie gehen sollten.

      Zuerst tatsächlich zu Mrs. Ramsworth, die einfach eine reizende Person war. Ein kleiner Ball, nur sehr ausgewählte Gäste, das wäre auch genau das Richtige für Melinda, die doch wohl noch nie einen echten Ball mitgemacht hatte.

      Und als nächstes… die Prestons? Sir Michael und Lady Preston, die immer vergnügte Laura, waren entzückende Gastgeber, daran erinnerte sie sich noch von ihrer Saison her. Und ihr Bekanntenkreis war erstklassig, man konnte alles bei ihnen antreffen, was Rang und Namen hatte.

      Oder sollten sie den Ball in Pole House besuchen? Beim Earl und der Countess of Pole? Nein, dort waren bekanntermaßen die Musik und der Champagner schlecht – Pole war vornehm und reich, aber geizig, sagte man. Dazu wusste Sebastian bestimmt Genaueres! Nein, lieber zu den Prestons.

      Sie sortierte weitere goldgeränderte Karten durch. Die verwitwete Countess of Milton… sehr vornehm, sehr angesehene Bekannte, aber auch viele krittelsüchtige alte Damen… aber bei der dritten derartigen Veranstaltung sollte Melinda damit schon zurechtkommen können.

      Vielleicht veranstalteten die jungen Claremonts auch einen Ball? Rupert Claremont war mit Ben de Lys befreundet, soweit sie wusste. Eine Einladung gab es noch nicht… andererseits kannten die Claremonts die Herrions kaum, warum sollten sie sie also einladen?

      Oh, hier, die Harringtons am Grosvenor Square! Damals hatten sie zwei wundervolle Bälle veranstaltet, um ihre Tochter Maria zu präsentieren, die sich auch prompt Lord Kilburn geangelt hatte und nun eine angesehene Viscountess war. Sie könnte sie besuchen, wenigstens Karten hinterlassen…

      Andererseits hatten sie sich damals nicht ausstehen können, wenn auch der Austausch von persönlichen Spitzen und kleinen Gemeinheiten durchaus amüsant gewesen war. Nein, keine Karten… sie wollte lieber abwarten, ob sich im Park etwas ergab.

      Das genügte erst einmal, fand sie: Ramsworth und Prestons … diese Manie, an einem Abend drei bis vier Bälle zu besuchen und überall gerade einmal einen Ländler, einen Walzer und einen Kotillon zu tanzen, bevor man sich zum nächsten Stadtpalais aufmachte, fand sie albern. Und Melinda wäre damit bestimmt auch überfordert; sie war ja schon nach einem kurzen Besuch im Pantheon Bazaar erschöpft!

      Vielleicht kein Wunder, wenn sie noch nie in London gewesen war – der Lärm, die vielen Menschen, die vielen Gerüche (um nicht zu sagen: der Gestank in manchen Gegenden und am Fluss), der Verkehr auf den Straßen - all dies konnte sie schon überfordern. Deshalb würden sie es langsam angehen, die Saison dauerte schließlich viele Wochen!

      Sie selbst wollte zwar gerne einen Ehemann finden, aber sie war ja ausgesprochen wählerisch, also würde sie wahrscheinlich ohnehin keinen Erfolg haben….

      Nach dem Lunch, zu dem Melinda einigermaßen erholt erschien und bei dem sie mit recht gutem Appetit aß, präsentierte Cecilia Bruder und Schwägerin ihre kleine Auswahl an Balleinladungen und traf auf Billigung.

      Sebastian verkündete, er werde seinen Freund Ben aufsuchen und sich nach weiteren netten und angesehenen Familien erkundigen. Dies hielt Cecilia, die sich freute, dass Ben doch nicht auf Lynet weilte, für eine ausgezeichnete Idee und wies gleich auf die Claremonts hin.

      Sebastian nickte. „Rupert ist ein guter Kerl und seine Frau eine sehr lustige Person. Sollten die beiden wirklich einen Ball veranstalten, könnte es sehr amüsant werden. Übrigens könnten wir ja auch einmal Vauxhall Gardens besuchen… etwas halbseiden in manchen Winkeln, aber wenn ich bei euch bin, kann ich schließlich auf euch aufpassen. Und sollten wir dort einen Gentleman sehen, der sich unangemessen verhält, bist du wenigstens gleich gewarnt, Cec.“

      „Herzlichen