Catherine St.John

Eine wählerische junge Lady


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Pferde nicht so lange stehen lassen dürfe, schließlich gebe es den Park schon seit dem Mittelalter.

      „Vielleicht besuchen Sie uns einmal und berichten uns dann die Einzelheiten“, schlug Melinda schließlich freundlich vor. Diese Einladung wurde sehr enthusiastisch aufgenommen.

      „Puh, ich glaube, dieser Sir Archibald ist ein ziemlicher Langweiler“, vermutete Cecilia einige Minuten später, sich den Nacken reibend.

      „Ein wahres Ungeheuer von einem Gaul“, bestätigte Sebastian. „Und er ist kein Langweiler, er belehrt nur gerne andere Leute. Ihr werdet euch sehr jung fühlen, wenn er seinen Besuch macht, so, als wärt ihr noch im Schulzimmer.“

      „Schrecklich“, fand Cecilia.

      „Ich kann mir das recht nett vorstellen“, wandte Melinda ein, „ich habe doch im Schulzimmer auf Lynet so wenig gelernt.“

      Cecilia staunte: „Du willst wirklich etwas über die Geschichte des Hyde Parks wissen? Wozu?“

      „Vielleicht erfahre ich dann etwas Interessantes über die Geschichte Londons – oder gleich Englands?“

      Cecilia schnaufte abfällig.

      „Ich glaube, die ersten Wagen verlassen den Park“, lenkte Sebastian ab, „wir sollten auch nach Hause fahren, damit es nicht aussieht, als könnten wir uns gar nicht losreißen. Immerhin, einige Kontakte haben wir wieder geknüpft – und viele andere haben zur Kenntnis genommen, dass die Herrions in der Stadt sind.“

      „Wir haben also unser Ziel erreicht?“, antwortete seine Frau.

      „So könnte man es nennen. Übermorgen ist der Empfang bei Mrs. Ramsworth, nicht wahr, Cecilia?“

      „Oh ja. Darauf freue ich mich schon. Mrs. Ramsworth ist eine so nette und zugleich so einflussreiche Frau. Sie wird dir gefallen, Melinda!“

      Kapitel 3

      Der Mittwoch brachte als ersten Höhepunkt Sebastians Eröffnung, er habe eine Loge im Covent-Garden-Theater gemietet, und zwar für die ganze Saison. Gleich an einem der nächsten Abende gebe es eine amüsante Komödie.

      Melinda, die noch nie im Theater gewesen war, war sprachlos vor Entzücken; Cecilia kommentierte die Nachricht nur mit „Oh, sehr gut!“ und überlegte weiter, was sie am heutigen Abend tragen wollte.

      Sebastian schlug weiterhin vor, eine kleine Ausfahrt zum St. James Palace und nach Whitehall zu unternehmen und anschließend ein wenig im St. James Park zu promenieren.

      Dies wurde dann auch nach dem Lunch in die Tat umgesetzt, wobei Cecilia allerdings bemängelte, dass sich kaum Spaziergänger in dem Park befanden, der von einem Kanal durchquert wurde und in der einen Richtung auf den recht renovierungsbedürftigen Buckingham Palace, in der anderen auf die Kaserne der berittenen Wachregimenter zeigte.

      Melinda dagegen gefielen besonders die Kühe, die im Park gemolken wurden, so dass die Passanten ein Glas kuhwarmer Milch trinken konnten.

      „Es gibt, so habe ich gehört, Überlegungen, den Park etwas gefälliger zu gestalten. Nun, vielleicht wird sich Nash dieser Sache eines Tages annehmen, er ist ja sehr darum bemüht, die Stadt etwas zeitgemäßer umzugestalten und auch neue Häuser und neue Wohnungen zu schaffen. Schließlich wächst London unaufhaltsam!“

      „Aber Nash interessiert sich wohl kaum für Wohnungen für die Armen, oder?“, kritisierte Cecilia, die immer noch etwas gereizt wirkte.

      „Das wohl weniger“, gab Sebastian zu, „ich denke, es geht ihm um repräsentative Straßen und Gebäude, die unserem Zeitgeschmack entsprechen. Man muss ja leider sagen, dass manche Bezirke Londons ausgesprochen deprimierend wirken.“

      „Vor allem Whitechapel, nach dem, was man so hört“, ließ sich Cecilia vernehmen.

      „Ja, dort müsste tatsächlich etwas geschehen. Aber es gibt durchaus Privatinitiativen, die sich für eine Verbesserung der Verhältnisse einsetzen. Du solltest dich darüber einmal mit Ben unterhalten, er kennt einige dieser Wohltäter.“

      Das nahm Cecilia sich fest vor, denn dafür interessierte sie sich wirklich.

      „Schaut mal!“, mischte sich Melinda nun ein, „der Park scheint sich zu füllen! Vielleicht nehmen viele Menschen ihren Lunch etwas später als wir?“

      Cecilia hakte sich bei Melinda ein und sie bewunderten gemeinsam so unauffällig wie möglich die Roben der entgegen kommenden Damen.

      Eine zierliche Dunkelhaarige mit winzigem Strohhut, schokoladenbraunem Nachmittagskleid und darüber einem cremefarbenen Spenzer gefiel ihnen am besten.

      „Vielleicht promenieren die Ladies erst jetzt, weil das Umkleiden so lange gedauert hat?“, schlug Sebastian vor, was ihm spöttische Blicke aus zwei Augenpaaren eintrug.

      „Die meisten Gentlemen brauchen mindestens so viel Zeit wie ihre Damen“, behauptete Cecilia dann, von ihrer Schwägerin unterstützt: „Alleine das Binden der Krawatte kann sich ja in die Länge ziehen, nicht wahr?“

      Das konnte er nicht bestreiten, denn Melinda hatte heute Morgen persönlich verfolgen können, wie viele Leinentücher er verdorben hatte, bis er mit der Halsbinde endlich zufrieden gewesen war. Er zog seine Frau kurz an sich und hauchte einen Kuss auf ihre Wange.

      Cecilia unterdrückte einen gerührten Seufzer, als sie das beobachtete: Ob es ihr jemals gelingen würde, so glücklich zu sein? Nun, vielleicht traf sie heute Abend ja die Liebe wie ein Blitzschlag? So wie in diesem Roman, den sie kurz vor der Abreise noch auf Herrion verschlungen hatte…

      Danach sah es freilich nicht aus, als sie gegen neun Uhr das Haus von Mrs. Ramsworth erreichten, ein hübsches, freistehendes georgianisches Haus am Berkeley Square. Natürlich war der Weg von der Straße bis zum Portal mit Fackeln erleuchtet, wie es der gute Ton verlangte, Mrs. Ramsworth stand oben an der Treppe, ein älteres Ehepaar aus ihrer Verwandtschaft zur Seite, und die Gäste stammten aus der allerersten Gesellschaft.

      Alle waren erlesen gekleidet, aber Cecilia fand, ihre bronzefarbene Robe mit goldener Schärpe und kleinen künstlichen Topasen konnte sich ebenfalls sehen lassen. Und Melinda, in zartem Blaugrün und obendrein mit den Herrionschen Diamanten geschmückt, sah aus wie ein feenhafter Traum… kein Wunder, dass Sebastian neben ihr vor Stolz strahlte und immer wieder verliebt auf sie herabsah.

      Amelia Ramsworth umarmte Cecilia ganz unzeremoniell: „Wie schön, dass Sie London wieder einmal beehren! Und hier haben wir Ihre junge Schwägerin? Seien Sie mir herzlich willkommen, Lady Hertwood!“ Auch Melinda wurde umarmt, was von den anderen Gästen sorgfältig vermerkt wurde.

      Sebastian küsste der Gastgeberin ehrerbietig die Hand und dankte für die Einladung, was Mrs. Ramsworth zu leisem Gelächter anregte: „Ich möchte doch auch einige Gäste haben, die ich gut leiden kann!“

      Melinda, die dies gerade noch hören konnte, gluckste halblaut.

      Der Ballsaal, nicht allzu groß, aber wohlproportioniert, war bezaubernd geschmückt, mit grünen Topfpflanzen, weißen Rosensträußen – wohl den letzten des Jahres – und silbernen Schleifen an Stühlen und Portieren. Im Hintergrund befand sich, halb verdeckt, der Tisch mit den Erfrischungen – und dahinter ging es in den Speisesaal für das Mitternachtssouper, wie durch eine angelehnte Tür zu erkennen war.

      Auf der Empore war das Orchester gerade mit den Vorbereitungen beschäftigt – und im Saal promenierten schon einige Herrschaften auf und ab, die sich beim Eintritt der Herrions sofort neugierig umwandten.

      „Cecilia! Meine Liebe!“

      „Lady Eloise…“ Cecilia reagierte deutlich gedämpfter auf das Wiedersehen nach der Begegnung im Hyde Park. Der Bruder der Lady gesellte sich zu ihnen und bat sofort darum, sich in die Tanzkarten der Damen eintragen zu dürfen. Melinda gewährte ihm einen Ländler (den ersten Walzer hatte sie bereits Sebastian reserviert), Cecilia einen Kotillon. Sebastian revanchierte sich und bat Lady Eloise um einen Tanz, der freundlich gewährt wurde.

      Sir Archibald