Elisa Scheer

Feine Damen. Kriminalroman


Скачать книгу

angemessen.“

      Jack prustete los und Coco erkundigte sich: „Wie sieht so etwas aus? Du trägst ja selbst keins – wolltest du uns nicht ein Vorbild sein? Gibt es das überhaupt noch?“

      „Blödsinn“, meinte Jack, „nur noch in Claudias Buch über den vornehmen Lebensstil. Erschienen 1960 oder so. Claudia, das ist bald sechzig Jahre her, kauf dir halt mal ein neues Buch!“

      „Ach, Jack – schau doch hin – sie liest ja keine Bücher, nur Promiklatschzeitschriften. Aber vielleicht sind da ja Cocktailkleider drin…“

      Dr. Martens hüstelte kurz und sah seine Tochter dann streng an. „Coco, lass es jetzt.“

      „Sie hat aber doch gar nicht angefangen“, ereiferte sich Jack prompt.

      „Trotzdem. Man kann auch einmal über etwas anderes reden!“

      In diesem Moment schlenderte Leander herein, nickte seiner Mutter müde zu, warf sich auf ein freies Sofa und fuhr sich elegant durch die durchgestylte Frisur. „Ihr schaut aus wie heute in der Schule“, teilte er seinen Halbschwestern dann mit.

      „Ach ja?“

      „Bad Taste Day.“ Er grinste breit und schien leicht erstaunt, als Coco und Jack lachten. Claudia sah kopfschüttelnd von ihrer Klatschzeitschrift auf und zog dann ihre Uhr zu Rate. „Wo bleibt Helene, eure Schwester?“

      „Oh, danke“, antwortete Jack. „Wir wären sonst nie darauf gekommen, dass Hel unsere Schwester ist.“

      „Und wo ist sie?“

      „Keine Ahnung. Vielleicht macht sie sich noch hübsch?“

      „So wie ihr? Ihr wisst wirklich nicht, was ihr eurer Herkunft schuldig seid…“

      Dieses Mal gab Dr. Martens ein warnendes Grunzen von sich, das ganz offensichtlich seiner Frau galt, denn die murrte halblaut: „Ist doch wahr!“

      „Wie eine Zeitreise“, murmelte Jack.

      „Eigentlich ganz lustig“, gab Coco ebenso leise zurück.

      Schließlich tauchten gleichzeitig Pat und Hel auf und Claudia erhob sich. „Na endlich! Warum kommt ihr so spät? Euer Vater ist schon ganz ungeduldig.“

      Coco drehte sich zu Papa um, der gerade milde erstaunt aufsah, diese Behauptung aber nicht weiter kommentierte.

      „Es ist zwei Minuten vor sieben, was willst du denn?“, fragte Hel nicht ganz zu Unrecht.

      „Du kommst wohl auch nur, um dich hier gratis durchfüttern zu lassen? Möchtest du dann auch direkt nach dem Dessert wieder gehen?“

      Hel verdrehte ihre perfekt geschminkten Augen zur Decke. „Ich komme, um Papa zu sehen und weil du wieder mal einen Befehl herumgeschickt hast. Das Essen ist mir ziemlich egal.“

      „Und wo ist dein Mann?“

      „Hat was Besseres vor.“

      „Unerhört!“

      „Claudia, nun lass es doch“, mahnte ihr Mann. „Kein Wunder, dass die Kinder sich so benehmen, wenn du sie provozierst.“

      „Also, das ist doch… Pat, was hast du denn da Unmögliches an? Wenigstens meine Tochter sollte doch etwas mehr Stilgefühl haben!“

      „Woher das denn?“, murmelte Coco nicht gerade leise, was ihr einen sehr giftigen Blick eintrug.

      Pat, die mittlerweile pinkfarbene Jeans und ein grell oranges T-Shirt trug, zuckte die Achseln.

      „Ich finde, du passt super zu Coco, mit diesen Bollywood-Farben“, fand Jack. „Es wird schön bunt bei Tisch – und eigentlich habe ich direkt ein bisschen Hunger.“

      „Tatsächlich?“, fragte Pat und ließ sich zwischen Coco und Hel aufs Sofa fallen. „Ich habe hier eigentlich selten Hunger. Mamas neue Köchin ist grauenhaft. Wieso hast du die Frau Ungstetter eigentlich rausgeworfen?“

      „Sie wollte eine Gehaltserhöhung“, antwortete Claudia Martens ärgerlich. „Unverschämt, was Hauspersonal heutzutage verlangt!“

      „Personal ist bekanntlich der einzige echte Luxus heutzutage“, ließ sich Dr. Martens vernehmen, ohne den Blick vom Reader zu wenden.

      „Aber das ist doch eine Notwendigkeit!“, entrüstete sich Claudia. „Ein Grundbedürfnis!“

      „Vor hundert Jahren vielleicht“, spottete Coco. „Mir scheint, du bist tatsächlich eine Zeitreisende. Deine übrigen Ansichten würden recht gut dazu passen.“

      Jack und Pat kicherten beifällig, Hel seufzte. „Was ist denn jetzt?“

      „Pat, sieh mal nach, wie weit Frau Mohr ist.“

      „Wenn´s sein muss?“ Pat arbeitete sich theatralisch ächzend aus dem Sofa empor und schlenderte zur Tür.

      „Und bring mir ein Bier mit!“, befahl Leander.

      Sie drehte sich um. „Du kannst mich mal, hol´s dir doch selber!“

      „Pat!!“

      „Pat hat ganz recht“, fand Jack. „Der kleine Pascha kann ruhig selber gehen. Lässt deine Freundin dir so etwas durchgehen, Leander?“

      „Leander hat doch noch gar keine Freundin!“, empörte sich Claudia prompt. „Doch nicht mit sechzehn!“

      „Wann denn sonst?“, fragte Coco. „Aber Mütter wissen bekanntlich auch nicht alles, gell, Leander?“

      Der grinste zwar, hütete sich aber, etwas zu sagen.

      Pat kam zurück und vollführte vor ihrer Mutter einen Hofknicks. „Madame, il est servi…“

      Alle lachten – außer Dr. Martens, der noch damit beschäftigt war, seinen Reader herunterzufahren, und Claudia, die vor Ärger sprachlos war.

      Man begab sich zu Tisch; wie üblich rotteten sich die Stieftöchter auf einer Seite zusammen - so hatte es Claudia wenigstens einmal formuliert. Sie hatte festgelegt, dass die Dame des Hauses an der einen Stirnseite und der Hausherr auf der anderen zu sitzen hatte, so dass die andere Längsseite Claudias leiblichen Kindern blieb, die dort früher erbitterte Kämpfe unter dem Tisch ausgefochten hatten und auch heute manchmal noch nicht ganz darüber erhaben waren.

      Frau Mohr servierte die Suppe und stapfte grußlos wieder hinaus; Claudia schöpfte sich Blumenkohlcreme mit Kräutercroutons in ihren Teller und reichte die Terrine dann weiter – an ihre Kinder, ihren Mann und schließlich die Stieftöchter, die über diese unglaublich subtile Art der Geringschätzung grinsten.

      Hel sagte allerdings doch, als sie an der Reihe war, in die Terrine spähend: „Bisschen wenig, was? Dachtest du, wir kommen nicht? Oder sollen wir aschenputtelmäßig hungern?“

      Coco gluckste, Jack fügte hinzu: „Und pro Nase ein Crouton… nein, Claudia hat mindestens zehn…“

      Leander lenkte ab, indem er seiner Schwester zwei Croutons klaute. Die regte sich nicht auf, sondern sagte: „Du kannst sie alle haben, die schmecken ranzig. Wie lange war denn die Schachtel schon abgelaufen?“

      Claudia ließ ihren Löffel in den Teller fallen, so dass die Suppe spritzte und Flecken auf ihrer Seidenbluse hinterließ. „Da seht ihr, was ihr gemacht habt!“

      „Wieso wir?“, fragte Coco. „Du hast den Löffel in die Suppe geworfen, was hast du erwartet?“

      „Ich möchte von euch nichts mehr hören! Ihr seid so unhöflich, aber das ist vielleicht kein Wunder, nach dieser Erziehung! Euer Vater ist so enttäuscht von euch!“

      „Claudia, hör auf damit!“ Dr. Martens funkelte sie über den Tisch hinweg an, warf dann aber auch seinen Töchtern einen warnenden Blick zu. „Und ihr benehmt euch eurem Alter entsprechend. Ich weiß, dass ihr das könnt!“

      „Solange wir nicht provoziert werden“, murmelte Jack.

      „Jacoba,