„vier nette Frauen, alle nicht hässlich – und nur eine hat einen Freund?“
„Ich hab doch Ralf!“, protestierte Hel, was ihr einen dreifachen Mitleidsblick eintrug.
„Ja, schon klar. Ralf, der will, dass du den ganzen Tag auf ihn wartest. Du Haremsdame, du.“
„Besser Ralf als gar keinen“, schnappte Hel, errötete sofort und senkte den Kopf. „Was hast du denn jetzt wieder?“, wollte Pat in jugendlicher Taktlosigkeit wissen. „Hast du doch noch einen?“
„Das geht euch gar nichts an!“
„Sie hat es nicht geleugnet!“, teilte Pat Coco mit perfektem Theaterflüstern mit.
„Sehr vielsagend“, fand Coco auch prompt. „Führ uns den Knaben doch mal vor – oder ist er noch alberner als Ralf?“
„Ist er nicht!“
„Aha.“ Coco und Pat grinsten fröhlich, Hel knallte einen Zehner auf den Tisch und erhob sich. „Blöde Weiber! Tschüss!“
„Beleidigte Leberwurst!“, rief Pat ihr hinterher und kratzte sich dann den Kopf. „Warum geht sie in die Richtung? Sie hat doch da drüben geparkt?“
Die verbliebenen Schwestern reckten neugierig die Köpfe und verfolgten, wie Hel sich dem Café schräg gegenüber näherte und zwischen den Tischchen auf der Terrasse der Sala Candida etwas zu suchen schien – oder jemanden?
Besonders Jack beobachtete ihre Schwester aufmerksam. Coco drehte sich irgendwann wieder um und fragte dann nur noch etwas gelangweilt: „Hat sie jetzt etwas gefunden oder ist sie schon gar nicht mehr in der Sala Candida?“
„Hm?“ Jack kramte ihr Handy heraus und fotografierte in die Richtung der Sala Candida.
„Leicht übertrieben“, fand Pat.
Jack antwortete nicht, sondern beschäftigte sich damit, das Foto mit den Fingern zu vergrößern und es dann sorgfältig zu inspizieren. Coco zuckte die Achseln und wandte sich Pat zu. „Willst du jetzt wirklich Köchin werden oder war das bloß, um Claudia auf die Palme zu bringen?“
„Letzteres. Ich koche echt gerne und besser als die olle Mohr. Na, das wäre noch keine Kunst… Aber ein Leben lang in einer dumpfigen Restaurantküche… ich werde vielleicht Jura oder Tiermedizin machen, den Schnitt hab ich ja. Das ärgert Mama auch.“
„Versteh ich nicht. In diesen Kitschromanzen am Sonntagabend lernt die Tierärztin doch immer den Schlossherrn kennen, dessen verletztes Pferd sie behandelt hat? So stellt sie sich doch das Leben vor?“
Pat war begeistert. „Das erzähle ich ihr, sie wird platzen! Aber warum sie nichts über ihr früheres Leben erzählen will, weiß ich auch nicht.“
2
Andreas Reuchlin sah sich zufrieden in seinem Teamraum um: Maggie machte gerade die Berichte zum jüngst gelösten Fall fertig und Liz speicherte alles ab, was das Whiteboard enthalten hatte. Ben inspizierte den Materialschrank und machte sich murmelnd Notizen, was alles für den nächsten Fall, der garantiert noch in dieser Woche um die Ecke kam, nötig war – Mappen, USB-Sticks, Notizblöcke für die weniger Technikaffinen… Und das taten sie alles praktisch unaufgefordert! Okay, mehr oder weniger…
„Ein Dreck ist hier drin…“, murrte Ben und fegte den Staub mit der Handkante von den Regalbrettern auf den Boden.
„Putzt du zu Hause auch so?“, fragte Maggie, breit grinsend. Ben ignorierte das vornehm und verließ das Büro, um sich alles Notwendige zu holen.
Maggie erbarmte sich, feuchtete den Putzschwamm an, der das Waschbecken hinter der Tür schmückte, und wischte einmal über die Regalbretter, die Ben immerhin leergeräumt hatte.
„Ihr seid erfreulich häuslich“, ließ sich Andi vernehmen, der an der Statistik seines Teams arbeitete. Bis jetzt sieben Fälle in diesem Jahr – und alle gelöst! Durchschnittlich in jeweils einer Woche gelöst! Ob Joe, Anne, Thomas oder Felix wirklich besser waren?
Kriminalrat Spengler hatte ja in seiner väterlichen Art (lag das wohl an den mittlerweile drei Kindern, die er mit dieser Werbefrau produziert hatte?) gemahnt, sie möchten doch jetzt bitte nicht auf Teufel komm raus schnell ermitteln – gründlich und gerichtsfest, das sei immer noch die Devise. Zügiges Arbeiten sei aber freilich nicht zu verachten… und er wisse die Schwierigkeit eines Falles bei der Auswertung der Statistik durchaus einzuschätzen.
Eine solche Auswertung hatten sie bis jetzt noch nicht zu sehen bekommen – und würden sie wahrscheinlich auch nie. Es sei denn, um ihnen Beine zu machen, aber dazu waren sie zu gut, ganz bestimmt!
Sein Telefon klingelte und er nahm ab, voll böser Ahnungen.
Seine Ahnungen bestätigten sich – wie meistens. „Leute, los geht´s! Männliche Leiche.“
„Wo denn?“, fragte Ben, der mit Mappen und anderem Kram hereinkam.
„Leiching. Hinter dem Zollhausmuseum. Wir werden es schon finden.“
Das war auch tatsächlich nicht schwer, man musste nur parken, sobald man das Blaulicht der Streife und des Krankenwagens sah und die unvermeidliche Gruppe von Schaulustigen.
Sie bahnten sich den Weg durch die Leute und schnauzten dabei nach links und rechts: „Haben Sie nichts Sinnvolles zu tun?“
Ein Handy klickte und Andi nahm es dem Fotografen sofort aus der Hand. „Recht am Bild, schon vergessen? Sie können es in einigen Tagen wieder abholen, sobald wir Ihre Fotogalerie überprüft und gegebenenfalls gelöscht haben.“
„Was?“ Der Besitzer schien sich aufplustern zu wollen, aber Liz und Maggie zückten nur ihre Kripoausweise und meinten freundlich lächelnd: „Da kommt noch was auf Sie zu. - Datenschutz, Sie verstehen?“
Das verscheuchte ohnehin die meisten Schaulustigen – wenn man hinterher nichts posten konnte, machte das Gaffen offenbar nur den halben Spaß…
Das Opfer lag in der von Büschen getarnten Nische, in der das Museum seine Mülltonnen – blau, gelb, braun und grau – normalerweise versteckte. Hätte der Hausmeister die Tonnen nicht an die Straße gerollt, weil die Müllabfuhr (grau und gelb) fällig war, hätte man den Toten vielleicht tagelang nicht entdeckt.
Der tote Mann lag auf dem Rücken und hatte zwei Schusswunden in der Brust. Dr. Engelhorn drehte sich um. „Das hier scheint genau das Herz getroffen zu haben und war damit wohl todesursächlich. Kleines Kaliber, vielleicht 0.22. Genaueres -“
„- wenn du ihn auf dem Tisch hattest“, vollendete Andi routiniert.
„Sehr brav.“
„Weiß man, wer er ist?“
Einer von der Spurensicherung sah auf. „Ein Oliver Perfler, achtundvierzig. Wohnt aber nicht direkt hier. Mehr so am Kreuz West, dem Perso zufolge.“
„Harter Kontrast“, kommentierte Maggie.
Liz drehte sich einmal um die eigene Achse. „Einen direkten Blick auf diese Nische hat hier überhaupt niemand. Idealer Ort. Hat er einen Führerschein? Dann könnte ich mal nach dem Wagen schauen…“
Kopfschütteln der Spurensicherung. „Nur der Perso und gerade mal zwölf Euro siebenunddreißig. Und ein ziemlich altes Handy.“
„Hier fahren auch viele Busse her“, stellte Ben fest. „Da vorne… die Nummer 41 und die 27.“
„Haben die die schon wieder umbenannt… na, egal. Wo fahren die denn hin…“ Liz inspizierte die Aushangfahrpläne. „Na immerhin, der Siebenundzwanziger fährt direkt zum Kreuz West, erstaunlich eigentlich.“
„Wieso? Sowohl die Schickis als auch die Prekären müssen öfter mal in die Innenstadt“, erklärte Ben. „Schau, er fährt über den Bahnhof und über den Markt. Eigentlich eine gute Linie.“
„Zugegeben. Gut, er kann also mit dem Siebenundzwanziger hierhergekommen