Ekkehard Wolf

Oh wie Böse


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Pflichten zur Umkehr veranlassen zu können. Als auch diese Rechnung nicht aufgegangen war, hatte sie sich ernsthaft mit dem Gedanken an eine Scheidung beschäftigt, diese Möglichkeit aber bereits nach dem ersten Termin beim Anwalt wieder fallen gelassen. Zu ungünstig wäre die Aufteilung des mit den Jahren angesammelten Vermögens für sie ausgegangen. Also hatte sie damit begonnen nach Alternativen zu suchen. Selbstverständlich war sie fündig geworden. Schließlich waren die Internetforen ja gespickt voll mit gutgemeinten Ratschlägen. Vom klassischen Giftmord über den Sturz von der Klippe bis hin zur Auflösung der sterblichen Überreste in einem Salzsäurebad war so ziemlich alles dabei gewesen, was sich die gekränkte Seele so einfallen lassen konnte. Aber unter dem Strich hatte sich dann doch immer wieder nicht die passende Gelegenheit ergeben, und sie hatte angefangen, sich damit abzufinden, dass sie für ihn nicht mehr zu existieren schien. Jedenfalls nicht in der Weise, in der sie das früher getan hatte. Aber mit ihrer Geduld war es dann schlagartig vorbei gewesen, als ihr klar geworden war, dass es für ihren untreuen Gatten mit seiner neuesten Flamme anders ausgehen könnte, als mit seinen bisherigen Kurzzeitliebschaften. Ihr war klar geworden, dass sie jetzt handeln musste, wenn sie vermeiden wollte, am Ende mit leeren Händen da zu stehen. Sie hatte sich daher entschlossen zu handeln. Zugleich aber war sie fest entschlossen, es ihrem ehrenwerten Gatten auch so heim zu zahlen, dass sie für all die Kränkungen entschädigt sein würde, die er ihr im Laufe der Jahre zugefügt hatte. Folglich kamen all die typischen Tatwerkzeuge einer Frau für sie nicht in Frage. Nach reiflicher Überlegung entschloss sie sich dazu, zum Messer zu greifen. Derartige Verletzungen konnten extrem schmerzhaft ausfallen und bei richtiger Dosierung so langsam zum Tode führen, dass das Opfer lange Zeit leiden musste. Sie würde es aussehen lassen wie eine Tat, die von langer Hand geplant war. Eine Tat also, bei der Heimtücke im Spiel war und für die es eine lebenslange Strafe wegen Mordes geben würde. Dass ihr Mann das Opfer sein würde war also klar, ebenso dass als Täterin allein seine neue Flamme in Frage kam. Allein die Frage, wie sie es anstellen sollte, es so aussehen zu lassen, wie es aussehen sollte, bereitete ihr anfänglich erhebliches Kopfzerbrechen. Da sie sich aber nun einmal entschlossen hatte, die Sache zu Ende zu bringen, fand sie auch eine Lösung. Eine Lösung, die so verblüffend einfach war, dass sie selbst sich wunderte, warum sie nicht viel früher darauf gekommen war. Also wartete sie geduldig einen der Tage ab, an dem ihr werter Gatte seine Holde in deren Wohnung mit einem von ihm selber zubereiteten Menü zu erwarten pflegte. So, wie er das früher gern bei ihr gemacht hatte. Doch bevor die blöde Nutte eintraf, würde sie, sein angetrautes Eheweib vor der Tür stehen und ihn mit seinem eigenen Kochmesser in Stücke schneiden. Sobald dann das geile Miststück am Ort des Verbrechens auftauchte, würde sie die 110 anrufen und von den furchtbaren Schreien berichten, die aus der Wohnung drangen. Je klarer sie sich das Entsetzen ausmalte, das ihre Nebenbuhlerin in dem Moment erfassen würde, wenn sie das Opfer ihrer Verführungskünste wie ein wildes Tier verendet und in seinem eigenen Blut liegend in ihrer Wohnung finden würde, desto ungeduldiger erwartete sie den Tag, an dem sie ihren Plan in die Tat umsetzen konnte. Als dieser Tag endlich da war, zögerte sie keinen Augenblick mit der Ausführung. Sie genoss noch seinen verblüfften Blick, als statt seiner Geliebten sie, seine Angetraute Ehefrau vor der Türe stand, ließ im nächsten Moment das Messer mit der Klinge aus Rasierklingenstahl genau so durch seine Kehle gleiten, wie sie das damals in dem Horrorfilm gesehen hatte, dessen Namen sie sich nicht merken wollte. Damals hatte sie bei dieser Szene entsetzt die Augen geschossen und sich erschrocken abgewandt. Jetzt erlebte sie mit Genugtuung das Entsetzen in seinem Blick, als er begriff, was mit ihm geschah. Im selben Augenblick zog sie die Tür mit einem Ruck wieder von außen zu. Anschließend klappte sie das Messer ein, wandte sich um und verließ das Gebäude. Als wenige Minuten später die Geliebte auftauchte, wartete sie wie geplant einen Augenblick, benachrichtigte dann die Polizei, und freute sich darauf zu erleben, wie das Miststück in Handschellen aus dem Haus geführt wurde. Bis es soweit war, musste sie allerdings noch das Eintreffen des Notarztes miterleben, der jedoch sehr schnell unverrichteter Dinge wieder von dannen zog. Noch in derselben Nacht durfte sie den Besuch von zwei älteren Polizeibeamten entgegen nehmen, die ihr die traurige Mitteilung vom gewaltsamen Tod ihres Mannes überbrachten. Als am frühen Abend des folgenden Tages die Polizei erneut vor ihrer Tür stand, rechnete sie ganz fest damit, dass die Beamten ihr jetzt die Mörderin präsentieren würden. Dass es anders kam lag vor allem daran, dass sich in der gesamten Wohnung der Beschuldigten kein einziges Messer hatte finden lassen, das dieser Tat zugeordnet werden konnte. Dass die Ermittler auf die Idee kommen würden, nun ausgerechnet bei ihr in der Plastikbox nach der Tatwaffe zu suchen, war ihr schlicht nicht in den Sinn gekommen.

      Doppelschlag

      Damit kein falscher Eindruck entsteht: In Flensburg gibt es, wie überall auf der Welt, nicht nur böse Frauen. Auch Männer kommen gelegentlich auf dumme Ideen.

      Seit er im Ruhestand gelandet war, hatten seine eigenen vier Wände die Tendenz entwickelt, sich ganz allmählich zwar, aber dennoch unverkennbar zusammenzuziehen. Anfänglich hatte er dem keine große Bedeutung beigemessen. Schließlich war seine Wohnung groß genug und seit dem Tod seiner Frau vor wenigen Wochen hatte er ohnehin eher das Gefühl, etwas gegen die Leere tun zu müssen, die ihn umgab. Genau genommen war er nicht regulär in den Ruhestand gegangen und in Wirklichkeit war auch seine Frau nicht gestorben. Das so auszudrücken machte es nur leichter für ihn, die Einsamkeit zu ertragen, die ihn seit einiger Zeit umgab. Tatsächlich hatte seine Frau ihn verlassen und sein Rentnerdasein war einfach darauf zurückzuführen, dass sein Chef ihn kurzerhand gefeuert hatte, als er ihm klipp und klar die Meinung gesagt hatte. Aber natürlich war die Entlassung nicht überraschend gekommen. Schließlich hatte er es nicht dabei belassen, seinem Chef gründlich die Meinung zu geigen, sondern um dem Nachdruck zu verleihen, hatte er es sich nicht nehmen lassen, dem Typen auch noch richtig einen einzuschänken. Ihm war klar gewesen, dass das Konsequenzen haben würde, aber was hätte er sonst machen sollen? Tatenlos zusehen, wie der Heini hinter seinem Rücken seine eigene Frau vögelt? Seine Frau hatte es nach dieser Entgleisung vorgezogen, ihm den Laufpass zu geben. Nicht dass sie ihm all die Jahre seit ihrer Ehe etwa treu gewesen wäre. Das natürlich nicht. Schließlich war sie mehr als zwanzig Jahre jünger gewesen als er. Sie hatte ihm damals das Märchen vom unerfahrenen, scharfen kleinen Dummerchen vorgespielt, das auf erfahrene Männer steht. Ihm hatte das geschmeichelt. Zwar hatte er sich unterschwellig klar gemacht, dass eine solche Beziehung über kurz oder lang besonderen Belastungsproben ausgesetzt sein würde, aber er hatte das verdrängt. Seine späte Liebe hatte es ihm das leicht gemacht. Von Unerfahrenheit jedenfalls konnte bei ihr keine Rede sein. Jedenfalls nicht im Bett. Das war ihm nicht verborgen geblieben. Wie sollte es auch? Schließlich hatte sie alles getan, um ihn auf diesem Gebiet zufrieden zu stellen. Vor ihrer Ehe und dann noch genau fünf Jahre lang. Danach war sie dann häufiger anderweitig unterwegs gewesen. Das sie scharf war, hatte sie nicht spielen müssen. Das hatte er schließlich selbst erlebt. Mit dem Dummerchen war das eine andere Sache gewesen. Da hatte er länger gebraucht, um zu kapieren, dass auch das nicht stimmte. So richtig realisiert hatte er das eigentlich erst, als sie ihm nach der Trennung seinen alten Chef triumphierend als ihren neuen Freund vorgestellt hatte und der ihr bei dieser Gelegenheit ihren Wunsch erfüllt und ihn kurzerhand aus seiner eigenen Wohnung geworfen hatte - und zwar im wörtlichen Sinne. Ihn hatte das Ende der Beziehung nicht wirklich überrascht. Seit ihrer Heirat waren mittlerweile ja nun auch schon wieder mehr als zwanzig Jahre ins Land gegangen. Was ihm nicht gefiel, das war die Art und Weise, wie das geschehen war. Das hatte keinen Stil. Seither dann er auf Rache. Anfangs hatte er es sich angewöhnt, einen Großteil seiner Zeit damit zu verbringen, planlos mit seinem alten Wagen die Autobahnen auf und ab zu fahren. Vor allem um sich abzulenken, um auf andere Gedanken zu kommen, ohne ein bestimmtes Ziel. Im Laufe der Zeit begann sich das zu ändern. Er ertappte sich dabei, wie er anfing, die Menschen um sich herum genauer anzusehen. Die Menschen und die Gefährte, mit denen sie unterwegs waren. Ganz allmählich nur, dafür aber um so zuverlässiger gelang es ihm dabei, die Fahrzeuge und ihre Nutzer bestimmten Merkmalen zuzuordnen. Kurzerhand, er fing an, seine Umgebung bewusster wahrzunehmen. Erst sehr allmählich war er bereit, sich einzugestehen, dass seine Suche nicht so ziellos war wie es auf den ersten Blick erscheinen möchte. Tatsächlich suchte er nach einem Menschen, der ganz bestimmte Eigenschaften in sich vereinte. Soviel war ihm klar. Welche Eigenschaften es allerdings sein sollten, war ihm lange Zeit verborgen geblieben. Das begann sich zu ändern,