Ekkehard Wolf

Oh wie Böse


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doch noch recht jungen Begleiterin mit am Ende gehobener Stimme fragend zu verstehen gegeben und schmunzelnd hinzugefügt, dass mit der Flut nun einmal nicht zu spaßen sei. Das junge Mädchen hatte ihn aufmerksam angesehen und einen Moment überlegt, ob das irgendwie anzüglich gemeint sein könnte. Schließlich hatte sie ihr Verlangen, es geschützt zu machen, genauso begründet. Sie hatte sich entschieden, diese kleine Spitze einfach zu überhören und ihm als kleines Dankeschön für die tolle Nacht und den nicht weniger anstrengenden Tag eine kleine Überraschung in Aussicht gestellt. Dabei hatte sie ihn mit einem solchen Augenaufschlag angesehen, dass sie annahm, eindeutig genug geworden zu sein. Seine Reaktion hatte ihr gezeigt, dass er gespannt sein würde, was sie sich da ausgedacht hatte. Da sie davon ausging, dass die Vorstellungswelt von Männern in solchen Sachen überschaubar war, musste sie ihre Phantasie nicht sonderlich anstrengen, um sich in seine Phantasien hinein zu denken. An sich mochte sie diesen Typ von Mann. Groß, erfolgreich und energisch, sehr von sich überzeugt, von keinerlei Selbstzweifeln geplagt, sich seiner Wirkung auf sehr junge Frauen sehr bewusst. Wenn man auf ihre Wünsche einging, waren sie in der Regel wie Wachs und erwiesen sich als spendable Gönner. Das junge Mädchen hatte kein Problem damit. So Urlaub zu machen war eine sehr günstige Variante. Kennen gelernt hatte sie den Mann im Strandhaus Döse. Er hatte alleine an einem Tisch gesessen und sie hatte sich im Vorbeigehen so unglücklich ungeschickt angestellt, dass ihm gar nicht anderes übrig geblieben war als dieser süßen kleinen Maus den Vorschlag zu machen sich zu ihm zu setzen. Sie hatte sich mit einer tiefen Verbeugung bedankt und ihn anschließend ganz schnell um den Finger gewickelt. Danach hatte sie dann nur noch die Masche mit dem verlorenen Geld und den fehlenden Unterlagen spielen müssen, um ihn dazu zu bringen, die Chance auf ein kleines Abenteuer nicht ungenutzt verstreichen zu lassen. Als sie schließlich seinen Vorschlag, die Nacht doch ganz bei ihm zu verbringen, mit eindeutigen Augenaufschlag angenommen hatte, war sie sicher gewesen, ihn an der Angel zu haben. Bevor es richtig losgegangen war, hatte er sich gebührend großzügig gezeigt und ihr ein ausgiebiges Abendessen spendiert. Doch jetzt kam es darauf an, sich keinen Fehler zu erlauben. Um zu verhindern, dass er auf die Idee kam, sein gesamtes Wohlstands Equipment mit auf die Wattwanderung zu nehmen, hatte sie ihn besorgt auf die Gefahr aufmerksam gemacht, dass das alles nass werden könnte, falls sie am Ziel ihres Spaziergangs von einer dieser großen Wellen erwischt werden sollten. Er hatte sich einsichtig gezeigt und ihr damit den Zugriff auf die ganze Welt seiner Kreditkarten gesichert. Nun musste sie die Sache also nur noch zu Ende bringen. An der Kugelbake angelangt hatte sie daher nicht lange gezögert, ihren Begleiter mit dem Argument, er könne die Vorbeifährt der dicken Pötte jetzt gleich auf eine Weise genießen, die e r nie vergessen würde, dazu überredet, sich mit ihr hinter die geschützte Umrandung zu begeben. Genau dorthin also, wo das Risiko, von einer großen Welle eines der vorbeifahrenden Schiffe erwischt zu werden recht groß war. Dass seine junge Begleiterin sich ausgerechnet diese Stelle für ihre angekündigte Überraschung ausgewählt hatte, verwunderte den Mann mit den graumelierten Schläfen zwar, aber er selber hätte sich für das, was er vorhatte keinen geeigneteren Platz aussuchen können. Wie ihm der Führer des nahe gelegenen Forts gegen Ende des Rundgangs bestätigt hatte, gab es da kein Entrinnen, falls man versehentlich ausrutschen und ins Wasser geraten sollte. Er hatte sich persönlich vergewissert, dass der ältere Herr nicht versucht hatte, ihn mit Seemannsgarn einzuwickeln und bei dieser Gelegenheit mit Interesse den Strudel zur Kenntnis genommen, der das Fahrwasser direkt zwischen dem mit einem Reisigbündel markierten Holzstecken und den ins Wasser führenden Steinen aufwühlt. Genau hier also wollte ihm die Kleine ihre Überraschung zukommen lassen? Tatsächlich positionierte sie ihn im nächsten Augenblick genau so, dass er mit dem Gesicht zur Schiffahrtsrinne stand. Sodann war sie vor ihm in die Hocke gegangen und hatte wohl angenommen, dass er nun erwartungsvoll damit rechnen würde, von ihr verwöhnt zu werden. Vermutlich würde sie diese Gelegenheit nutzen, um ihn mit einem kräftigen Ruck anzuheben, über sich zu Fall zu bringen und dann so unerwartet in den Fluten verschwinden zu lassen. Der Malsand und die durch die vorbeifahrenden Frachter ausgelösten Wirbel würden dann schon dafür sorgen, ihn auf nimmer Wiedersehen verschwinden zu lassen. Da er sie im Hotel als seine Cousine ausgegeben hatte, würde sie hernach auch keine Schwierigkeiten bekommen, wenn sie mitsamt seinem Gepäck auschecken würde. Er würde dann eben wegen eines unerwarteten Geschäftstermins daran verhindert gewesen sein, persönlich auszuchecken. Sie hatte eben an alles gedacht. Der Mann blickte hinaus auf das dunkle Wasser, während die Kleine vor dem breitbeinig vor ihr stehenden Mann in die Hocke ging. Als sie im gleichen Augenblick den Druck seiner Hände auf ihren Schultern spürte, die sie unaufhaltsam in die von den vorbeifahrenden Frachtern aufgewühlten Fluten drückten, war sie von dieser Aktion derart überrascht, dass sie lediglich hilflos mit den Armen wild durch die Luft ruderte, bevor sie rücklings in dem Wasserwirbel verschwand und fortgerissen wurde. Nicht einmal ein letzter Schrei war über ihre Lippen gekommen. Der Mann mit den grauen Schläfen hatte ihr noch einen kurzen Blick nachgeworfen, sich dann aber darauf konzentriert, dem Frachter nachzusehen, der gerade an ihm vorbei gerauscht war. Anschließend wandte er sich um und trat den Rückweg an.

      An sich mochte er diese jungen Dinger. Sie waren so wunderbar leicht zu durchschauen und es machte immer wieder Spaß, ihnen den Gefallen zu tun. Aber Komplikationen waren nun einmal das Letzte, was er in seiner jetzigen Situation gebrauchen konnte. Also war ihm ein klarer Schnitt sinnvoller erschienen, als lange Szenen. Dass die jungen Dinger heutzutage alle nicht mehr richtig schwimmen können, kam ihm dabei natürlich nicht ungelegen. Man konnte ja nie wissen, was in den Köpfen dieser jungen Dinger so vor sich ging. Er hatte sie als seine Cousine ausgegeben, die zu einem Kurzbesuch aufgetaucht war. Da sie kein Gepäck mit sich geführt hatte, war es glaubhaft, dass sie genauso unauffällig wieder verschwunden war. Falls wirklich jemand fragen sollte, würde er keine Mühe haben, diese Geschichte glaubhaft zu machen. Aber wer sollte schon fragen? Gemächlichen Schrittes machte er sich auf Weg zurück zu seinem Urlaubsdomizil in der Nordfeldstraße. Dort angekommen staunte er nicht schlecht, als er bereits von der Polizei erwartet wurde. Idiotischerweise hatte es dieses dumme Ding tatsächlich fertig gebracht, ihren Rucksack zu ihm an die Adresse der Ferienwohnung schicken zu lassen. Auf die Idee, dass das Gepäck vor der Verladung auf die Fähre aus Sicherheitsgründen ebenso gründlich durchleuchtet wird, wie vor einem Flug, damit hatte sie selbstverständlich nicht gerechnet. Ebenso wenig damit, dass bei dieser Gelegenheit die im Rucksack verstaute Beute aus dem Einbruch im Uhrenladen des Oberlandes von Helgoland entdeckt werden würde. Dem Mann mit den graumelierten Schläfen würde schlagartig klar, dass ihm in dieser Situation niemand glauben würde, hiervon nichts gewusst zu haben. Schließlich war er es ja gewesen, der die Eigentümerin des Rucksacks als seine Cousine ausgegeben hatte. Dass von der jetzt auf einmal jegliche Spur fehlte, würde die Sache für ihn nicht leichter machen.

      Hexensabbat

      Wenn wir schon einmal hier sind, dürfen wir es auch nicht versäumen, den wohl bekanntesten Stadtteil von Cuxhaven zu besuchen, das einstmals beschauliche Dorf Duhnen. Wenn Sie Ihr Weg eines Tages dorthin führen sollte, vergessen Sie nicht in der Gaststätte zur Post einzukehren. Die Zimmer in dieser Traditionsgaststätte sind noch erschwinglich. Vor allem aber können Sie in den Zimmern jenen Hauch vergangener Tag spüren, der andernorts so leicht wegmodernisiert wird. Dass das Leibgericht der Seeleute, das Lapskaus, nach einem ausgiebigen Ausflug mit dem Pferdewagen hier besonders schmackhaft ausfällt, sei nur am Rande noch erwähnt.

      Die alte Frau schlenderte zum wiederholten Mal scheinbar ziellos über die Strandpromenade. Jedem, der sie dabei beobachtet hätte, wäre vermutlich aufgefallen, dass sie Mühe hatte, sich in dieser Umgebung zurecht zu finden. In gewisser Weise hätte der Beobachter sogar zu der Auffassung gelangen können, die Frau irre geradezu orientierungslos umher. Tatsächlich aber fand sich niemand, der an diesem Tag auf die Idee gekommen wäre, die alte Frau zu beobachten. Dabei gab es so Einiges, was die Aufmerksamkeit anderer Menschen hätte erregen können. So war die alte Frau mit einem altmodischen und dazu noch zerschlissenen Rock bekleidet, unter dem sie offenkundig Unterröcke trug. Das Jackett, das sie vor der Brust eng geknüpft hatte, war von ähnlichem Kaliber. Zu guter Letzt hatte sie ihren Kopf mit einem roten Kopftuch gegen den Wind geschützt. Die ganze Aufmachung erinnerte bei Licht besehen eher an das Kostüm einer Hexe aus dem Märchenbuch, als an die Bekleidung, die in jenen Tagen am schönen Nordseestrand so üblich war. Es fand sich niemand an diesem Tag, dem