Jochen Duderstadt

Schuld und Bühne


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brüllt, aber das kommt nicht von alleine, da braucht man einen richtigen Kerl, und nicht so einen Schlappschwanz wie ihn oder meinen Ex ..."

      Tumult im Gerichtssaal, kann ich dir sagen. Ich hab mich nicht angesprochen gefühlt, du weißt warum. Soll sie doch denken, was sie will. Aber der Ex, der ging richtig ab. Kam mit seiner Wampe nach vorne gewankt, schrie was von Schlampe und wollte ihr eine langen. Die von seinem Fan-Club liefen dazwischen und hielten ihn gerade noch zurück.

      

      Der Richter ließ ihn abführen und brummte ihm einen Tag Arrest auf.

      Kaum war wieder Ruhe, rief der Richter: "So, fünf Minuten Unterbrechung", und stand auf.

      

      Irgendwie ahnte ich, was kommen würde. Er machte sich draußen vor der Tür an meine Anwältin ran, ich war in Hörweite. "Ich stell den Quatsch jetzt ein", sagte er, "Sie können sich denken, welcher Kollege das Hauptverfahren eröffnet hat; ich war im Urlaub. Also, § 153. Ihre Kosten trägt Ihr Mandant."

      Und als sie protestierte (vergessen Sie nicht das verzweifelte Schluchzens des Sechsjährigen und wie das bei meinem Mandanten angekommen ist), flüsterte er – die Referendarin kam auch gerade aus dem Saal – "Wir haben noch die Aussage der enttäuschten Polizeibeamtin und die von der Brüllerin, die uns das alles eingebrockt hat, also ich wär vorsichtig, selbst wenn ich ihn freispreche, wer weiß, was die Berufungsinstanz draus macht. Wär doch schade, wenn das schief ginge. Immerhin hat Ihrer Zivilcourage gezeigt. Los, gehen Sie wieder rein, letzter Akt der Komödie."

      

      Er wandte sich ganz kurz der Referendarin zu, ging auf dem Umweg über sein Beratungszimmer wieder an die Richterbank und verkündete im Sitzen:

      "Das Verfahren wird mit Zustimmung der Staatsanwaltschaft und der Verteidigung auf Kosten der Landeskasse eingestellt. Der Angeklagte trägt seine persönlichen Auslagen selbst."

      Schon wieder Tumult im Zuschauerraum. "So gehen Sie mit unseren Steuergeldern um", schrie einer von diesen abgerissenen Langzeitarbeitslosen. Und meine Anwältin fragte mit schneidender Stimme: "Wann haben Sie denn zuletzt Steuern gezahlt?"

      

      Da war Ruhe.

      

      Ich kam wie betäubt aus dem Saal. Und dann hab ich meine Anwältin gefragt ob ich sie umarmen darf. Und sie sagte lachend:

      

      "Na wenn Sie´s tun, denk ich mir nichts Böses."

      Und ich frag mich nu seit Wochen, wie sie das gemeint hat.

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