Pierre-Ambroise-François Choderlos de Laclos

Gefährliche Liebschaften


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fühle, daß es mir unmöglich wäre, irgendeinem Ihrer Wünsche entgegen zu sein. Nun, da wir darüber einig sind, darf ich wohl hoffen, daß Sie auch mir um etwas zu bitten erlauben, das leichter zu gewähren ist, als um was Sie mich baten, und das ich doch nur durch meine völlige Unterwerfung unter Ihren Willen erlangen will.

      Das eine, das mir hoffentlich Ihr Gerechtigkeitssinn zugestehen wird, ist, daß Sie mir die Namen jener meiner Ankläger nennen; sie tun mir doch, scheint es, Schlimmes genug, als daß ich nicht das Recht beanspruchen könnte, zu wissen, wer sie sind. Das andere, um das ich Sie bitte, ist, daß Sie mir auch in Zukunft erlauben, Ihnen manchmal die Huldigung einer Liebe zu Füßen zu legen, die mehr denn je Ihres Mitleids bedarf.

      Bedenken Sie, gnädige Frau, daß ich mich beeile, Ihnen zu gehorchen – selbst auf Kosten meines Glückes, ja trotz meiner festen Überzeugung, daß Sie meine Abreise nur wünschen, um nicht mehr das Opfer Ihrer Herzlosigkeit zu sehen, was immer ein peinlicher Anblick ist.

      Gestehen Sie doch, gnädige Frau, daß Sie das Gerede der Gesellschaft nicht fürchten, die, daran gewöhnt, Sie zu respektieren, nie eine schlechte Meinung über Sie haben wird, – daß Sie doch nur die Gegenwart eines Mannes lästig empfinden, den Sie wohl leicht bestrafen, aber schwer verurteilen können. Sie verbannen mich, – wie man den Blick von einem Unglücklichen abwendet, dem man nicht helfen will. Aber wenn nun die Trennung meine Qualen, verdoppelt, an wen anders als an Sie kann ich meine Klagen richten? Von wem sonst kann ich den Trost erwarten, der mir so nötig sein wird? Werden Sie ihn mir verweigern, wo Sie doch allein meiner Leiden Ursache sind?

      So werden Sie wohl auch nicht darüber erstaunt sein, daß mir viel und alles daran liegt, vor meiner Abreise die Gefühle zu rechtfertigen, die Sie mir einflößten, so wie ich auch den Mut zu reisen nicht fände, bevor ich nicht den Befehl aus Ihrem Munde habe.

      Das beides läßt mich um einen Augenblick der Aussprache bitten. Vergeblich würden wir uns darüber Briefe schreiben – man schreibt Bände und sagt schlecht, wozu eine Viertelstunde miteinander Sprechens genügt, um sich zu verstehen. Sie werden leicht eine Zeit für diese Unterredung finden. Ich will mich ja beeilen, Ihnen zu gehorchen, aber Sie wissen, daß Frau von Rosemonde meine Absicht kennt, den Herbst bei ihr zu verbringen, und ich müßte wenigstens einen Brief von Paris abwarten, der mir den Vorwand zu einer plötzlichen Abreise gäbe.

      Leben Sie wohl, gnädige Frau. Nie noch ist mir dieses Wort so schwer geworden als hier, wo es mich an unsere Trennung erinnert. Wenn Sie ahnten, was ich davon leide, wüßten Sie mir wohl einen Dank für meine Folgsamkeit.

      Empfangen Sie wenigstens mit einiger Nachsicht die Versicherung meiner zärtlichsten und ehrfurchtsvollsten Liebe. V.

      Schloß . . ., 26. August 17..

      C:\Users\Jürgen\Pictures\Historische e-books\Bilddatenbank\nur nackt\Img540.jpgDreiundvierzigster Brief

      Frau von Tourvel an den Vicomte von Valmont.

      Weshalb wollen Sie meine Erkenntlichkeit kleiner machen, Vicomte? Warum wollen Sie nur halb folgen und bei einem doch so ehrlichen Handel feilschen? Ist es Ihnen nicht genug, daß ich den Preis voll schätze? Sie verlangen von mir nicht nur viel, Sie verlangen Unmögliches! Wenn mir wirklich meine Freunde von Ihnen erzählt haben, so haben sie das doch nur aus Freundschaft für mich getan, und selbst wenn sie sich irrten, so wäre ihre Absicht deshalb nicht weniger gut gewesen. Und nun verlangen Sie, daß ich diese Beweise guter Freundschaft damit belohne, daß ich Ihnen meine Freunde preisgebe!

C:\Users\Jürgen\Pictures\Historische e-books\Bilddatenbank\nur nackt\größere\Img1013.jpg

      Es war schon nicht recht, daß ich Ihnen davon etwas sagte, und Sie lassen mich das jetzt genug fühlen. Was für jeden andern bloß Aufrichtigkeit gewesen wäre, wird Ihnen gegenüber zum Leichtsinn, und würde gemeine Verleumdung, wenn ich Ihrem Verlangen nachgäbe. Ich appelliere an Sie selbst, an Ihre Ehrenhaftigkeit – halten Sie mich wirklich einer solchen Handlung für fähig? Durften Sie mir das zumuten? Doch sicher nicht; und ich bin fest davon überzeugt, Sie werden nicht mehr darauf zurückkommen, wenn Sie darüber nachdenken.

      Der andere Wunsch, daß Sie mir schreiben wollen, ist kaum leichter zu gewähren. Ich will Sie nicht beleidigen – aber welche Frau könnte bei dem schlimmen Ruf, den Sie haben und den Sie nach Ihrem eigenen Geständnis wenigstens zum Teil verdienen, welche Frau könnte da ruhig sagen, daß sie mit Ihnen Briefe wechsle, und welche anständige Frau könnte etwas tun, was sie zu verheimlichen genötigt wäre? Ja, wenn Ihre Briefe so wären, daß ich niemals mich darüber zu beklagen Ursache hätte und ich es immer vor mir selber rechtfertigen könnte, sie empfangen zu haben, dann würde mich vielleicht der Wunsch, Ihnen zu beweisen, daß mich Vernunft und nicht Haß leitet, über die starken Bedenken wegkommen und mich mehr tun lassen als ich dürfte, indem ich Ihnen erlaube, mir manchmal zu schreiben. Wenn Sie das wirklich so sehr wünschen, wie Sie sagen, werden Sie sich gern der einzigen Bedingung fügen, unter der ich darein willige. Und wenn Sie nur etwas Dankbarkeit für das haben, was ich jetzt für Sie tue, werden Sie Ihre Abreise sofort ins Werk setzen. Sie bekamen doch heute morgen einen Brief und haben diese Gelegenheit doch nicht, wie Sie mir versprachen, benutzt, Frau von Rosemonde Ihre dringend nötige Abreise mitzuteilen. Hoffentlich hält Sie nun nichts mehr davon ab, Ihr Wort zu halten, und ich erwarte bestimmt, daß Sie nicht erst auf die von Ihnen verlangte mündliche Unterredung warten, zu der ich mich unter keiner Bedingung bestimmen lassen werde. Statt des Befehles, den Sie angeblich nötig haben, werden Sie sich wohl nun mit der wiederholten Bitte zufrieden geben. Und so Adieu. von T.

      Schloß . . ., den 27. August 17..

      Vierundvierzigster Brief

      Der Vicomte von Valmont an die Marquise von Merteuil.

      Nun wollen wir überlegen, meine schöne Freundin. Sie wissen wie ich, daß die höchst gewissenhafte und sehr anständige Frau von Tourvel die erste meiner zwei Forderungen einfach nicht gewähren kann – sie wird das Vertrauen ihrer Freunde nicht verraten, indem sie mir die Namen meiner guten Feinde nennt. Da ich aber alles nur auf die Erfüllung dieser Bedingung hin verspreche, verspreche ich gar nichts. Nun wird aber die abschlägige Antwort, die sie mir sicher geben wird, für mich ein Anrecht auf alles übrige, wobei ich nur gewinne: ich reise ab und korrespondiere mit ihr. Denn auf das verlangte Rendezvous lege ich keinen Wert und hatte das keinen andern Zweck, als sie so allmählich daran hinzuführen, mir spätere wichtigere und nötigere Zusammenkünfte nicht abzuschlagen.

      Eines bleibt mir vor meiner Abreise noch zu tun: ich muß herausbekommen, wer die Leute sind, die sich bei ihr mit meiner Person so liebenswürdig beschäftigen. Vielleicht ihr Idiot von Mann, und das wäre mir nicht unangenehm. Abgesehen davon, daß die eheliche Notwehr dem Verlangen eine Lust mehr ist, bin ich sicher, daß ich von dem Augenblick an, da mein Schatz in die Korrespondenz einwilligt, nichts mehr von ihrem Manne zu fürchten habe, denn da betrügt sie ihn schon.

      Sollte es aber eine intime Freundin von ihr sein, die bei ihr gegen mich hetzt, so muß ich die beiden natürlich auseinanderbringen, und das werde ich schon fertig bekommen. Aber wissen muß ich es vor allem. Gestern dachte ich schon, daß mir die nötige Aufklärung würde, aber diese sonderbare Frau tut alles anders als andere Frauen. Wir waren bei ihr, als man zum Diner ruft. Sie war gerade mit der Toilette fertig, beeilt sich, entschuldigt sich und läßt darüber, wie ich bemerkte, den Schlüssel zu ihrem Schreibtisch stecken; den zu ihren Räumen zieht sie nie ab. Während der Mahlzeit höre ich ihre Kammerjungfer herunterkommen, ich schütze Nasenbluten vor und gehe hinaus. Stürme an den Schreibtisch, dessen Schubladen alle offen sind – und finde nicht ein einziges beschriebenes Blatt. Und jetzt heizt man doch nicht! Aber was macht sie denn mit den vielen Briefen, die sie bekommt? Ich habe alles durchsucht und nichts dabei gewonnen als die Überzeugung, daß die kostbaren Briefe in ihrer Tasche bleiben. Aber wie sie da herausbekommen? Seit gestern denke ich über ein Mittel nach, und ich muß die Briefe haben! Man kann so viel und hat kein Talent zum Taschendieb. Die Liebe und ihre Künste sollten wirklich in den Erziehungsplan des Menschen aufgenommen werden. Aber unsere Eltern und Lehrer denken