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dumme Geschichte!«

      Gleichzeitig mit dem Soldaten war ein Infanterieoffizier mit verbundener Wange an das Feuer getreten; er bat Tuschin, die Geschütze ein klein wenig beiseite rücken zu lassen, damit er mit einem Bagagewagen vorbei könne. Nach diesem Kompaniechef kamen zwei Soldaten zum Feuer gelaufen. Sie schimpften einander grimmig und prügelten sich, indem einer dem andern einen Stiefel zu entreißen suchte.

      »Natürlich! Von der Erde hast du ihn aufgehoben! Sieh, wie schlau!« schrie der eine mit heiserer Stimme.

      Dann trat ein hagerer, blasser Soldat heran, den Hals mit einem blutigen Fußlappen verbunden, und verlangte in zornigem Ton von den Artilleristen Wasser.

      »Was denkt ihr? Soll ich etwa krepieren wie ein Hund?« sagte er.

      Tuschin befahl, ihm Wasser zu geben. Darauf kam ein lustiger Soldat herbeigelaufen, der um ein Feuerscheit für die Infanterie bat.

      »Bitte um ein hübsch brennendes Feuerscheit für die Infanterie! Gott gebe auch alles Gute, liebe Landsleute! Wir danken auch schön für das Feuer, wir werden es euch mit Zinsen zurückerstatten«, sagte er und trug das rotbrennende Scheit irgendwohin weg in die Dunkelheit.

      Nach diesem Soldaten gingen vier Soldaten am Feuer vorbei, die etwas Schweres auf einem Mantel trugen. Einer von ihnen stolperte.

      »Na, so was! Mitten auf den Weg haben die verfluchten Kerle Holz hingeworfen«, brummte er.

      »Er ist gestorben; wozu sollen wir ihn noch tragen?« sagte ein zweiter.

      »Na wartet, ich werde euch ...«

      Und sie verschwanden mit ihrer Last in der Dunkelheit.

      »Nun? Tut es weh?« fragte Tuschin flüsternd den Junker Rostow.

      »Ja.«

      »Euer Wohlgeboren möchten zum General kommen. Der Herr General hat hier in dem Bauernhaus Quartier genommen«, sagte, zu Tuschin herantretend, der Feuerwerker.

      »Gleich, lieber Freund.«

      Tuschin stand auf, knöpfte sich den Mantel zu und ging, sich unterwegs das Haar zurechtstreichend, von dem Feuer weg.

      Nicht weit von dem Feuer der Artilleristen saß in einer für ihn hergerichteten Stube eines Bauernhauses Fürst Bagration beim Mittagessen, im Gespräch mit mehreren ihm unterstellten Kommandeuren, die sich bei ihm versammelt hatten. Da war jener alte Mann mit den halbgeschlossenen Augen, der gierig an einem Hammelknochen nagte; da war jener General, der zweiundzwanzig Jahre lang tadellos gedient hatte; von einem Gläschen Schnaps und dem Essen hatte er einen ganz roten Kopf bekommen; da war der Stabsoffizier mit dem Brillantring, und Scherkow, dessen Augen unruhig bei allen Anwesenden umhergingen, und Fürst Andrei, blaß, mit zusammengepreßten Lippen und fieberhaft glänzenden Augen.

      In der Stube stand, in eine Ecke gelehnt, eine erbeutete französische Fahne; der Auditeur mit dem naiven Gesicht betastete das Gewebe der Fahne und schüttelte, wie verwundert, den Kopf, vielleicht weil er sich wirklich für das Aussehen der Fahne interessierte, vielleicht auch weil es ihm peinlich war, hungrig einem Essen zuzusehen, bei welchem für ihn kein Gedeck vorhanden war. In der anstoßenden Stube befand sich ein von den Dragonern gefangengenommener französischer Oberst. Viele von unseren Offizieren drängten sich um ihn und betrachteten ihn. Fürst Bagration sprach den einzelnen Kommandeuren seinen Dank aus und erkundigte sich nach den Einzelheiten des Kampfes und nach den Verlusten. Jener Regimentskommandeur, der bei Braunau die Besichtigung durchgemacht hatte, berichtete dem Fürsten, er habe sich gleich bei Beginn des Kampfes aus dem Wald zurückgezogen, die Holzfäller gesammelt, sie nach hinten an sich vorbeipassieren lassen, mit zwei Bataillonen einen Bajonettangriff gemacht und die Franzosen zurückgeschlagen.

      »Als ich dann sah, Euer Durchlaucht, daß das erste Bataillon stark gelitten hatte, da stellte ich mich am Weg hin und dachte: ›Ich will diese nach hinten zurücknehmen und dem Feind mit einem Dauerfeuer entgegentreten.‹ Und so habe ich es denn auch gemacht.«

      Der Regimentskommandeur wünschte so lebhaft, dies getan zu haben, und bedauerte so tief, nicht imstande gewesen zu sein es zu tun, daß er sich einbildete, es sei alles genau so zugegangen. Und vielleicht war es sogar tatsächlich so gewesen? Hatte man etwa in diesem Wirrwarr erkennen können, was geschah und was nicht geschah?

      »Dabei muß ich noch bemerken, Euer Durchlaucht«, fuhr er fort, da ihm Dolochows Gespräch mit Kutusow und seine eigene letzte Begegnung mit dem Degradierten einfielen, »daß der zum Gemeinen degradierte Dolochow vor meinen Augen einen französischen Offizier gefangengenommen und sich besonders ausgezeichnet hat.«

      »Auf diesem Flügel, Euer Durchlaucht, habe ich die Attacke der Pawlograder mit angesehen«, mischte sich hier, unruhig umherblickend, Scherkow in das Gespräch, der an diesem Tag überhaupt keinen Husaren gesehen, sondern nur aus dem Mund eines Infanterieoffiziers von ihnen gehört hatte. »Sie haben zwei Karrees niedergeritten, Euer Durchlaucht.«

      Bei Scherkows Worten lächelten manche, da sie, wie stets, von ihm einen Witz erwarteten; aber als sie merkten, daß das, was er sagte, ebenfalls auf den Ruhm unserer Waffen und des heutigen Tages abzielte, nahmen sie wieder eine ernste Miene an, obgleich viele von ihnen recht wohl wußten, daß das, was Scherkow sagte, eine Lüge ohne jeden tatsächlichen Untergrund war. Fürst Bagration wandte sich zu dem alten Regimentskommandeur.

      »Ich danke Ihnen allen, meine Herren; alle Truppenteile haben heldenhaft gekämpft: die Infanterie, die Kavallerie und die Artillerie. Wie ist es aber zugegangen, daß im Zentrum zwei Geschütze zurückgelassen sind?« fragte er, indem er nach jemanden mit den Augen suchte. (Nach den Geschützen des linken Flügels erkundigte sich Fürst Bagration nicht; er wußte bereits, daß dort gleich zu Anfang des Kampfes alle Kanonen im Stich gelassen worden waren.) »Ich meine, ich hatte Sie gebeten, den Rückzug der Batterie zu veranlassen«, wandte er sich an den Stabsoffizier du jour.

      »Das eine war zerschossen«, antwortete der Stabsoffizier du jour; »was das andere anlangt, so ist es mir unverständlich; ich bin selbst die ganze Zeit über dagewesen, habe das Erforderliche angeordnet und bin eben erst zurückgekommen ... Es ging dort in der Tat heiß her«, fügte er bescheiden hinzu.

      Einer der Offiziere sagte, Hauptmann Tuschin befinde sich hier in ebendiesem Dorf, und es sei schon nach ihm geschickt worden.

      »Sie sind ja auch dort gewesen«, sagte Fürst Bagration, sich an den Fürsten Andrei wendend.

      »Gewiß, wir waren ja eine Weile gleichzeitig da«, sagte der Stabsoffizier du jour und lächelte dem Fürsten Andrei freundlich zu.

      »Ich habe nicht das Vergnügen gehabt, Sie zu sehen«, erwiderte Fürst Andrei kurz und kalt.

      Alle schwiegen. Auf der Schwelle erschien Tuschin, der schüchtern hinter dem Rücken der Generale herum einen Weg suchte. Als er in dem engen Zimmer um die Generale herumging, beachtete er, verlegen wie immer in Gegenwart von Vorgesetzten, die Fahnenstange nicht und stolperte darüber. Manche lachten laut.

      »Wie ist es zugegangen, daß die Geschütze zurückgelassen wurden?« fragte Bagration und machte ein finsteres Gesicht, nicht sowohl wegen des Hauptmanns als wegen der Lacher; am lautesten von allen war unter diesen Scherkows Stimme zu hören gewesen.

      Erst jetzt, beim Anblick des strengen Vorgesetzten, trat dem Hauptmann Tuschin seine Schuld und Schande in ihrem ganzen Umfang vor die Seele: daß er zwei Geschütze verloren hatte und selbst am Leben geblieben war. Er war fortwährend in einer solchen Aufregung gewesen, daß er bis zu diesem Augenblick noch keine Zeit gehabt hatte, daran zu denken. Das Gelächter der Offiziere brachte ihn noch mehr aus der Fassung. Er stand vor Bagration mit zitterndem Unterkiefer da und brachte kaum die Worte heraus:

      »Ich weiß nicht ... Euer Durchlaucht ... es waren keine Leute da, Euer Durchlaucht.«

      »Dann hätten Sie welche aus der Bedeckungsmannschaft nehmen können.«

      Daß keine Bedeckungsmannschaft dagewesen war, das sagte Tuschin nicht, obgleich es die reine Wahrheit war. Er scheute sich, dadurch einem andern, einem Vorgesetzten, die Schuld zuzuschieben, und blickte schweigend mit starren