Charlotte Maus

Kryptonit


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      Kapitel 1

      Als ich aufwachte schien die Sonne in den verschiedensten Tönen durch die Vorhänge unseres Zimmers. Ich schaute neben mich. Da war sie, meine Pia. Meine Liebe, mein Glück. Meine Freundin. Sie drehte sich in meinen Armen und schmatzte ein wenig. Zufrieden schloss ich noch einmal die Augen und schmiegte mich an sie. Ich glaube, das war die glücklichste Zeit, die wir zusammen hatten. Wir waren jung und einfach verliebt. Wir brauchten nur uns. Pia und Toby. Das war das Wichtigste auf der Welt für uns.

      Ich musste wieder weg genickt sein, denn als ich wieder zu mir kam, war Pia über mich gebeugt und kitzelte mich mit ihren blonden Haaren im Gesicht. Ich schnaubte und drehte erschrocken meinen Kopf weg. Pia legte sich auf meine Brust und streichelte meine Hüfte.

      „Morgen, Obielein.“ sagte sie sanft.

      Ich küsste ihren Kopf und streichelte ihren nackten Rücken. Diese Morgen mit ihr waren einfach vollkommen. Es gab nur uns und unsere Berührungen. Wir redeten an manchen Tagen bis in den Mittag hinein. Und an manchen Tagen sprachen wir kein einziges Wort.

      „Ich geh mal ins Bad.“ sagte sie mit einem Lächeln und küsste mich.

      Dann stand sie auf und schwang sich aus dem Bett. Ich hielt ihre Hand fest und wollte sie nicht gehen lassen. Sie gab nach und fiel wieder aufs Bett. Wir lächelten uns verschmitzt an. Wir küssten uns noch einmal innig und ich hielt sie dicht an mich gepresst, bis sie sich schließlich aus meiner Umarmung wand und erneut zum Gehen ansetzte. Sie hatte schon beide Füße auf den Boden gesetzt.

      „Geh nicht.“ bettelte ich mit herunter gezogenen Mundwinkeln. „Sieh nur all dieser Platz neben mir. Wie soll ich den nur füllen ohne dich?“

      „Ach, Obie…“ sagte sie grinsend und gab mir noch einen Kuss, bevor sie sich entschlossen aus meiner Umklammerung löste.

      Pia war die einzige Person, die mich Obie nannte. Es war ein ziemlich dummer Witz zwischen uns. In einer Liste wurde mein Anfangsbuchstabe vergessen und aus Toby wurde Oby. Es war wirklich nicht sehr lustig, aber so ein bisschen war das unsere Kennenlerngeschichte. Sie stand in der Uni vor der Liste und diskutierte mit einer Freundin darüber, wer seinen Sohn wohl Oby nennt.

      „Vielleicht ein leidenschaftlicher Handwerker! Oder, oh! Vielleicht ist es sogar der Baumarktgründer selbst…“

      Ich stand damals daneben und fragte mich, wer sich solche flachen Witze ausdenkt und sie auch noch laut ausspricht. Dann sah ich Pia. Ich stand mit verschränkten Armen neben ihr und nickte still lächelnd vor mich hin.

      „Das heißt Toby. Die haben einen Buchstaben vergessen.“ sagte ich trocken.

      „Oh. Stimmt, das könnte sein.“ gestand sie peinlich berührt.

      „Ich bin übrigens Toby. Hi. Und meine Nummer steht ja auf der Liste… Direkt neben dem Wort Oby.“ zwinkerte ich ihr zu.

      Pia sah mich beeindruckt an und machte vielsagend mit ihrem Handy ein Foto der Liste mit dem frechsten Grinsen, das ich kenne. Einen Tag später trafen wir uns auf ein Kölsch und zwei Tage später waren wir bereits ein Paar.

      In unserer hellhörigen Wohnung hörte ich, wie Pia auf dem Weg ins Bad Sascha traf, der gerade nach oben kam. Sie unterhielten sich und lachten miteinander. In unserer WG war eigentlich immer reges Treiben. Wir waren sechs Leute in der Wohnung und man war nie alleine zu Hause. Obwohl immer jemand Uni oder Arbeit hatte, konnte man zu jeder Tageszeit jemanden im Wohnzimmer, der Küche oder auf dem Balkon antreffen. Ich liebte es, jederzeit ein spontanes Gespräch führen zu können oder auf die nächste Party eingeladen zu werden. Nicht selten fand diese direkt in unserem Wohnzimmer statt. Trotz meiner gelegentlichen ‚Verkopftheit‘ war ich meistens ziemlich spontan und lebte in den Tag, in den Abend, in die Woche hinein. Das Studentenleben war der Höhepunkt meines Lebens. Ich tat den ganzen Tag etwas, was ich liebte. Ich studierte ‚Film und Fernsehen‘ in Köln und arbeitete nebenbei für Filmprojekte an der Uni. Dort war ich vor allem für das Zeichnen von Storyboards zuständig, was ich noch mehr liebte als alle anderen Themen rund um den Film. Ich hatte wahnsinnig viel Freizeit und konnte mir meine Zeit frei einteilen. Die meisten meiner Vorlesungen waren erst nachmittags, so dass ich entweder lange schlafen oder vor der Uni arbeiten konnte. Oder bis mittags mit Pia im Bett liegen. Die Variante, für die ich mich meistens entschied. Kurzum: mein Leben war einfach perfekt. Ich hatte die beste Frau der Welt an meiner Seite und lebte in der schönsten Stadt Deutschlands. Ich studierte und arbeitete etwas, was mir Spaß machte und hatte die besten Freunde an meiner Seite. Ich dachte nicht, dass sich das jemals ändern würde. Aber in den folgenden Wochen wurde ich eines Besseren belehrt.

      Ich hörte das Rauschen der Dusche und döste noch etwas vor mich hin, bevor ich mich auf das Fensterbrett setzte und meine erste Kippe ansteckte. Ich schaute hinaus auf die Straße und beobachtete die Leute, die vorbei gingen. Sie liefen geschäftig zum Supermarkt oder telefonierten beim Gehen. Einige waren auch mit Freunden oder ihrem Partner unterwegs und lachten oder unterhielten sich. Ich hatte es mir zum Hobby gemacht, Menschen zu beobachten. Ich betrachtete ihre Körperhaltung, ihre Mimik, ihre Art zu gehen. Ich malte mir Charaktere zu den Personen aus, die ich beobachtete. Manchmal machte ich mir sogar eine Skizze, wenn ich einen interessanten Gesichtsausdruck oder Gang bemerkte. Während ich am Fenster saß und in meine Studien vertieft war, kam Pia aus dem Bad. Sie hatte nasse Haare und nur ein Handtuch um ihren Körper geknotet. Sie stellte sich neben mich und lehnte sich an mich an.

      „Na, Studien?“ fragte sie wissend.

      Ich grinste sanft und löste die Stelle, an der ihr Handtuch festgesteckt war. Es fiel schwer zu Boden und Pia war nackt. Sie schaute sich erschrocken um, weil die Türe noch offen stand, aber ich zog sie trotzdem an mich und fing an, sie zu berühren. Sie drückte ihren Körper an mich und wir küssten uns innig, während wir rüber zum Bett wanderten. Auf dem Weg dahin schloss ich mit dem Fuß die Tür und wir fielen auf unser Bett. Wir gaben uns dem Anderen hin und bemerkten nicht, dass wir wohl etwas zu eindeutige Laute von uns gaben.

      „Nehmt euch ein Zimmer!“ tönte eine Stimme ironisch, die an unserer Tür vorbei kam.

      „Erledigt.“ rief Pia zurück und ich konnte ein leises Lachen hören.

      Es klang nach Raffi, der eigentlich sowas wie „Ihr seid so süß. Macht ruhig weiter. Jeder hier kann jeden Ton von euch hören.“ als diskreten Hinweis geben wollte. Wir fuhren also die Lautstärke etwas zurück und beschlossen dann aufzustehen.

      Raffi war ein besonderer Mensch für mich. Er kannte Pia schon vor mir und hat uns so etwas wie den letzten Stups gegeben, damit wir zusammen gekommen sind. Er war unser engster gemeinsamer Freund und derjenige mit dem ich alles über Pia teilte. Und vermutlich teilte sie auch alles über mich mit ihm. Er kannte uns und unsere Beziehung jedenfalls wie kein anderer und war so etwas wie unser größter Supporter. Wir liebten ihn beide. Er war der beste Mensch der Welt.

      Ich erledigte meine Morgentoilette und fand Pia mit einigen unserer Mitbewohner in der Küche, wie sie das Frühstück vorbereiteten. Ich küsste sie nochmal und wünschte allen einen guten Morgen, als ich dazu kam. Raffi, Pia und ich wollten nach dem Frühstück in die Stadt gehen und ein paar letzte Besorgungen für unseren ersten WG-Urlaub machen. Morgen früh sollte es los gehen und wir waren mehr als gespannt, was auf uns zukommen würde. Nach dem Frühstück machten wir uns auf den Weg zur Bahn um in die Stadt zu fahren. Wir freuten uns alle schon sehr auf den Urlaub, weil es für uns alle eine neue Erfahrung war. Die erste Herausforderung war mit einer so verhältnismäßig großen Gruppe weg zu fahren. Würden wir überhaupt als Einheit den Urlaub verbringen oder würde es Grüppchen geben, wie sonst auch wenn wir zusammen unterwegs waren? Der zweite Punkt war die Art des Urlaubs. Wir hatten eine Gruppenreise nach Südfrankreich ins ‚Abenteuercamp‘ gebucht. Was das bedeutete, sollten wir erst richtig heraus finden, als wir da waren. Außer Alex und Sascha war keiner von uns besonders sportlich veranlagt oder in sonst einer Form ‚abenteuerlustig‘, was uns natürlich im so genannten Abenteuercamp etwas in die Quere kommen könnte. Wir hatten uns jedenfalls darauf eingelassen und freuten uns trotzdem total auf die zwei Wochen in der Sonne. Ich dachte an gemeinsame Nächte mit Pia unterm Sternenhimmel oder im Zelt. Wie wir zusammen eine Wanderung meisterten oder einfach im See badeten. Ich war der festen Überzeugung, dass uns dieser Urlaub noch mehr verbinden