Charlotte Maus

Kryptonit


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miteinander.

      „Hey, hörst du zu?“ wurde ich aus meinen Gedanken gerissen

      „Hm? Habt ihr mit mir geredet?“

      „Wir haben für alle Anwesenden geredet. Auch für dich, du Träumer.“

      „Sorry, hab nicht zugehört.“ gestand ich.

      „Also dann bis später, ihr Zwei.“ Pia stand auf und nahm ihre Tasche.

      „Wo gehst du hin?“

      „Ich hab doch gesagt, dass ich gleich noch zur Vorlesung muss.“

      „Echt? Okay, dann bis später.“

      Wir küssten uns und Pia verschwand.

      „Also können wir los?“ fragte Raffi und stand ebenfalls auf.

      „Wohin?“ fragte ich verwirrt.

      „Toby, Toby, heute ist nicht dein Tag, was?! Wir gehen noch Reiseproviant kaufen. Du solltest mal zuhören.“

      Raffi ging zur Theke und bezahlte unsere Getränke bei der hübschen Kellnerin. Die setzte noch zum letzten Versuch an, einen bleibenden Eindruck bei Raffi zu hinterlassen.

      „Dann viel Spaß im Urlaub, mein Lieber! Und wenn du wieder da bist, kannst du dich ja mal melden. Ich habe immer frisch gekühlte Ginger Ale zu Hause.“

      Wow Raffi, einfach Wow!

      Kapitel 2

      Abends saßen wir noch alle zusammen und planten unsere Reise. Sarah war immer noch nicht angetan von der Idee campen zu fahren, aber auf irgendwas mussten wir uns ja einigen. Sarah war eher der All-Inclusive-Türkei-den-ganzen-Tag-am-Pool-liegen-Typ, was uns allen einfach nicht zusagte. So war Sarah schon immer gewesen. Wir kannten uns noch aus Schulzeiten und sie hatte mir auch den Tipp gegeben, dass bei ihr ein WG-Zimmer frei war. Wir waren sehr unterschiedlich und nicht gerade auf der gleichen Wellenlänge, aber als Mitbewohner kamen wir gut klar. Bei Pia und Sarah sah das allerdings anders aus. Sie gerieten ständig aneinander und führten einen Kleinkrieg nach dem Anderen. Was es genau war zwischen den beiden wusste keiner von uns. Sie provozierten sich einfach ständig und stritten dann oft lautstark. Wir Mitbewohner hatten oft versucht, etwas dagegen zu unternehmen und sind kläglich gescheitert. Wir hatten Unternehmungen geplant, bei denen wir hofften, dass sich die beiden besser kennen lernen und endlich warm miteinander wurden. Aber sie mieden sich oder zickten sich bei jeder Gelegenheit an. Wir waren im Escape Room und haben uns erhofft, dass Teambuilding die beiden zusammen bringen könnte. Aber am Ende gab es Streit darüber, wer den Hinweis übersehen hat. Auch in diesen Urlaub setzten wir wieder große Hoffnungen, dass die beiden sich annähern. Vielleicht würde ja irgendwann ein Wunder geschehen.

      Unsere dritte Frau im Bunde war Alex. Sie war das genaue Gegenteil von Sarah und beschäftigte sich bei der Urlaubsplanung eingängig mit der Preisliste für die Extremsportarten. Sie hatte sich fest vorgenommen, ihren Adrenalinspiegel auf ein neues Level zu heben. Ich für meinen Teil wollte lieber weiterleben und würde mich mit etwas Kanufahren und Wandern begnügen. Alexandra war schwarzhaarig, sehr sportlich und hatte einen top Körper. Sie gehörte zu den Frauen, die nach einem Tag an der Sonne knackig braun waren und obwohl sie absolut natürlich war, immer gefragt wurde, ob sie etwas hatte machen lassen. „Nein, alles selbst gemacht.“ war stets ihre Antwort. Alex war eine der coolsten Frauen, die ich kannte und wir kamen super klar. Sie war immer dabei, wenn es was zu feiern gab und ich mochte ihre lebensfrohe und selbstbewusste Art.

      Am nächsten Morgen stieg mein Stresspegel schon vor dem Aufstehen in unerwartete Höhen. Es war sechs Uhr und Raffi brüllte die ganze Zeit durch den Flur. Pia war schon aufgestanden und rannte von einem Raum zum anderen. Ich wollte einfach nur noch zehn Minuten schlafen. Aber ständig kam jemand ins Zimmer und kommentierte „Der alte Sack schläft ja noch.“ „Toby, Aufstehen! Wir fahren ohne dich.“

      Endlich kam Pia an mein Bett und versuchte auf sanfte Weise mich da raus zu kriegen. Sie streichelte meinen Arm und bat mich aufzustehen, damit wir alles fertig packen konnten. Einen Kaffee hatte sie auch noch im Gepäck, also ließ ich mich überreden. Ich stellte mich mit Kaffee und Kippe in Boxershorts auf den Balkon und fühlte mich bereit, den Tag zu beginnen. Ich zog mir etwas über und nahm am spärlich besetzten Frühstückstisch Platz. Sarah, Pia und ich saßen zusammen und aßen schweigend unsere Brötchen. Diese gefährliche Mischung ging auch leider nicht lange gut.

      „Ich würde gerne direkt nach dem Frühstück los fahren, damit wir noch ein bisschen Puffer haben, falls wir in den Berufsverkehr kommen.“ sagte Sarah nüchtern.

      „Äh, dann musst du alleine fahren. Wir sind noch nicht fertig mit Packen.“ holte Pia zum Gegenschlag aus.

      Ich hatte schon jetzt den Wunsch mir einfach die Ohren zu zu halten und laut mit Singen anzufangen, aber es war bereits zu spät.

      „Du rennst doch schon seit einer Stunde durch die Wohnung. Was musst du denn noch packen?“

      „Obie ist grad erst aufgestanden. Wenn er im Bad war können wir erst unser Waschzeug zusammen packen. Ist doch logisch.“

      „Immer schiebst du Toby vor, wenn du deine eigenen Defizite nicht eingestehen willst.“

      Pia platzte gleich der Kragen. Ihre Mundwinkel kräuselten sich und ich konnte sehen, dass sie kurz davor war, auszurasten. Pia konnte sehr temperamentvoll werden, wenn sie sich angegriffen fühlte. Sarah wusste das und provozierte sie gerne. Pia stützte sich mit beiden Händen auf den Tisch und stand mit einem Satz von ihrem Stuhl auf. Sie hatte bereits ihren Mund geöffnet und wollte loslegen. Ich legte eine Hand auf ihren Arm und redete ihr gut zu.

      „Pia, lass gut sein. Ich beeil mich einfach mit Packen.“ versuchte ich sie zu beruhigen. Sie atmete tief durch und verließ den Frühstückstisch. Sarah grinste selbstzufrieden vor sich hin. Ich sah sie kopfschüttelnd an. Warum musste sie es immer darauf anlegen, einen Streit anzufangen? Ihr Grinsen verflog und sie schaute etwas schuldbewusst in meine Augen.

      Auch ich stand auf und kramte meine letzten Sachen zusammen. Nachdem auch wir fertig waren, setzte sich Pia wieder zurück an den Tisch und aß ihr angefangenes Brötchen zu Ende. Raffi schlenderte summend in die Küche und hielt einen Zettel in der Hand. Er ging langsam, aber leichten Schrittes zum Frühstückstisch und hielt direkt hinter Pia und Sarah. Er legte, immer noch summend, den Zettel genau zwischen die beiden, daneben einen Stift, ging bedeutungsschwer zwei Schritte rückwärts und wartete ab.

      „Hm? Vertrag? Was ist das, Raffi?“

      Pia nahm den Zettel in die Hand und las laut vor.

      „Versichere ich, dass ich keinerlei Streitigkeiten mit meiner Mitbewohnerin anfangen werde. Ich werde aktiv dazu beitragen, dass unsere Wohngemeinschaft einen entspannten und reibungsfreien… Reibungsfrei, Raffi? Im Ernst?“

      Er zuckte nur mit den Schultern und gab Pia zu verstehen, dass sie fortfahren sollte.

      „Reibungsfreien Urlaub genießen können. Provokationen werde ich unterlassen oder gegebenenfalls ignorieren. Blablabla. Du hast sie ja nicht alle. Das unterschreib ich nicht.“

      Pia warf den Zettel wieder auf den Tisch und verschränkte die Arme vor der Brust. Ich hielt mir den Mund zu, weil ich kichern musste. Sarahs Miene hatte sich völlig verdunkelt. Sie sah Raffi genervt an. Dann nahm sie den Zettel, las ihn durch ohne ein einziges mal aufzuschauen oder einen Ton zu sagen. Schließlich schlug sie die Beine übereinander, nahm den Stift und unterschrieb. Sie schaute Pia vielsagend an, stand auf und ging.

      Die meisten von uns beobachteten die Szene mit offenem Mund oder sahen Sarah beeindruckt an. Als sie aus dem Raum war, fielen unsere Blicke auf Pia. Sie hatte das ganze aus dem Augenwinkel betrachtet und mimte immer noch die beleidigte Leberwurst.

      „Pia?“ sprach Raffi sie direkt an. Sie druckste. „Würdest du bitte auch unterschreiben?“

      Pia reagierte kaum.

      „Komm schon, Süße. Stell dich nicht so an und unterschreib. Es ist ein Friedensangebot von Sarah, dass sie unterschrieben