Charlotte Maus

Kryptonit


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ist nur ein Waffenstillstand!“ lenkte sie ein und unterschrieb ebenfalls.

      Ein sanfter Applaus ging durch die Küche und ich lächelte Pia aufmunternd an. Ich wusste, dass es sie abfuckte, sich darauf einlassen zu müssen. Aber die Vorstellung einen ruhigen Urlaub ohne Diskussionen zwischen Pia und Sarah zu verbringen, war wirklich zu reizvoll. Ich legte einen Arm um Pia, als sie aufstand und streichelte ihre Schulter. Raffi grinste sie selbstzufrieden an.

      „Geniale Idee, Alter!“ flüsterte ich ihm zu.

      „Wozu bin ich Sozialpädagoge, wenn ich die Kinder in meinem eigenen Haus nicht geregelt kriege.“ antwortete er schmunzelnd. Pia schaute immer noch leicht bedröppelt, sagte aber nichts mehr dazu.

      „Können wir jetzt endlich los?“ fragte Sarah genervt, die angezogen und mit Reisetaschen in der Hand im Flur stand.

      Raffi sah hektisch auf die Uhr.

      „Fuck! Schon sieben Uhr! Okay, alle anziehen und Taschen in die Autos laden! Naviziel steht auf dem Zettel. Wir sehen uns am Parkplatz!“

      Feldwebel Raffi war wieder voll in seinem Element und koordinierte und befehligte seine WG-Armee. Wir luden unser Gepäck in Pias gelben Beetle. Sascha fuhr mit mir und Pia und nahm auf der Rückbank Platz. Pia steckte ihr Handy an und drehte die Musik voll auf. Es lief „She Will Be Loved“ von Maroon 5. Ich war zu müde, um mich zu wehren. Sascha gab nur ein resigniertes Stöhnen von sich und steckte sich Kopfhörer in die Ohren. Pia sang bereits laut mit, bevor wir losgefahren waren. Nachdem Raffis Golf 4 endlich angesprungen war, fuhren wir los. Ich versuchte noch einige Minuten die Augen zu schließen, aber bereits an der ersten Kreuzung merkte ich, dass schlafen chancenlos war, wenn man in einem Auto sitzt, dass von einer völlig Verrückten gelenkt wird. Pia hatte wirklich einen äußerst turbulenten Fahrstil. Vollgas an jeder Ampel, in letzter Sekunde noch die Ausfahrt nehmen und von den Überholmanövern will und kann ich gar nicht gar nicht erst sprechen. Mit weit aufgerissenen Augen hielt ich mich am „Angstgriff“ fest und lauschte Pias Gesang. Es war herausfordernd, aber auch aufregend. So wie vieles mit Pia. Ich genoss vielleicht nicht die Fahrt, aber wenn wir angekommen waren, fühlte ich mich lebendiger als vorher. Für dieses Gefühl liebte ich sie letztlich. Sascha hatte die ganze Fahrt gleichgültig Musik gehört und war gänzlich unbeeindruckt von diesem Nahtod-Erlebnis. Wir parkten die Autos auf dem Park & Ride Parkplatz, auf dem uns auch der Bus abholen sollte. Pia und ich setzten uns auf unsere Reisetaschen und kuschelten uns aneinander. Ich hielt sie fest in meinem Arm und freute mich so sehr auf die kommende Zeit. Wir steckten uns jeder eine Zigarette an und verschwanden im Nebel. Es war noch frisch am Morgen und ich genoss die Wärme unserer Umarmung.

      „Ich hab dich lieb.“ flüsterte sie mir zu.

      „Ich dich auch.“ antwortete ich und ärgerte mich auch ein bisschen darüber, dass es wieder kein „Ich liebe dich“ gewesen war. Ich wartete darauf schon seit Monaten und fragte mich langsam, ob sie sich nur nicht traute es zu sagen oder es vielleicht auch nicht fühlte. Ich war definitiv an dem Punkt, an dem ich wusste, dass ich sie liebte. Ich wäre sogar soweit gegangen, zu sagen, dass ich mein Leben mit ihr verbringen will. Seit ich Pia kannte, hatte ich nicht mehr an irgend eine andere Frau gedacht und ich hatte das Gefühl, sie mittlerweile gut genug zu kennen, um einschätzen zu können, dass sie DIE Frau für mich war. Ich liebte alles an ihr. Sie war so besonders für mich. Aber so wie es aussah, war sie sich mit mir noch nicht so sicher. Es verletzte mich zwar, aber ich wollte ihr auch die Zeit geben, selbst an den Punkt zu kommen, an dem ich war. Wo ist bis dahin schon der Unterschied zwischen lieb haben und lieben?

      Es dauerte noch eine ganze Stunde bis der Bus endlich kam. Nach und nach fanden sich immer mehr Mitreisende auf dem Parkplatz ein und es war spannend zu sehen, wer uns begleiten würde. Es waren viele Paare, aber auch Gruppen von Freundinnen oder gemischten Freundeskreisen. Nur zwei Jungs waren alleine unterwegs. Mit sechs Personen waren wir auf jeden Fall die größte Gruppe. Die WG unterhielt sich noch angeregt und mittlerweile hatten alle auf ihren Reisetaschen Platz genommen und wir saßen einträchtig im Kreis auf dem Boden. Wir waren voller Vorfreude und Neugier was uns erwarten würde.

      Dann ging ein Raunen durch die Gruppen, als der Bus auf unseren Parkplatz abbog. Wir luden das Gepäck ein und besetzten unsere Plätze. Pia war genauso aufgeregt wie ich. Ich konnte spüren, wie ihr Herz schlug, als wir endlich auf unseren Plätzen saßen und der Motor gestartet wurde. Sie sah strahlend aus dem Fenster und funkelte mich an.

      Wir waren unterwegs nach Südfrankreich.

      Kapitel 3

      Im Bus saßen bereits einige Fahrgäste, die der Bus auf dem Weg durch Deutschland abgeholt hatte, aus Hamburg, Berlin, Hannover. Trotzdem hatten wir uns gute Plätze gesichert und uns bequem eingerichtet. Nun trennten uns noch zwanzig Stunden von unserem Ziel. Wir unterhielten uns angeregt und lachten die ganze Zeit über irgendwelche Sachen, die wahrscheinlich außer uns niemand lustig gefunden hätte. Wir hatten uns über die WG-Zeit so einige Insider angeeignet. Der Rest des Busses sah uns teilweise finster an, weil wir so laut waren. Ich hatte schon Bauchschmerzen vom vielen Lachen.

      „Und wisst ihr noch, der Abend als unsere Party von der Polizei aufgelöst wurde?“ erinnerte sich Sascha. „Wir hatten mehr als hundert Gäste im Wohnzimmer und irgendeiner hat immer wieder die Musik aufgedreht. Ich weiß nicht wie oft die Polizei kommen musste.“

      „Ey, die haben unsere Wohnungstür ausgehebelt, weil wir nicht mehr aufgemacht haben, Leute! Das war nicht gerade die Glanzstunde unserer WG.“ ergänzte Raffi leicht beschämt.

      „Aber der Abend war legendär, das musst du zugeben! Immerhin reden wir und alle die da waren heute noch davon. Ich finde, jede Unannehmlichkeit hat sich dafür gelohnt.“ verteidigte Alex unsere sagenumwobene Party.

      „Ich wäre sooo gerne dabei gewesen.“ sagte Pia traurig, die noch nicht mit mir zusammen war, als die Party statt fand.

      „Ach, du hast nichts verpasst. Es war echt ein bisschen over the top.“ beruhigte ich sie.

      „Ha!“ Sarah lachte laut auf. „Das sagst du nur, weil du so voll warst, dass du schon nach dem ersten Polizeieinsatz in deinem Bett lagst und nichtmal mitbekommen hast, dass sie alle Gäste aus der Wohnung geholt haben.“

      Das stimmte leider. Ich hatte an dem Abend zu viel Schnaps getrunken und war völlig ausgeknockt. Auch für mich war die Party keine Glanzstunde. Ich schaute verlegen zu Boden und nickte schuldbewusst. Pia lag in meinem Arm und streichelte lächelnd mein Bein. So vergingen die ersten drei Stunden wie im Flug und wir hatten schon die erste Raststätte erreicht.

      Ich ging vor dem Bus auf und ab und rauchte. Nach einer Weile setzte ich mich auf den Bordstein und wartete auf Pia, die auf die Toilette gegangen war. Während ich dort saß, sah ich mir unsere Mitreisenden an. Es war eine ausgeglichene Mischung aus Frauen und Männern und einigen konnte man ansehen, dass sie sich gerade erst im Bus kennen gelernt hatten und alleine reisten. Viele lächelten mich freundlich an, während ich da saß und eigentlich wirkten die Meisten sehr nett. Da wir im Bus ja nicht gerade durch Zurückhaltung aufgefallen waren, waren natürlich auch einige abschätzige Blicke dabei, die ich aber an mir abprallen ließ. Spießer gibt es immer. Raffi kam mit einem blonden Typen auf mich zu, der mich auffallend freundlich anlächelte. Sie unterhielten sich und er nickte interessiert.

      „Das ist Toby, einer meiner Mitbewohner.“

      Der Unbekannte streckte mit die Hand entgegen und ich stand auf, um ihn auch zu begrüßen. Statt meine Hand zu nehmen, legte er seine auf meine Schulter. Ich war überrascht und schaute wohl auch leicht verwirrt.

      „Hi, Toby! Ich bin Christoph. Rafael hat mir gerade ein bisschen von eurer WG erzählt.“

      „Raffi!“ unterbrach er ihn. „Ich bin Raffi. Rafael sagt nur meine Oma. Und Toby, wenn ich was verbockt habe.“

      „Sorry! Ich bin eigentlich auch nur Chris. Ich komme aus Berlin. Ihr seid in Köln zugestiegen. Wohnt ihr auch da?“

      „Ja.“ sagten wir beide im Chor.

      „Bist du allein unterwegs?“ fragte ich ihn.