George William Warren

Bei Erwachen Mord


Скачать книгу

schien etwas verflogen zu sein. „Du siehst ziemlich müde und abgespannt aus, alter Junge. Vielleicht ist Monika doch etwas zu jung für dich?“

      Rolf grinste zurück. „Das gleiche Kompliment hat mir Monika heute Morgen auch schon serviert. Es liegt zwar schon an den Nächten, aber nicht an Monika.“

      Die beiden traten in das Innere. Die Büros waren genauso spartanisch gestaltet wie das Äußere des Gebäudes. Die schmucklosen Räume waren nur durch gläserne Wände getrennt. Rolf konnte sehen, wie ihre Sekretärin Susan Harlow eifrig in ihren Telefonhörer sprach. Wie er Susan kannte, ging es wahrscheinlich weniger um etwas Geschäftliches als um ihre nächste Verabredung. John ging in ihr Büro und kam nach einigen Minuten mit einer Tasse Kaffee und Rolfs Skizzen zurück.

      „Zunächst einmal der Kaffee, damit du überhaupt wach wirst, und hier – dein Meisterwerk.“ John drückte ihm die Pläne in die Hand, die dieser in eine große, lederne Mappe stopfte. Dann setzte sich Rolf auf den blauen Nierentisch neben dem Eingang und nippte an dem Kaffee.

      Er starrte auf die blitzenden Schuhe seines Geschäftspartners. „Geht es dir auch manchmal so, dass du in den Spiegel schaust und das Gefühl hast, dass die Person, die zurückblickt, nicht du selbst bist? Seit einiger Zeit kenne ich mich selbst nicht mehr …“

      John trat ungeduldig von einem Bein aufs andere. „Höre auf zu philosophieren und setz dich in deinen Wagen. Du hast noch etwas über drei Stunden bis zu deinem Termin.“

      Rolf sah ihn deprimiert an.

      Sein Partner klopfte ihm auf die Schulter. „Wenn du etwas auf dem Herzen hast, reden wir am Samstagnachmittag bei meiner Gartenparty darüber. Es kommen auch die Rogers und meine Schwester mit ihrem Mann. Meine Frau kann sich um Monika kümmern, und wir haben Zeit, uns einige Augenblicke auszuklinken. Dann kannst du mir ja erzählen, wo der Schuh drückt.“

      Rolf nickte und stand auf. Dann stieg er widerwillig die eiserne Treppe zu seinem dunkelblauen Chevrolet hinunter und legte die Mappe mit den Plänen in den Kofferraum. Er hatte 220 Meilen vor sich und würde es wohl kaum pünktlich zu seinem Termin schaffen. Er zündete sich eine Zigarette an und drückte auf das Gaspedal.

      3

      Diana Cleverly war eine dieser kleinen Filmstars, die nur in Nebenrollen auftreten. Rolfs Schätzung nach konnten ihre Auftritte ihr nicht mehr als ein paar hundert Dollar pro Woche einbringen. Dennoch schien sie plötzlich zu Geld gekommen zu sein. Sie hatte sich am See Tahoe in Dollar Point eine imposante Villa aus den vierziger Jahren gekauft und sein Architektenbüro mit der Umgestaltung des Gebäudes beauftragt. Diana Cleverly hatte einen teuren Geschmack, denn ihre Ideen für die Neugestaltung des Anwesens bezifferten sich auf etwa hunderttausend Dollar. Der Vorschuss war pünktlich auf dem Konto des Büros eingegangen.

      Als Rolf mit einer Stunde Verspätung die von prächtigen Zedern umgebene Auffahrt zu ihrem Haus hochfuhr, sah er sie schon auf einem der Granitlöwen hocken, die die große Veranda einrahmten.

      Sie war eine hübsche Rothaarige von etwa dreißig Jahren, die jetzt ihre vollen Lippen zu einem Schmollmund verzog. „Wenn Sie Ihre Aufträge genauso pünktlich erledigen, wie Sie Ihre Termine einhalten, dann hätte ich lieber nebenan ein Studio gekauft“, sagte sie mit ihrer dunklen, samtigen Stimme. Sie deutete mit ihrer von Sommersprossen übersäten Hand auf einen Gebäudekomplex, der in etwa einem Kilometer Entfernung unten am See zu sehen war – der bekannte Accor Seniorenclub.

      Rolf trat näher. Das grelle Sonnenlicht ließ Cleverlys Haut noch weißer erscheinen. Auf ihrer Stirn und über ihrer Oberlippe hatten sich kleine Schweißperlen gebildet. Ein dunstiger Geruch umgab ihre weibliche Figur, die in scharfem Gegensatz zu ihrer Kleidung stand. Zu ihrem streng geschnittenen Kostüm trug sie ein blütenweißes Hemd und eine hellblaue Krawatte.

      „Sie wissen ja, wie der Verkehr die beste Planung …“

      Diana unterbrach ihn unwirsch. „Natürlich – der Staat Kalifornien hat gerade heute beschlossen, das gesamte Straßennetz zu erneuern – und Sie standen deswegen permanent in Verkehrstaus. Sparen Sie sich die Ausreden für Ihre Frau auf und kommen Sie aus der Sonne.“

      Sie traten in die kühle, weite Eingangshalle des Hauses, die durch die schweren Seidenvorhänge in ein grünliches Licht getaucht war. Der spanische Bewurf an den Wänden und die Säulen, die die Halle von dem Salon trennten, waren typisch für den Stil der vierziger Jahre.

      „Wollen Sie etwas essen? Der Catering-Service in Dollar Point hat mir eine kalte Platte hochgeschickt.“

      Rolf schüttelte den Kopf. „Danke nein, aber ich würde einen Whisky nicht ausschlagen.“ Er bot ihr eine Zigarette an.

      Sie reichte ihm ein Glas und wies ihm einen Sessel in der Eingangshalle zu. Dann nahm sie ihm die Mappe mit den Plänen aus der Hand und entfernte sich rauchend in den Salon.

      „Ich würde Ihnen die Skizzen gerne erklären“, rief Rolf ihr nach.

      Diana verzog spöttisch ihren hübschen Mund. „Nicht nötig, Baupläne sind wie Straßenkarten. Ich habe, wie Sie bemerkt haben, Augen im Kopf.“

      Und die hatte sie tatsächlich – mandelförmig und grün. Rolf musste unwillkürlich an eine Katze denken.

      Er saß wie ein Examenskandidat vor dem Raum, in dem eine Jury über seine Leistungen berät. Es war das erste Mal, dass ihn ein Kunde so abgefertigt hatte. Er wurde etwas nervös. Die Ideen, die er im letzten Monat auf dem Zeichentisch zu Papier gebracht hatte, überzeugten ihn selbst nicht so richtig. Er war weit entfernt von der Kreativität, die er in früheren Projekten an den Tag gelegt hatte. Wenn er sich nur von dem Druck freimachen könnte, der vor etwa zwei Monaten urplötzlich über ihn gekommen war und den er selbst nur schwer zu fassen bekam.

      Rolf stand auf und zog einen der flaschengrünen Vorhänge zur Seite. Er starrte durch die hohen, rechteckigen Fenster der Eingangshalle auf den See hinunter. Er konnte von Weitem einige Kinder im glitzernden Wasser plantschen sehen – wäre er doch nur genauso frei und unbeschwert.

      Cleverly kam nach zehn Minuten wieder aus dem Salon. Ohne Umschweife kam sie zur Sache. „Ihre Skizzen spiegeln meine Ideen ziemlich genau wider – aber mehr auch nicht.“

      Rolf räusperte sich. „Mehr auch nicht? War das nicht, was Sie von unserem Büro erwartet haben?“

      Sie schüttelte ungeduldig den Kopf. „Meine Ideen sollten nur ein Anhaltspunkt sein. Wo ist Ihre Kreativität? Wofür ist Ihr Architektenbüro so bekannt? Um Salon und Speisesaal zusammenzulegen, brauche ich keinen Stararchitekten. Dazu hätte der Maurer aus Dollar Point gereicht. Ich möchte, dass Sie die Natur und das Panorama mit in den Salon integrieren. Sie müssen das Ganze hier zum See hin öffnen. Es ist alles zu beengt und muffig.“ Cleverly machte eine weit ausholende Armbewegung in Richtung der Fenster im Salon. Ihre Stimme nahm einen aggressiven Ton an, und rote Flecken erschienen auf ihren Wangen. Ihre Augen hatten sich zu zwei Schlitzen verengt.

      Rolf hatte nicht mit dieser Reaktion gerechnet. Er fühlte sich wie der Teilnehmer einer Safari, der sich verlaufen hat und unversehens einer Löwin gegenübersteht. „Wenn wir die Räume auf der ersten Etage zusammenlegen, ergibt sich automatisch ein Panoramaeffekt, da wir durch eine große, einheitliche Fensterfront …“

      Cleverly unterbrach ihn wieder. „Es ist zu heiß, als dass ich Lust hätte, mich weiter mit Ihnen über diese mittelmäßigen Pläne zu streiten. Hunderttausend Dollar sind viel Geld – zumindest zu viel, um es für etwas auszugeben, das mich nicht überzeugt – ich bin nicht so wohlhabend, wie es vielleicht den Anschein hat. Kommen Sie mit etwas Neuem!“

      Rolf schaute auf ihren weißen Hals, der durch ihre Erregung leicht angeschwollen war. Es juckte ihn in den Händen, ihren Redeschwall durch einen schnellen Griff zu beenden. Aber er lächelte höflich. „Es tut mir leid, wenn diese Entwürfe Sie nicht überzeugt haben sollten. Ich werde Sie selbstverständlich überarbeiten.“

      Das Telefon läutete im Hintergrund. Sie gab ihm die Pläne mit einer resoluten Bewegung zurück.

      Bevor