George William Warren

Bei Erwachen Mord


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die Cleverly fragend, fast ängstlich anschauten, kontrastierten mit ihrer weißen Haut. Sie trug nur ein leichtes, beiges Baumwollkleid und war barfuß, obwohl es im Innern des Hauses ziemlich kühl war.

      „Ich wollte Sie nicht stören, Miss Cleverly, aber Herr … einer Ihrer Klienten hat gerade angerufen.“

      Rolf bemerkte ein leichtes Stottern. Das Mädchen sprach mit einem starken spanischen Akzent.

      Cleverlys Gesicht entspannte sich beim ihrem Anblick, und der Ausdruck der Härte verschwand aus ihren Augen. „Das ist Joanna, meine … Sekretärin. Lass uns bitte alleine, Joanna, ich bin hier gleich fertig – dann werde ich ihn zurückrufen.“

      Das Mädchen blieb unschlüssig stehen und verschwand erst, als Diana ihr nochmals freundlich zunickte.

      Dann wandte sie sich wieder Rolf zu. Ihr Blick wurde kalt. „Ich hoffe, dass Sie das nächste Mal etwas Originelleres mitbringen. Und beeilen Sie sich bitte. Ich möchte nicht noch Jahre in dieser Ruine zubringen. Können Sie in zwei Wochen etwas Neues vorlegen? Ich meine, etwas wirklich Neues …“

      Rolf nickte. „Unser Büro wird natürlich alles daransetzten, einen neuen Entwurf zu erarbeiten, der Sie zufriedenstellt. In zwei Wochen – nun, wir werden uns bemühen.“

      „Bemühen?“ Sie stampfte leicht mit dem Fuß auf. „Ich glaube, dass zwei Wochen eine wirklich großzügige Zeitplanung sind – wenn man bedenkt, dass Sie bereits einen Monat Zeit hatten, um das hier zu produzieren.“ Cleverly deutete auf die Pläne, die Rolf in seinen verschwitzten Händen hielt. Dann drehte sie sich grußlos um und ließ ihn in der Gesellschaft seiner zu Makulatur gewordenen Skizzen zurück.

      In der Luft lag noch ein Hauch ihres schweren Duftes.

      Als Rolf zu seinem Wagen lief, musste er über sich selbst lachen. War das wirklich er – der große Stararchitekt, dem die Eingebungen nur so zuflogen? Er musste sich eingestehen, dass Cleverly nicht ganz unrecht hatte. Man konnte seinen Entwurf im besten Fall konventionell nennen – dafür hätte er allenfalls im Grundstudium für Architektur eine passable Note eingeheimst.

      4

      John Baudassin brach in schallendes Gelächter aus. Die beiden Partner schlürften auf dem Balkon, der vor Rolfs Büro lag, ihren Whisky. Der Nachmittag neigte sich dem Ende zu, und Dunst legte sich langsam über den Pazifik. Rolf hatte den Ventilator aus seinem Büro vor die beiden Korbsessel gestellt, und das Summen des Geräts wirkte beruhigend auf seine Nerven.

      „Die hat dich ja heute ganz schön zusammengefaltet. Ein Glück, dass du diesen Auftrag an Land gezogen hast, sonst würdest du mir jetzt Vorwürfe machen. Na ja, irgendwo liegt sie nicht falsch – du scheinst nicht mehr ganz bei der Sache zu sein. Ich fand deine Pläne nicht schlecht, aber sie haben mich auch nicht vom Hocker gerissen … Der Bungalow, den du damals Olrik in San Clemente hingesetzt hast, das war was. Aber vielleicht sind wir wie Schriftsteller. Nach dem Bestseller kommt dann erst einmal eine lange Flaute.“

      Rolf schaute in Johns aufgedunsenes, verschwitztes Gesicht. Ein leichter Ekel überkam ihn. Er hatte seinen Partner eigentlich nie richtig gemocht. Es war eher ein Zufall gewesen, der die beiden geschäftlich zusammengeführt hatte. John war ein geschickter Organisator und verfügte über ein weites Netzwerk. Rolf war dagegen ein Einzelgänger und hatte am Anfang seiner Karriere Schwierigkeiten gehabt, seine wirklich originellen Ideen an den Mann zu bringen. Er war nie ein guter Verkäufer gewesen. Die beiden hatten sich auf einem Seminar über die Architektur der dreißiger Jahre kennengelernt und hatten sehr schnell das Potential des jeweils anderen erkannt.

      Rolf fühlte, dass sein Partner nicht unbedingt die Person war, vor der er gerne sein Seelenleben ausbreitete. Andererseits kannte er auch niemanden sonst, dem er sich anvertrauen konnte. Monika würde er sicher nicht mit seinen Psychosen belasten.

      Er holte aus seinem Arbeitszimmer eine Schachtel Cohibas und bot John eine an. Dann nahm er einen tiefen Schluck. Der Whisky rann warm und ölig seine Speiseröhre hinunter. „Ich schlafe seit mehreren Wochen sehr schlecht …“ Rolf suchte nach den passenden Worten.

      „Wenn meine Frau so aussähe wie Monika, würde ich auch nicht schlafen“, grinste sein Partner.

      Rolf verzog ärgerlich sein Gesicht. „Das meine ich nicht, John … Ich leide unter … Albträumen … seit etwa zwei Monaten.“

      Baudassin zuckte mit den Schultern. „Das passiert uns doch allen. Was meinst du, wie es mir ergeht, wenn ich dem Finanzamt unseren Jahresabschluss verkaufen muss?“

      „Diese Albträume wiederholen sich … mit Variationen. Sie sind sehr … beklemmend.“

      John sah seinen Geschäftspartner fragend an.

      Rolf fuhr fort. „Ich hatte immer ein sehr normales Verhältnis zu Frauen, ich meine …“

      John verzog spöttisch sein Gesicht „Normal? Sagen wir, du bist nicht unbedingt monogam. Du hast es nie sehr lange mit einer ausgehalten, und parallel lief auch immer etwas. Vielleicht nennt man das heutzutage normal …“

      „Ich wollte sagen, dass ich Frauen mag und ihre Gesellschaft immer gesucht habe …“

      „Ja, dass du ihre Gesellschaft gesucht hast, kann ich voll und ganz bestätigen – sogar während unserer Bürozeiten!“, unterbrach ihn John ironisch.

      Rolf fuhr mit der Hand durch seine Haare. Wie sollte er seinem spießigen Partner bloß erklären, was ihn bedrückte? „Im Klartext, ich habe mir nie etwas aus sadistischen Spielchen gemacht. Mein Sexualleben ist … normal. Ich kann noch nicht mal sagen, dass ich einen besonderen Fetischismus entwickelt hätte ...“

      John kaute auf seiner Zigarre und sah etwas verlegen auf den Kachelboden der Terrasse.

      Rolf stand auf. „Vielleicht sollten wir es dabei belassen … Du wirst mich eh nicht verstehen …“

      „Setz dich hin und spuck es aus!“

      Rolf ließ sich wieder in den Korbsessel fallen und fasste sich an die Stirn. Obwohl es kühler geworden war und der Ventilator einen angenehmen Luftzug erzeugte, rann ihm der Schweiß am Rücken herab. Der Himmel über dem Pazifik hatte jetzt eine lehmartige Färbung angenommen. Die Konturen der Klippen, die steil ins Meer fielen, verschwammen in dem bräunlich-gelben Licht, so als ob man sie durch ein volles Whiskyglas betrachten würde.

      „Ich habe zwei Frauen erwürgt – in diesen verdammten Träumen … Und das Schlimme ist, dass ich es genossen habe … ich meine, ich genieße es im Traum. Ich habe das Gefühl einer großen Genugtuung, als ob ich eine lang ausstehende Rechnung begleichen würde – ein Gefühl der Rache. Natürlich ist mir beim Erwachen übel – keine Spur mehr von dieser Genugtuung.“

      John wischte sich mit einem Taschentuch den Schweiß aus der Stirn und sah Rolf belustigt an. „Alter Junge, muss ich mir Sorgen machen? Vielleicht sollte ich Monika vor dir warnen? Tja, manchmal könnte ich meine Frau auch erwürgen, und das nicht nur im Traum – besonders, wenn sie fünfhundert Dollar beim Bridge verliert. Wer waren denn die Mädchen, mit denen du diese Gewaltorgien ausgelebt hast? Ich hoffe, sie waren wenigstens hübsch?“

      Rolf ging auf Johns ironischen Ton nicht ein. „Etwas anderes ist mir aufgefallen: Die Träume sind sehr real. Ich kann mich danach genau an Farben und Düfte erinnern, an die Frauen … an ihre weit aufgerissenen Augen. Wenn ich früher mal einen Traum hatte, wusste ich beim Aufwachen nur noch dunkel, worum es überhaupt gegangen war…wenn überhaupt. Jetzt ist alles sehr deutlich, als ob ich einfach von einem Raum in den anderen ginge, wenn ich wach werde. Und noch etwas Seltsames … die Mädchen in meinen Träumen haben unterschiedliche Kleidung, Frisuren, Körpergrößen – aber immer das gleiche Gesicht …“

      „Das gleiche Gesicht?“ Johns Stimme hatte den ironischen Ton jetzt endlich verloren. „Wessen Gesicht?“

      Rolf schüttelte den Kopf. „Ich weiß es nicht. Es ist das Gesicht einer Frau, die ich nie zuvor gesehen habe – jedenfalls nicht bewusst. Aber der Traum ist so deutlich,