George William Warren

Bei Erwachen Mord


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diesen in den Müllcontainer vor dem Haus. Nach einer heißen Dusche überkam ihn wieder ein starkes Schwindelgefühl, und er beschloss, sich doch wieder hinzulegen.

      9

      „Du Schlafmütze – raus aus den Federn! Jetzt wird es aber langsam Zeit!“

      Rolf schlug die Augen auf. Er war von einem goldenen Seidenvorhang umgeben, und von oben schauten ihn zwei blaue Opale an.

      Er ließ seine Finger durch Monikas Haare gleiten und zog ihr Gesicht zu sich herunter. Er schaute auf ihren lächelnden Mund und zeichnete mit seinem Zeigefinger die Konturen ihrer Lippen nach.

      Sie schreckte plötzlich hoch. „Was hast du mit deiner Stirn gemacht?“ Dann strich sie mit ihrer Hand über seine Brust. „Und dieser große blaue Fleck?“

      Rolf sah erst jetzt das Hämatom auf seiner Brust. „Ich bin heute Nacht die Treppe runtergefallen, als ich ohne Licht in die Küche wollte …“

      Die Erklärung erschien auch ihm selbst einleuchtend. Seine Kopfschmerzen hatten nachgelassen, und die Gedanken wurden wieder etwas klarer. Ganz gleich, ob er sich betrank oder Nembutal schluckte, oder beides gleichzeitig – er wurde diese Träume einfach nicht mehr los. Vielleicht war es wirklich gar keine so schlechte Idee, wenn er heute mit Johns Schwager sprach.

      „Du hättest dir was Ernsthaftes antun können! Nachts ohne Licht durchs Haus zu schleichen …“ Monika blickte ihn vorwurfsvoll an.

      Rolf sah auf. „Was meinst du? Ja natürlich, – du hast vollkommen recht, Spatz. Wieviel Uhr ist es eigentlich?“

      „Es ist Mittag. Als ich heute Morgen ankam, hast du gepennt wie ein Murmeltier. Ich wollte dich nicht wecken …“

      Rolf dehnte seinen schmerzenden Körper. „Wir müssen gegen vier bei John sein.“

      Monika lächelte und legte ein elegantes, blaues Cocktailkleid auf das Bett. „Schau mal, was du mir gestern geschenkt hast. Ich habe es bei Hillsdale gesehen und dachte mir, dass ich es sowohl für die Vernissage als auch für Johns Party tragen könnte. Du siehst – zwei Fliegen mit einer Klappe …“ Sie sah ihn schelmisch an. „Ein Glück, dass du mit einem so praktischen Mädchen lebst. Du sparst richtig Geld!“

      Er zog sie zu sich runter und küsste sie lange.

      Als sie hinuntergegangen war, griff Rolf zum Telefon. Hoffentlich konnte ihn sein Geschäftspartner über die Ereignisse der gestrigen Nacht aufklären.

      „Hallo John, war ja eine raue Sitzung gestern Nacht … Sag mal, wann haben wir eigentlich die Kurve gekratzt?“

      „Keine Ahnung, Rolf, wann du gegangen bist … Ich erinnere mich nur noch, dass du dich angeregt mit einer hübschen Brünetten unterhalten hast, als wir im Blue Parrot waren …“

      „Wir waren im Blue Parrot?“

      „Ja, erinnerst du dich etwa nicht daran? Unser Kunde wollte etwas vom Nachtleben San Franciscos sehen, und du hast diesen Club empfohlen …“

      „Um wieviel Uhr war das?“, fragte Rolf mit besorgter Stimme.

      „Etwa gegen zwei.“

      „Und danach?“, forschte er weiter.

      „Und danach – keine Ahnung. Du warst auf einmal weg. Wir dachten, dass du mit der Brünetten nach oben gegangen seist. Leidest Du etwa an Amnesie?“ John räusperte sich am anderen Ende der Leitung. „Ich bin dann so gegen vier nach Hause gekommen – das hat mir jedenfalls Vera erzählt. Und da mich Vera nicht abgemurkst hat, bin ich wahrscheinlich ohne Begleitung gekommen.“

      Rolf lächelte bitter. Vera wäre es wahrscheinlich auch egal gewesen, wenn John mit einer ganzen Armee von Blondinen zu Hause ankam – solange sein Geschäft lief und er ihre Spielschulden beglich.

      „Kannst du dich noch an das Aussehen des Mädchens erinnern? Irgendetwas, das dir aufgefallen ist?“, fragte er Baudassin.

      Rolf hörte ein Brummen am anderen Ende der Telefonleitung.

      „Tut mir leid Rolf, aber dafür war ich selbst zu angeheitert. Kannst du dich denn an gar nichts mehr erinnern? Ich meine, sie saß ja auf deinem Schoss, nicht auf meinem …“

      Rolf legte auf und ließ sich in die Kissen zurücksinken. Das Telefonat mit John hatte nicht gerade dazu beigetragen, ihn zu beruhigen – im Gegenteil. Wieder überkamen ihn Atemnot und panische Angst. Die Trennlinie zwischen Traum und Realität verschwamm immer mehr. Er hatte doch nur geträumt? Er befand sich in seinem Schlafzimmer. Monika rumorte unten in der Küche – es konnte nur ein Traum gewesen sein!

      10

      Beide hatten keine große Lust auf Johns Party und die Gäste, die sich wie üblich zum 4. Juli in seinem Garten einfanden. Aber John legte immer großen Wert auf das Ereignis, dass abends mit einem kleinen Feuerwerk endete. Einmal wäre John beinahe ein Feuerwerkskörper ins Gesicht geflogen – aber er hatte Glück und kam mit leichten Verbrennungen an seiner Wange davon.

      Die Rogers würden kommen – der einzige Lichtblick für Monika, die sich mit ihrer Freundin aus der High-School-Zeit austauschen konnte. Dann Johns Schwester und ihr Mann, Liam Villan. Er war der Interessanteste der ganzen Bande – die Gespräche mit ihm waren meistens ganz anregend. Liam war auf fast allen Gebieten bewandert, egal ob sich die Diskussionen um Medizin, Politik oder Wirtschaft drehten. Und er ließ die Unterhaltung nie eintönig und trocken werden, sondern mischte immer einen Witz oder eine Anekdote in das Gespräch. Ab und zu lud John auch einige Klienten und ihre Familien ein, um die Arbeitswoche auf den Feiertag auszudehnen.

      Als Monika und Rolf die Auffahrt zu Johns imposanter Villa mit Blumen und einer Flasche Bourbon hochliefen, schlugen ihnen schon die Klänge von Volare entgegen. Sie hatten eine Stunde Verspätung und waren wahrscheinlich die letzten Ankömmlinge.

      John öffnete ihnen gutgelaunt die Tür. Sein schlecht gebügeltes Hemd und seine grauen Popelinhosen hatten schon einige Flecken abbekommen, aber seine schwarz-weißen Oxfordschuhe waren tadellos poliert. Seine Frau Vera stand neben ihm. Sie war genauso rundlich wie er und verströmte Humor und Lebenslust. Obwohl ihre Figur nicht gerade dem klassischen Schönheitsbild entsprach, umgab sie eine starke Sinnlichkeit. Die meisten Männer, mit denen Vera in Berührung kam, konnten nicht genau sagen, was es war – aber sie hatte Erfolg.

      Es war ein offenes Geheimnis in Johns Bekanntenkreis, dass Vera nicht gerade die Treue erfunden hatte. Rolf konnte dies bestätigen. Bevor er Monika kennenlernte, hatten sich die beiden mehrmals in einer kleinen Fischerhütte am Strand von Half Moon Bay getroffen. Vera war wirklich ein Erlebnis, und Rolf hatte damals beinahe eine körperliche Abhängigkeit zu ihr entwickelt. Er wusste nicht, ob John von der Sache etwas mitbekommen hatte.

      „Rolf ist wie immer pünktlich. Na, alter Junge – ich hoffe, du bist gestern doch noch zu Hause angekommen?“, frotzelte John.

      Monika sah ihn von der Seite fragend an. Sie kannte die gemischten Gefühle, die ihr Freund seinem Partner gegenüber hegte, ohne dass ihr Rolf jemals einen wirklichen Grund dafür genannt hätte. „Was war denn gestern Abend, John? Wart Ihr beide unterwegs?“

      „Ja – Rolf und ich haben deine Abwesenheit schamlos ausgenutzt und an der Strandbar vor unserem Büro einen zur Brust genommen – vielleicht haben wir es etwas übertrieben.“

      Monika sah Rolf ärgerlich an. „Dann bist du also deshalb gestern Nacht die Küchentreppe runtergefallen! Kein Wunder … Du solltest dich wirklich etwas besser kontrollieren!“

      „Tja, Selbstkontrolle ist nicht unbedingt Rolfs Sache …“ John zwinkerte Rolf zu und servierte ihnen zwei Tom Collins an der Bar. Dann schob er die beiden in den parkähnlichen Garten zu den übrigen Gästen. Die Sonne hatte jetzt am Spätnachmittag an Kraft verloren und tauchte die Anwesenden in ein sanftes, goldenes Licht. Die Hitze war einer lauwarmen Brise