Benny Bohlen

Die Mädchen meiner Schule (Band 1)


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kann noch warten. Aber wenn ich mir vielleicht zuerst die Hände waschen dürfte? Ich hatte nämlich eine Reifenpanne.“

      „Na, so ein Pech. Kommen Sie, ich zeige Ihnen das Badezimmer.“

      Einige Minuten später saßen wir bei Kaffee und Kuchen. Ich genoss die gemütliche Atmosphäre, und fühlte mich vom ersten Augenblick an wohl. Fast eine Stunde lang hörte ich der Dame zu, aß Kuchen, trank Kaffee und nickte.

      Sehr bald kannte ich ihre ganze Lebensgeschichte. Als Kind eines Bauern hatte Claudia Bamhackl das Licht der Welt erblickt, vor siebenundsechzig Jahren. Sie sieht eigentlich viel jünger aus, dachte ich damals, sie hat so lebendige Augen und ein so fröhliches Lächeln. Mit achtzehn heiratete sie einen jungen Lehrer und zog mit ihm nach Traunstein. Sie schenkte ihm eine Tochter und war eine gute Ehefrau. Später ging die Tochter nach München und heiratete dort einen Rechtsanwalt. Ihr Mann war vor einigen Jahren gestorben. Seit dieser Zeit lebte sie allein, aber sie schien sich mit dem Leben gut auszukennen, war rüstig und trotz allem guter Dinge.

      Vor zwei Monaten hatte der Schuldirektor bei Claudia Bamhackl angefragt, ob sie nicht ein Zimmer an einen Lehrer aus München vermieten wolle.

      Und ob sie wollte!

      Wo sie doch so viel Platz hatte. Und so viel Zeit. Außerdem konnte sie viele gute Ratschläge geben.

      „Ich schwatze doch zu viel“, sagte sie lächelnd, nachdem sie geendet hatte.

      „Aber nein, ich höre Ihnen gern zu. Übrigens, Ihr Kuchen schmeckt ganz ausgezeichnet. Auch Ihr Kaffee ist so, wie ich ihn gern mag.“

      „Sie sind sehr liebenswürdig, junger Mann“, bemerkte sie geschmeichelt. „Möchten Sie jetzt Ihr Zimmer sehen?“

      „Ja, sehr gerne.“

      Gemeinsam gingen wir in den ersten Stock. Meine Hand strich dabei über das dunkel glänzende Eichenholz des Geländers, als ich die Stufen hinaufging. Ein dicker Velourteppich schluckte jedes Geräusch der Schritte. Oben blieb ich auf dem kleinen, blitzsauberen Vorplatz stehen. Claudia Bamhackl öffnete die Tür neben der Treppe.

      Ich blieb überrascht auf der Schwelle stehen. Der Raum übertraf alle meine Erwartungen. Er war sehr geräumig; zwei Fenster gaben angenehmes Licht. Die Abendsonne sandte die letzten goldenen Strahlen herein. Auf dem hellen Riemenfußboden lag ein dicker, bunter Teppich. Am linken Fenster stand ein großer Schreibtisch aus Eichenholz, dessen Platte mit grünem Filz bezogen war. Deckenhohe Wandregale boten viel Platz für Bücher. Gleich neben der Tür stand eine behagliche, braunbezogene Sitzgruppe, daneben eine Blumenbank mit bunten Herbstblumen in einer Tonschale. Über dem Sofa hing an der weißen Wand eine Reproduktion von Manet, eine bunte Wiesenlandschaft mit weiblichen Figuren im Hintergrund. Es war ein anheimelnder Raum.

      „Das ist doch sicher das Arbeitszimmer ihres Mannes gewesen“, erkundigte ich mich.

      Claudia Bamhackl nickte. „Es steht schon so lange leer. Da habe ich mir gedacht ... äh, gefällt es Ihnen?“

      „Und ob es mir gefällt!“

      „Na, sehen Sie! Gleich nebenan ist Ihr Schlafzimmer. Auf der anderen Seite des Flurs liegen Bad und Toilette.“

      „Es sieht alles wunderbar aus“, bedankte ich mich.

      „Also, ich lasse Sie jetzt allein. Sie wollen sicher Ihre Sachen aus dem Wagen holen und einräumen. Der Haustürschlüssel liegt auf dem Schreibtisch. Ich habe auch ein Klingelschild für Sie anfertigen lassen. Wäre es Ihnen recht, wenn ich unter Ihrem Namen »Dreimal läuten« draufschreibe? Dann wissen wir gleich, wer von uns beiden gemeint ist.“

      Ich nickte zustimmend. Mir gefiel es hier sehr gut. Als die Hausherrin zur Treppe ging, fragte ich: „Kann ich mein Auto vor dem Haus stehen lassen?“

      „Ach ja, natürlich. Sie können aber auch hinter das Haus fahren. Dort ist ein leeren Holzschuppen.“

      Sie lächelte und ging nach unten. Sie freute sich, dass mir offensichtlich alles gut gefiel. Dieser nette junge Mann war ihr als Mitbewohner sehr willkommen.

      Ich holte meine Koffer und richtete mich häuslich ein. Dann sprang ich schnell unter die Dusche und zog mir eine saubere Jeans an.

      Als nächstes sah ich mich in meinem neuen Schlafzimmer um. Auch hier lag ein bunter Teppich auf dem hellen Holzfußboden. Ein breites Bett nahm die eine Wand ein, gegenüber stand eine zierliche Kommode aus Kirschholz mit einem hübschen Spiegelaufsatz. Ein dazu passendes Nachtkästchen stand neben dem Bett mit einer Lampe, deren Schirm aus hellgelbem Leinen bestand, passend zu den Vorhängen am Fenster.

      Es wurde bereits Abend. Die Sonne war untergegangen, aber ich hatte gerade jetzt noch Lust auf einen kleinen Spaziergang. Ich lief die Treppe hinunter und ging mit elastischen Schritten durch den Hausflur und über den Steinplattenweg zur Straße.

      Als ich nach einer Stunde zurückkam, telefonierte ich kurz mit dem Schuldirektor. Wir vereinbarten für den nächsten Tag ein Treffen in der Schule, ein erstes Kennenlernen.

      Claudia Bamhackl kam aus der Küche und rief gutgelaunt: „Ich habe eine Kleinigkeit gekocht, nichts Besonderes, aber ich würde mich freuen, wenn Sie mir Gesellschaft leisten.“

      Ich hörte, wie mein Magen knurrte und antwortete: „Ja, danke, sehr freundlich von Ihnen.“

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