Andreas Nass

Vergnügen


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ich«, erklärte Luzius großzügig und lächelte, »das Gold gibt es natürlich erst bei der Rückkehr.«

      Aus seinem edlen Gewand zog Luzius drei gesiegelte Briefe und hielt sie mir hin. Ich nahm sie entgegen und wartete auf eine Erklärung.

      »Das sind Schatzbriefe im Wert von zwanzig, dreißig und fünfzigtausend Goldmünzen. Allerdings sind sie nur bei meinem Schatzmeister einzulösen, ein Stehlen daher nutzlos.« Er sprach betont genug, damit der Hinweis vom Elfen verstanden wurde. Ich steckte die Umschläge zwischen meine Brüste.

      »Wo treffen wir uns zur Abreise?«, wandte ich mich an den Elfen. »Am Südtor?«

      »Gut, ich werde dort warten«, verkündete er.

      Ich holte meine noch vom letzten Ausflug gepackte Ausrüstung und verabschiedete mich von Yana. Meine Liebste kannte diese spontanen Ereignisse.

      »Bleib nicht so lange weg«, drohte sie, »sonst muss ich mich nach einem Ersatz umsehen!«

      »Ersatz?«, tat ich erschrocken. »Für mich? Den gibt es doch gar nicht! Und, außerdem, ich vermisse dich jetzt schon.«

      »Dann bleib bei mir«, zwinkerte sie, rückte nahe an mich heran und küsste mich auf die Weise, die Sehnsucht schmerzhaft werden lässt.

      Seufzend löste ich mich, zog meinen Reisemantel über und ging begleitet von Wiedersehenswünschen zum Stall.

      Gargarhaykal hatte sich ein großzügiges Mahl gegönnt. Frisches Blut klebte noch an seinem Maul.

      ›Wir reiten wieder‹, grüßte ich ihn. Er schnaufte freudig.

      Im kurzen Spurt durchquerten wir den Hof und ritten durch das Südtor, von wo aus wir den Elfen schon warten sahen. Allein. In einer Wolke aus Rauch, Feuer und Staub hielt ich neben ihm an.

      »Wo ist Euer Reittier?«, wollte ich wissen.

      Er musste sich noch von meinem Anblick auf dem Egniaygir erholen, bevor er antwortete.

      »Wartet einen Augenblick.« Er drehte sich zur Seite und begann mit komplizierten Gesten und mir unverständlichen, arkanen Worten einen Zauber zu wirken. Allmählich bildete sich in der Luft ein grauer Wirbel, und nach mehreren Minuten verdichtete sich alles zu einem geisterhaften Ross, das er mühelos bestieg. Anhand der magischen Struktur erkannte ich die große Stärke der Magie des Elfen.

      »Ich habe mich in Euch nicht geirrt«, bekundete ich ihm und wir erhoben uns gemeinsam in die Luft.

      Gargarhaykal hatte keine Chance, dem schnellen Geisterross zu folgen, daher wartete Kyriel immer wieder auf uns.

      Nach einigen Tagen ereignisloser Reise überquerten wir ausgedehnte Sumpflandschaften. Auf einem schmalen Damm konnten wir eine Karawane ausmachen, die aus vier von Ochsen gezogenen, vergitterten Sklavenwagen bestand. Vier kugelförmige Banndespoten mit ihren zweiunddreißig Wächtern unterschiedlicher, humider Rassen führten den Tross.

      Ich deutete meinem Begleiter an, vor ihnen zu landen.

      »Werden sie nicht ihr antimagisches Auge benutzen?«, rief er besorgt zu mir hinüber.

      »Nicht, wenn wir uns freundlich verhalten«, sagte ich unbekümmert. »Ich habe nicht vor, ihnen einen Grund zu geben, und es wäre nicht sehr freundlich von ihnen, mögliche Kunden zu vergraulen. Es sind Händler, also werden wir handeln.«

      Ein gutes Stück vor ihnen landeten wir. Ich gab mich als Händlerin zu erkennen und wartete.

      Die Karawane hielt an und ein Banndespot löste sich mit vier Wachen aus der Gruppe. Er schwebte heran und schloss sein zentrales Auge, dafür bewegten sich die kleinen Stielaugen auf seinem Kugelkopf noch emsiger. Die vier Wachmänner verteilten sich um ihn, schienen mir jedoch keinem eigenen Willen zu folgen sondern unter seiner geistigen Kontrolle zu stehen.

      »Warum versperrt Ihr unsere Straße?«, fragte der Kugelkopf in scharfem Ton.

      Ich verbeugte mich lächelnd.

      »Weder ist es unsere Absicht, die Straße zu versperren, noch Euch an der weiteren Reise zu hindern. Wir wollen lediglich in Verhandlung mit Eurer Gilde treten. Darum bitte ich, mit Euch zu reisen bis zu dem Ort, wo sich Euer Pascha aufhält. Es geht um eine Ware, die wir begehren.«

      »Gut. Begebt Euch in die Mitte der Karawane«, wies er uns an.

      Freundlich nickte ich, sah zu Kyriel hinüber und winkte mit dem Kopf.

      »Weiter!«, befahl der anführende Banndespot der Karawane und sie setzte sich langsam in Bewegung.

      Der Weg schlängelte sich durch den Sumpf. Wie ich erfuhr, befanden wir uns auf dem Knüppeldamm. Nach mehreren Stunden stießen wir auf einen großen See mitten im Sumpfgebiet, in dem sich eine kleine und eine große Insel befanden. Über Brücken gelangten wir zunächst auf die kleinere Insel und passierten mehrere Wachtposten. Dann trotteten wir auf die große Insel zu, auf der ich neben weiteren Wachen die Ruinen eines ehemals prächtigen Gebäudes ausmachen konnte. Mehrere Banndespoten schwebten hier umher und beäugten uns.

      Der Karawanenführer verließ mit einem zweiten Banndespoten die Wagen und verschwand in einem Gebäude. Zahlreiche Helfer kamen unter der Knute der Banndespoten heran und begannen, die neue Ware zu verladen. Keiner nahm sich unser an und so hielt ich mich an einen Aufseher in meiner Nähe.

      »Entschuldigt, wir sind mit der Karawane angereist, um mit dem Pascha zu reden. An wen muss ich mich wenden, um eine Audienz zu erhalten?«

      »Danach wird soeben gefragt«, schnarrte der Angesprochene geschäftig. »Wartet hier.«

      »Habt dank«, neigte ich lächelnd meinen Kopf und trat an die Seite von Kyriel.

      »Es wird wohl etwas dauern. Entspannt Euch«, erklärte ich ihm und hatte bereits mein Auge auf andere Objekte gerichtet.

      Inmitten der zahlreichen Sklaven fiel mir eine sehr ansehnliche Sklavin auf, die sich in einem äußerlich hervorragenden Zustand befand. Um ihre anmutig weichen Hüften hatte sie weiße Stoffbänder geschlungen. Ihre rotbraunen Haare waren leicht gelockt und fielen in sanften Wellen bis zum Ansatz ihrer Brüste, die sich unter dem engen Stoff anregend hervorhoben. Sie war schlank, aber keineswegs mager, sondern elegant gerundet. Auch auf die Entfernung hin konnte ich ihre leuchtend blauen Augen erkennen und zahlreiche kleine Sommersprossen, die ihr ein mädchenhaftes Wesen gaben. Was mir besonders gefiel, war ihr edles, harmonisches Gesicht, das hier völlig fehl am Platze wirkte. Ich konnte sie mir gut als Zofe vorstellen und hatte große Lust, ihre rosigen Lippen zu küssen. Ein nettes Einkaufsobjekt für einen späteren Besuch.

      In meine träumerischen Gedanken kehrte der große Karawanenführer zurück und lenkte mich wieder auf den eigentlichen Grund meines Besuches.

      »Folgt mir!«, verlangte er und schwebte auf einen großen Ruinenkomplex zu.

      Geistig wandte ich mich an Gargarhaykal.

      ›Warte hier und pass auf das Geisterross auf.‹ Er schnaufte zustimmend.

      Über eine breite Treppe betraten wir die Tempelanlagen und ich erkannte schnell einige der ziemlich zerfallenen Symbole. Kettenglieder und die liegende Acht, aus Ketten geformt, waren ein deutliches Zeichen für die frühere Bestimmung dieses Ortes. Er war Kachus geweiht, was auch der Elf erkannte und für ein kurzes Gebet verweilte. Der Gott über Ketten und Verließe wurde in dem Magierkrieg vor etwa dreitausend Jahren verraten und besiegt.

      »Ihr betet Kachus an?«, fragte ich ihn offen.

      »Nein, ich bin ein Anhänger von Algonthir Eldrian, aber dieser Ort hier wurde entweiht und dient nicht länger rechtmäßig Verurteilten bis zur Tilgung ihrer Schuld, sondern Sklavenhändlern zur Verwahrung ihrer unrechtmäßig Gefangenen.« In seiner Stimme lag Verbitterung. Er legte offensichtlich viel Wert auf Ordnung. Ich zuckte nur die Schultern.

      »Lassen wir den Pascha nicht warten«, schlug ich vor.

      Auf unserem Weg ins Innere bemerkte ich eine Klimaveränderung. Die Luft war trockener als im Sumpf, auch wenn sich am Boden Wasser sammelte.