Doreen Brigadon

Jhoseph und die Villeroy Lady


Скачать книгу

dem Tisch ab und wartete. Ich musste mich erst laut räuspern, damit sie mitbekam, dass ich hier war. Sie drehte sich erschrocken um.

      „Entschuldigung, aber ich war mit meinen Gedanken ganz woanders.“

      „Ja das kann ich verstehen“, antwortete ich ihr.

      Sie sah mich an und fragte etwas traurig: „Hat Herta etwas gesagt?“

      „Ja.“

      Dann setzte sie sich und bot mir auch Platz an. Ich schenkte wie letztens wieder den Wein ein. Dann nahm sie das Glas und sagte: „Auf meinen Vater.“

      „Auf Ihren Vater“, sagte ich auch.

      Danach sagte sie: „Bitte erzähl mir von deinem Vater.“

      „Da gibt es nicht viel zu erzählen.“

      „Aber sicher, bitte.“

      „Er war ein strenger und harter Mann. Der keine Nachlässigkeiten duldete. Ich hörte selten ein liebes Wort. Das machte dafür Mutter öfter, aber nur, wenn es Vater nicht hören konnte. Er meinte: „Sonst wird der Junge verwöhnt.“ Ich wurde ziemlich streng erzogen. Er hatte sich erhofft, dass ich seine Firma übernehmen werde, aber ich wollte etwas anderes machen und nicht jeden Tag um Mitternacht anfangen zu arbeiten und mittags schlafen gehen.“

      Sie sah mich erstaunt an.

      „Er war Bäcker, und das wollte ich sicher nicht werden. Ich wollte einen Beruf, wo ich mehr verdiene und auch frei habe. Mein Vater hatte nie frei. Gerade mal, dass wir hin und wieder sonntags einen Ausflug machten. Aber je älter ich wurde, desto weniger gab es Ausflüge und desto mehr sollte ich in der Bäckerei arbeiten. Ich war gerade mit meiner Matura fertig, da starb er. Der Arzt meinte: „Überarbeitung“, was ja nicht verwunderlich war. Mutter starb ein Jahr später an gebrochenem Herzen. Ich verkaufte die Bäckerei und zog in die Stadt. Dort bekam ich dann einen guten Job. Das hier ist jetzt mein vierter Job und unterscheidet sich von den anderen total. Bis jetzt habe ich immer in einem Büro gearbeitet, mit oder ohne Sekretärin.“

      „Freundinnen?“

      „Ja, da waren welche, aber keine richtige feste Beziehung. Die letzte Freundin hat mich ausgenutzt. Dann war ich meines Jobs überdrüssig und kündigte. So sitze ich jetzt hier und warte auf Befehle, und gebe keine mehr. War am Anfang eine Umstellung, aber ich denke, ich habe mich schon daran gewöhnt.“

      Wir waren jetzt beide still. Jeder hing seinen Gedanken nach. Nebenbei tranken wir unseren Wein.

      „Hast du am Grab deines Vaters geweint?“

      „Nein, keine Träne. Mutter hatte das ausreichend getan. Als sie starb, vergoss ich ein paar Tränen. Aber das Leben geht weiter.“

      „Ich war noch so geschockt, dass ich keine Tränen hatte. Die kamen erst später und manchmal wollen sie nicht versiegen.“

      Ich schenkte nochmal nach, da ihr Glas leer war. Sie deutet mir auch, dass ich mir nachschenken sollte.

      „Ich muss morgen wieder fit sein!“

      „Nein, das geht schon. Erstens genehmige ich den Wein und morgen fahren wir erst um halb 9 Uhr weg. Also noch eine Stunde mehr zum Schlafen.“

      Sie prostete mir wieder zu.

      „Auf alle Väter der Welt!“

      Ich stieß mit ihr an.

      „Darf ich eine Frage stellen?“

      „Ja, sicher darfst du. Wieso fragst du immer, ob du fragen darfst?“

      „Der Höflichkeit willen. Und ich weis nicht, ob ich so einfach darf.“

      „Ja sicher darfst du, und wenn ich keine Antwort geben will, merkst du es sicher“, und lächelte mich etwas gequält an.

      „Sie sagen ja gar nichts über Ihre Mutter.“

      Sie sah mich ganz böse an.

      „Wenn wir alleine sind und du sagst noch mal „Sie“ zu mir, muss ich mir eine Strafe ausdenken. Also wie war die Frage nochmal?“

      Ich musste kurz schlucken. So schnell konnte ich da nicht umschalten. Ich sollte mehr auf das aufpassen, was sie gerade sagte. Beim Du darf ich auch du sagen.

      „Du sagst ja gar nichts über deine Mutter.“

      Das war ein kleiner harter Brocken.

      „Sie starb, als ich noch klein war. Vater hat dann keine Frau mehr angesehen. Ich habe ihn mal gefragt, da antwortete er mir: „So eine Frau wie deine Mutter gibt es nicht mehr und irgendeine Stiefmutter will ich dir nicht vorsetzen.“ So zog er mich, so gut es ging, alleine groß. Ich hatte viele Freiheiten. Zu viele! Die rächen sich jetzt! Wenn er mich nur etwas strenger, so wie dein Vater erzogen hätte, hätte es wahrscheinlich ausgereicht. So stehe ich jetzt da und kämpfe! Kämpfe ums Überleben.“

      „Haben Sie …“

      Sie sah mich schon böse an und ich hatte es auch schon bemerkt.

      „Äh hast du keinen vertrauten Berater oder Manager, auf den du dich 100-prozentig verlassen kannst?“

      „Nein das ist es ja. Zuerst dachte ich, Hans wäre so einer, aber der hat mich schmählich in Stich gelassen! Und hat sich eine verwöhnte Göre gesucht, die nichts arbeiten braucht und ständig Zeit hat zum Verreisen.“

      Jetzt sah sie wieder böse drein oder eher traurig? Das machte ihr anscheinend sehr zu schaffen. Sie trank das Glas leer und hielt es mir wieder her, zum Nachschenken.

      „Und was ist mit deinem Wein? Dein Glas ist ja noch gar nicht leer!“

      „Ich genieße lieber den Wein, als dass ich …“

      Das sagte ich jetzt lieber nicht.

      „… ihn runter schütte.“

      Sie sah mich schon wieder böse, oder enttäuscht an?

      „Sag es gleich: Runter schütte wie Wasser! Ich weis, ich sollte weniger trinken, aber es hilft mir manchmal zu vergessen, wenn es in meinem Kopf nur rotiert. Und sag jetzt nicht: ‚Das bringt gar nichts!‘ “

      Ich machte ein Zeichen, so als würde ich meinen Mund mit einem Reißverschluss verschließen. Sie sah mich eigentümlich an.

      „Du bist ein seltsamer Mann!“

      Sie fing schon an etwas zu lallen. Hatte sie überhaupt etwas gegessen? Sie trank den Rest Wein aus und sagte: „Gehen wir schlafen, bevor mir noch etwas Taktloses einfällt.“

      Ich wollte den Wein stehen lassen, aber sie meinte: „Der ist viel zu gut, um ihn stehen zu lassen … oder muss ich mich opfern?“

      Ich schnappte mir das Glas und trank es mit einem Schluck aus. Sie sah mich überrascht und entgeistert an. Wahrscheinlich hatte sie erwartete, dass sie ihn austrinken müsse. Drehte sich dann um, sagte: „Gute Nacht!“, und verschwand.

      Was war das? Ich hatte nicht mal ihr Gesicht gesehen, ob sie jetzt böse, traurig oder enttäuscht war. Ich nahm das Tablett mit der leeren Flasche und den Gläsern und trug es wieder in die Küche zurück. Herta war noch auf.

      „Das hättest du nicht müssen, das hätte morgen Rudolf auch machen können.“

      „Ist eine alte Angewohnheit. Denn wenn ich Freunde eingeladen hatte, trug ich auch immer alles gleich weg. So blieb dann für später weniger zum Wegräumen.“

      Herta sah mich von der Seite her an.

      „Was siehst du mich so an?“

      „War irgend etwas?“

      „Nein, nur das übliche.“

      Mehr sagte ich ihr nicht. Wenn sie auch viel weis, aber alles musste ich ihr doch nicht gleich auf die Nase binden.

      „Wie war sie drauf?“

      „Besser als nachmittags.“

      „Ich