Amelie Oral

Orgie mit geladenen Gästen


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spielte mit ihrem Brötchen und dachte an ihren jüngeren Bruder. „Ich schätze, er muss jetzt so fünfzehn sein. Manchmal vermisse ich ihn ein bisschen. Wir hatten immer eine Menge Spaß miteinander. Hat Mutter dich nach mir gefragt?“

      Er schüttelte den Kopf. „Ich fürchte, sie hat dich aus ihrer Erinnerung verbannt. Und in jedem Fall wäre ich der letzte, den sie fragen würde. Ich bin schließlich nur der zweite Ehemann, der ihr nicht einmal Kinder geschenkt hat, der ihr keinen gesellschaftlichen Status gegeben hat und auch sonst nichts, was sie haben wollte – außer Geld.“

      Er richtete sich auf, schüttelte den Kopf, wie um den Gedanken abzuschütteln und fuhr in verändertem Ton fort. „Aber das gehört alles nicht hierher. Du solltest ihr wirklich hin und wieder schreiben – oder sie anrufen. Ich bin sicher, dass sie sich Sorgen um dich macht. Schließlich ist sie deine Mutter.“

      Leonie antwortete nicht, sondern beschäftigte sich mit dem Seezungenfilet, das gerade serviert worden war. Ihr Stiefvater war schon in Ordnung, aber er war in einem Alter, wo familiäre Beziehungen persönlichen Hass besiegten und man sich pflichtgemäß um seine Verwandtschaft kümmerte, ihnen an Weihnachten schrieb, auch wenn man sie noch so sehr verachtete. Er wusste, dass sie dieses Gefühl der Verpflichtung nicht teilte, aber es war schwieriger für ihn, das zu akzeptieren als die Tatsache, dass sie ein wildes Leben in Hamburg führte. Sie fragte sich, ob ihm klar war, dass sie nur Geld von ihm nahm, weil sie ihn gern hatte.

      Als sie zurück ins Hotel Atlantic Kempinski kamen, war ihr Stiefvater schon wesentlich angeheiterter. Außer den Martinis hatten sie noch Wein zum Essen getrunken.

      Seine Sprechweise und sein Benehmen waren wesentlich entspannter, die Art wie er ihren Arm hielt und das Glitzern in seinen leicht geröteten Augen verrieten ihr, dass er in Party-Stimmung war. Leonie musste zugeben, dass er ihr so besser gefiel.

      Als sie im Aufzug nach oben fuhren, gab er dem Fahrstuhlführer eine Fünf-Euro-Noten. Das Gebiss des alten Mannes wurde deutlich sichtbar, als er lächelte, sein Gesicht legte sich in tausend Fältchen.

      „Oh, vielen Dank, Herr Hackledt“, sagte er überschwänglich. „Was für eine schöne junge Dame aus ihr geworden ist. Ihre Tochter, nicht wahr? Sie sieht ihnen sehr ähnlich.“

      „Stieftochter“, murmelte Rafael Hackledt mit einem groben Unterton in der Stimme und geleitete sie aus dem Aufzug zur Tür seines Zimmers. Ja, aber warum musste er erst leicht betrunken sein, fragte sich Leonie, um wieder Selbstbewusstsein in der Stimme zu haben.

      Mein Stiefvater zog Mantel, Jacke und Krawatte aus und öffnete den Kragen. Er setzte sich auf das Bett und schenkte sich ein Glas Rotwein ein.

      Leonie saß in einem Stuhl, ihm gegenüber, ihr nylonbestrumpften Beine sittsam übereinander geschlagen. Sie lehnte ein Glas Rotwein ab und fragte sich, wie er es wohl diesmal anfangen würde.

      Das erotische Spiel, das sie trieben, machte Leonie Spaß, und ein wichtiger Teil des Vergnügens war es für sie, zu erfahren, mit welcher Methode er es jedes Mal hinbekam, dass der Sex sich »zufällig« ergab. Er wandte nie das gleiche Verfahren an, das musste sie ihm lassen. Vielleicht hätte sie es weniger erregend gefunden, wenn er gleich rundheraus zugegeben hätte, was sie beide wussten.

      Das Schweigen zwischen ihnen zog sich in die Länge... und wurde bedrückend.

      Er schaute sie nicht an, aber sein Verlangen nach ihr hing greifbar im Raum. Die Stille dauerte an. Leonie rutschte ein wenig unbehaglich hin und her. Offenbar wusste er diesmal nicht, wie er anfangen sollte, aber die Wirkung hätte nicht besser sein können, selbst wenn er es geplant hätte.

      Die Spannung zwischen ihnen war so intensiv, dass man sie fast greifen konnte. Wenn er sie in diesem Augenblick einfach gepackt hätte – er hätte nach Belieben mit ihr verfahren können.

      Aber er schaffte es nicht ganz, obwohl er ein paar Mal so aussah, als würde er es tun. Stattdessen goss er sich noch Rotwein nach und schenkte gedankenverloren auch für sie ein Glas ein.

      Schließlich war es Leonie, die das Schweigen brechen musste.

      „Nein, danke“, sagte sie und lehnte den Rotwein mit einer Handbewegung ab. „Macht es dir etwas aus, wenn ich rauche?“

      Der Stiefvater schüttelte den Kopf, und sie ging daran, aus ihrer Handtasche eine kleine Pfeife und ein Fläschchen hervorzuholen, das eine kleine Menge hervorragendes hellgraues Hasch enthielt. Er schaute ihr mit glasigem Blick zu, als sie ein wenig von dem Pulver in die Pfeife krümelte und sie entzündete. Sie nahm einen tiefen Zug und bot ihm, der Form halber, die Pfeife an. Er lehnt ebenso formell ab.

      Der Vorgang faszinierte ihn jedoch immer wieder. Er fuhr fort, sie zu beobachten, in derselben Weise, wie er sie beim Ausziehen beobachtet hätte. Nach dem dritten Zug grinste sie ihn über die Pfeife hinweg an und zwinkerte ihm zu.

      „Sag mal“, fand er schließlich die Stimme wieder, „deine Begeisterung für die Rockmusik... ich meine, gehst du auch mit manchen von ihnen ins Bett?“

      Leonie hätte beinahe laut gelacht.

      Diesmal waren es also Gespräche über Sex. Das letzte Mal hatte er so getan, als interessiere er sich sehr für die ziemlich ausgefallenen indischen Kleider, die sie trug. Er hatte ihre Machart genau untersucht, um festzustellen, wie sie an ihrem Körper hingen und was sie zusammenhielt. Jedenfalls war es für ihn ein Vorwand gewesen, an ihr herumzutasten, und eins hatte das andere ergeben. Na gut, wenn er sie über ihr Sexleben ausfragen wollte – das war auch nicht schlecht. Einen Augenblick lang war sie schon nahe daran gewesen, seine Leidenschaft ernst zu nehmen.

      Leonie zuckte mit den Schultern. „Manchmal“, sagte sie, „gehe ich mit einem Musiker ins Bett. Aber nicht so oft, wie du vielleicht denkst, und ich suche mir keine bestimmten Typen heraus. Es ist Tatsache, dass die meisten, abgesehen von ihrer Musik, einfach nicht sehr interessant sind.“

      Offensichtlich war es das, was er hatte hören wollen. Er wurde beträchtlich lebhafter und beugte sich bei der nächsten Frage ein wenig nach vorn.

      „Welche Art von Männern interessiert dich? Wonach sehnst du dich bei einem Liebhaber?“

      Oh Mann, dachte sie, kann man noch deutlicher werden? Aber sie machte das Spielchen mit. Warum nicht?

      „Na ja“, sie gab sich nachdenklich. „Ich mag Männer, die etwas reifer sind, die ein bisschen Erfahrung und Intelligenz haben. Die körperliche Seite ist gar nicht so wichtig, ich meine, er muss nicht gut aussehen oder so.“

      Ich trage ein bisschen dick auf, dachte sie, das muss er einfach spitz kriegen. Aber der Stiefvater schluckte es.

      Es hat keinen Zweck, das hier noch länger auszuweiten, dachte sie und ging in die Offensive.

      „Um ehrlich zu sein...“, sie lächelte ihn verführerisch an, „wenn du nicht sozusagen mein Vater wärest und all das, kämest du meinem Idealtyp von Mann ziemlich nahe...“

      Bin ich zu weit gegangen? Sie fragte sich das, als er einen Augenblick lang wie versteinert da saß. Dann lag er vor ihrem Stuhl auf den Knien, hatte sein graues Haupt in ihrem Schoß vergraben.

      „Oh... Liebling... Liebling“, stöhnte er. „Wenn du nur wüsstest... welche Qualen ich leide... ich nehme mir jedes Mal vor, standhaft zu bleiben... aber dann sehe ich dich und...“

      Der Rest ging unter, er murmelte unzusammenhängend in ihren Rock hinein und – mein Gott, ihr Kleid wurde nass – er weinte!

      Das ist ja schrecklich, dachte Leonie schuldbewusst. Sie bekam eine leise Ahnung davon, was Männer durchmachen, die einem Mädchen ihre Liebe erklären, wenn sie eigentlich nur vögeln wollen.

      „Komm“, sagte sie sanft.

      Sie half ihm auf, nahm ihn an der Hand und führte ihn zum Bett. In gewisser Weise war es erregend für sie, wenn ein Mann so hoffnungslos in sie verliebt war – so völlig in ihrer Gewalt. Sie hielt es für das zweitbeste, was es gab – außer selbst verliebt zu sein.

      Er lag schwer atmend auf dem Bett, während sie dich