Ava Patell

Ein Hauch von Vorsehung


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Ma’am«, sagte er daher nur und sie verschwand. Er lief zurück ins Bad und beseitigte die Schlieren, versprühte noch eine Dosis Spray und ging dann zur nächsten Suite. Ebenfalls Abreise und eine Nachfrage an der Rezeption bestätigte, dass auch diese Gäste inzwischen ausgezogen waren. Hier waren die Fenster angeklappt, es hing noch ein leichter Duft von Rosen und Apfel in der Luft. Verrückt. Aber er wusste, selbst wenn hier nicht schon gelüftet gewesen wäre, wäre dieser Duft nicht so aufdringlich gewesen wie im Zimmer davor.

      Er machte sich auch hier an die Arbeit, steckte sich die Ohrstöpsel wieder ein und zog das Bett ab. Dieses Mal war er schon sicherer in dem, was er tat, und schaffte es fast in 45 Minuten, was deutlich besser war. Die nächsten zwei Suiten, die Kaden sich vornahm, weil die Bewohner gerade nicht da waren, waren Bleiber . Hier war weniger zu tun. Handtücher auswechseln. Das Bad putzen, aber eben nicht so tiefgreifend, als wenn sie ausgezogen wären. Das Bett wurde in der Regel nur zurecht gemacht, nicht neu bezogen, je nachdem in welchem Zustand man es vorfand. Und Kaden hatte bereits einige Zustände mit ansehen müssen.

      Minibar auffüllen, die gut erreichbaren Oberflächen reinigen und natürlich nichts anfassen, was den Gästen gehörte. Abgesehen von Kleidungsstücken, die auf dem Boden lagen. Diese durfte man aufheben und ordentlich auf einen Bügel oder über einen Stuhl hängen, um die Zimmer saugen zu können. Als er mit diesen beiden Suiten durch war, war es Zeit für eine kurze Mittagspause. Der Wäscheberg landete im Wäscheschacht und er aß zusammen mit Irma, bevor sie zurück an die Arbeit gingen.

      Als Kaden die nächste Suite öffnete, eine der Club Suiten, stutzte er. Und schnupperte. Es war kaum ein Geruch auszumachen. Und das irritierte ihn. Neutralisierer? Nein, dann würde gar nichts zu riechen sein. Es war eher so, dass er diesen Duft nicht greifen konnte, weil er absolut anders war. Er schüttelte den Kopf, ermahnte sich dazu, seine Arbeit zu machen. Als er jedoch auf die Sitzecke schaute und den dortigen Stapel an Papieren und Ordner entdeckte, stutzte er erneut. Kein Urlaubsbesuch. Geschäftsmann? Es gehörte sich nicht, dennoch warf Kaden einen Blick in den Kleiderschrank im Schlafbereich. Da hing ein Anzug und wenn ihn nicht alles täuschte sogar ein recht teurer. Seine Finger strichen nur kurz über den Stoff, der sich leicht kühl anfühlte, jedoch schnell seine Körperwärme aufnahm. Schnell schloss er den Schrank wieder.

      Und noch etwas war anders. Das Bett war ordentlich zurück geschlagen, das Kissen aufgeschüttelt. Nicht wie in den anderen Zimmern, wo alles noch zerknüllt herumgelegen hatte. Und selbst hier, als er das Bett machte, war der Geruch des Mannes kaum zu greifen. Ein Hauch von Wald? Moschus? Meer? Zitronen? Was war das? Er zuckte zurück, als er sich dabei ertappte, wie er an dem Kopfkissen schnupperte.

      »Guter Gott«, murmelte er und machte schnell, aber ordentlich das Bett fertig. Das nächste, was ihm ins Auge fiel, war ein Glas auf dem Stubentisch, ein weiteres auf dem Schreibtisch. Als Kaden das Glas vom Schreibtisch nahm, stutzte er. So viele Unterlagen, Zettel und Aufzeichnungen! Eine klare, aber schiefe Handschrift. Mit einem Lappen wischte er den Wasserrand vom lackierten Holz, den das Glas hinterlassen hatte.

      Seine Augen scannten die Unterlagen, ohne dass er etwas dagegen tun konnte. Was wohl auch an dem merkwürdigen Design des Schriftstückes lag, das hier in mehrfacher Ausfertigung durcheinander geschoben aufzufinden war. Ein Teil davon sorgfältig gestapelt, der andere wild durcheinander und ein paar der Zettel mit unterschiedlichen Handschriften versehen.

      Sie erhalten den Auftrag, einen Musiker Ihrer Wahl für einen Aufenthalt und für die Produktion eines Albums in einem Hotel unterzubringen. Erstellen Sie eine Kalkulation .

      Kaden blinzelte und las die kurze Instruktion erneut. Das war vage. Mehr als vage. Was für einen Musiker? Jazz? Rock? Pop? Danach richtete sich doch der ganze Rest. Aber es war der Musiker einer freien Wahl. Er schüttelte den Kopf. Verdammt noch mal! Zurück an die Arbeit! Es gehörte sich nicht, in fremden Zimmern zu schnüffeln. Das sagte er sich auf dem Weg zum Trolley, von dem er zwei neue Gläser holte und die Minibar füllte. Auf dem Stubentisch stand ein Kühler mit einer leeren Flasche Wasser, den er ebenfalls aus dem Zimmer räumte.

      Swing? Country? Die Aufgabe war knifflig. Eine Kalkulation zu erstellen war an sich ja schon keine leichte Aufgabe, weil immer dazu gehörte, sämtliche Eventualitäten mit einzuberechnen. Alles was möglich war, konnte passieren. So musste man kalkulieren. Kostete es am Ende weniger, dann war es nur umso besser. Kostete es aber mehr als das, was man berechnet hatte ... Das konnte böse enden.

      Das hatten sie sogar hier im Hotel schon erlebt. Nur kannte sich Kaden im Musik-Geschäft wirklich nicht sehr gut aus. Aber um ein Album aufzunehmen, dazu gehörte sicherlich ebenfalls eine ganze Menge. Tonstudio, Personal, Instrumente, Copyright-Verhandlungen. Verträge, also auch Anwaltshonorare. Die Treffen, die anstanden, um so etwas zu verhandeln. Er ertappte sich selbst, wie er dämlich vor sich hin starrend mit dem Putzlappen im Bad stand, weil sein Kopf mal wieder seine eigenen Wege ging. Verflucht!

      Aber selbst bei so einem Treffen wurde Wasser benötigt, Gebäck oder Cracker. Was noch? Was bot man denn im Musik-Business bei Vertragsverhandlungen an? Oder … Moment, ging man da nicht essen? Ein Restaurant. Je nach Musiker natürlich. Vielleicht nach den Vorlieben. Vielleicht hatte er eine Vergangenheit hier in La Junta Gardens, ein Lieblingsrestaurant oder derjenige aß einfach sehr gerne Hummer.

      Aber nicht den zweiten vor dem ersten Schritt! Als erstes musste ein Musiker her. Kaden schlug sich gegen die Stirn. Verflucht noch mal! Er sah auf seine Uhr. Diese Aufgabe reizte ihn, weil sie ihn forderte und darum ließ sie ihn nicht mehr los. Er trat zu dem Schreibtisch, zog aus der Schublade das Hotelbriefpapier, und den Stift aus seiner Hemdtasche. Dann griff er nach seinem MP3-Player und stellte auf Shuffle . Der erste Song, der erklang, war von Ray Charles.

      Natürlich. Einen toten Star unterzubringen wäre nicht sehr praktisch. Er klickte einen Song weiter. Christina Aguilera. Hui. Verdammt schwer. Kaden wusste zu wenig über diese Frau. Er klickte noch drei weitere Songs und dann sang ihm die ruhige und rauchige Stimme von Trevor Orbinson ins Ohr. Er liebte diesen Countrysänger. Ja. Das würde gehen. Von dem wusste er sogar etwas. Kaden schrieb den Namen oben auf das Briefpapier. Und dann kritzelte er schnell ein paar Positionen darunter. Orbinson lebte in Texas. Also wäre das erste auf der Positionsliste wohl der Flug von Texas nach La Junta Gardens. So weit, so gut. Was brauchte man noch? Transfer. Vom Flughafen ins Hotel. Was für ein Hotel? Vermutlich nicht dieses hier. Zu wenig Sicherheitsvorkehrungen. Zu öffentlich. Wohl eher das Four Seasons, die hatten eine Tiefgarage. Suite. Die waren teuer, aber groß und schön. Was noch? Tonstudio. Ganz klar. Dahinter musste er ein Fragezeichen setzen. Er hatte keine Ahnung, was so etwas kostete. Sicherlich eine heiden Kohle. Er kritzelte schnell noch ein paar weitere Positionen dazu, die ihm sofort einfielen und machte dann weiter mit seiner Arbeit. Endlich hatte er den Knoten so weit gelöst, dass er im Badezimmer seine Arbeit beenden konnte. Doch als er die Tür hinter sich zuzog, hatte Kaden erneut den Kopf voll von Positionen, die er aufschreiben musste, weil sie dazu gehörten. Schließlich riss er das Blatt vom Block, weil es voll war und drehte es um. Schrieb weiter. Saugte das Zimmer, schrieb erneut ein paar Kosten auf. Die Musik in seinen Ohren dämpfte seine Schritte, ebenso wie die dicken Teppiche hier im Hotel und so hörte er nicht, wie jemand das Zimmer betrat.

      Kaden schrieb gerade

       ›Obstkorb im Hotelzimmer mit frischen Passionsfrüchten‹

      auf seine Kalkulation, als er hinter sich ein Räuspern vernahm. Zu Tode erschrocken fuhr er herum und konnte nicht fassen, dass das gerade passierte. Fuck! Und das an seinem ersten Tag auf dieser Etage! Das wäre mehr als nur ein Kündigungsgrund!

      »Was machen Sie denn da?«, fragte die Frau vor Kaden streng. Eine Hand in die Hüfte gestemmt, in der anderen Unterlagen, sah sie auf ihn herab. Sie betonte das Wort ›machen‹ scharf, ganz so als wollte sie andeuten, dass das Gegenüber eigentlich doch etwas ganz anderes zu tun hatte - was in diesem Fall ja sogar stimmte.

      Da stand Kaden nun. Seinen Kugelschreiber noch immer in der Hand und sah sich ihr gegenüber, einer Frau, wie er sie wohl noch nie in seinem ganzen Leben gesehen hatte. Ihre schlanken Füße steckten in hohen Schuhen, deren Pfennigabsätze sich in den Teppichboden gruben. Dennoch stand sie so sicher wie auf Turnschuhen. Auf Höhe ihrer Knie begann