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Ute-Maria Graupner
Ungehöriges
will gehört werden!
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Inhaltsverzeichnis
Ungehöriges will gehört werden!
So schnell kann man erwachsen werden!
Du musst doch nicht alles erzählen!
Ungehöriges will gehört werden!
Trotz der Bedeutung von Eros und Amore, die einer Mainacht in meinem Lande nachgesagt wurde, wollte ich nichts mehr wissen von dem, was bisweilen als Weiblichkeit bezeichnet wird. Stattdessen war ich ausgefüllt durch ein wenig Intellektualität, etwas Kreativität zur Anregung meiner Sinne, einem Berg von Verantwortung, der sich in einem gereiften Leben so angehäuft hatte. Bis sich unsere Blicke im Gewimmel amüsierhungriger Augen in einer dieser so bedeutungsvollen Mainächte trafen...
Deine waren umrahmt von einer provozierenden Mimik. Deine Worte mögen wohl dazu gepasst haben, aber verstehen konnte ich sie in der Geräuschkulisse eines aktiven Nachtlebens nicht. Du hattest offensichtlich mein Desinteresse an der Lächerlichkeit jeglicher Anmache erkannt. Denn du beugtest dich zu mir. Auf Grund der Geste der Verbeugung bin ich stehen geblieben, obwohl mich zielorientierte Anstrengung von Männern langweilte.
Mit dir getanzt hatte ich nur, weil mein Bekannter grußlos das Lokal verließ, und ich nicht einsam zwischen all den Vergnügungssüchtigen an meinem Gin Tonic lutschen wollte. Das Verhängnis schlich sich ein. Du konntest tanzen. Du hattest deinen Leib zum Sprechen gebracht, deine Schritte hatten mir neue Wege gewiesen. Ich war überrascht und mein Körper ebenfalls. Direkt neu war es nicht, dass ein Mann tanzen konnte. Ich hatte es nur schon lange nicht mehr erlebt. Tanz als Vorspiel, als Variante der Leidenschaft, die Leiden schafft, gab mir die nötige Vorsicht. Gemeinsame Bewegungen, Gefühle zwischen Mann und Frau, die Enttäuschung, dass der begehrte Akt nicht eintreten würde oder ihm eine Beziehung folgen könnte, waren gefährlich.
Meine Distanzfähigkeit demonstrierend lächelte ich souverän mit einem leicht verführerischen Zug, der zeigte, dass ich weiß, was Verführung ist. Du beugtest dich erneut, hattest deine Lippen bewegt. Ich interessierte mich nicht für die unhörbaren Worte, setzte mich nicht der Anstrengung einer Nachfrage aus. Ich hatte deinen Geruch in der Nase, der eine Bereitschaft zum Animalischen verströmte. Keine Parfümerie der Welt kann einen besseren entwickeln. Du nahmst meine Hände, zogst mich an dich heran. Wir tanzten, Emotionen sprudelten. „Du tanzt gut,“ konnte ich trotz des typischen Lärms, der den Eroberungen einer Nacht diente, aufnehmen. Ich spürte eine vertraute Wärme an den Innenseiten meiner Schenkel, ein Drängen in meiner Brust, sich bis zur Haut des Mannes auszudehnen. Ein wenig wollte mein Verstand diese Erregung meinem guten, alten Körper lassen, der das schon bis zur Beziehung, zur Ehe, zur Scheidung mitgemacht hatte. Es waren die letzten Zuckungen meiner Unabgeklärtheit, die eines Huhns nachdem ihm bereits der Kopf abgetrennt war.
Ich hatte mich häuslich niedergelassen in den Bezirken ohne Weiblichkeit. Spraydosen der Leidenschaft wurden nicht mehr gezückt. Graffiti einer Passion gab es nicht, weil sie nur in Streit um Hauswände geendet hätten. Ich hatte alles unter Kontrolle: die Glut, deine Hände, meine Erregung. Dein Becken näherte sich dem meinem, ein ganz normaler Vorgang beim Tanz, aber ein Angriff gegen meine Ratio. Sie war verschreckt, zog sich bereits zurück, räumte den Platz für das Feuer in meinem Inneren. Jedoch hatte ich noch meine Erfahrungen, eine ganze Palette von Gefühlen. Sie waren stark, stellten sich gegen dein Becken. Dabei hatte ich deinen Arm nicht unter Kontrolle. Er stieß mich weg, zog mich abrupt wieder heran. Diese Wellenbewegung hinterließ ein wunderbares Gefühl! Es war wie Riesenrad-Fahren, Ich fühlte einen leichten Riss in der Mauer meines Widerstands . Dein Becken presste sich an das meine, erneut eine Welle durch meinen Leib. Ich wurde zur Schlange. Meine Ratio schien sich genauso grußlos zu verabschieden, wie mein Bekannter. Fast hätte es für sie noch eine Chance gegeben. Sie empörte sich über die unqualifizierte Art, wie du dein Knie zwischen meine Schenkel platziertest. Eben nur fast. Zwar lächelte ich müde über deine Versuche, in mein Zentrum der Selbstaufgabe vorzudringen. Die typische Annäherung der Erfolgssuche gaukelte mir vor, dass das bis jetzt Geschehene keine Spuren hinterlassen würde. Doch meine Bemerkung entzog sich den Mahnungen meines Verstandes: „Machs für dich und nicht für mich.“ Ich murmelte etwas über Intelligenz und Erotik. Diese Worte hätten normalerweise keine Bedeutung gehabt, wären von vielen sicher gar nicht verstanden worden. Aber sie waren eingebettet in die allgemeine Eroberungssuche dieser Nacht und in unsere Bewegung. Meine Haltung, die diese Minimalverständigung ermöglichte, bedeutete Geruchsnähe, die für meine Vernunft ein Funktionsproblem darstellte.
„Du musst mindestens zehn Jahr jünger als ich sein.“ „Macht doch nichts.“ Stimmt - für die Leidenschaft eines Tanzes und nicht jener, die sich durch die Reibung nackter Haut entwickelt! Für den Feuerspucker in mir bedeutete Tanz eigentlich nur Vorspiel. Er wollte die, die sich durch nackte Haut charakterisiert. In diesem Moment folgte ein Wurf. Der Feuerspucker beschäftigte mich nicht weiter. Ich musste mich an deine Arme klammern, um nicht umzufallen. Da hing ich nun, eine Hand breit über dem Kneipenboden, fest in deinem Griff, mein Becken kraftvoll aufgestellt, um noch ein bisschen Halt zu haben. Ich sah in die Glut deiner unverbrauchten Augen, frei von jahrelang erprobten Anbiedern, damit verbundener Müdigkeit, frei von der Forderung, dass eine Frau die eigenen Lebensfehler wieder gut machen möge. Nur Feuer, Verlangen, Leben! Der geistige Knockout stellte sich ein. Keine Warnungen mehr in meinem Kopf. Du drehtest mich. Man ließ uns den Platz, den wir brauchten, um unseren Akt zu vollziehen. Die Zeit stand still. Ich sah, wie Gesichter um mich herum ständig wechselten. Augenpaare glotzen uns an, waren irgendwo da draußen. Ich überließ mich meinem Körper, um in der Wildnis dieser Nacht nicht verloren zu gehen. Bei unseren Kreisen wirbelte der Schweiß aus meinem Haar. Die Tropfen standen für einige Augenblicke in der Luft. Ich krallte mich in deine Flanken. Die Nässe deines T-Shirts ließ mich die Oberfläche deiner Haut fühlen.
„Was machst du eigentlich?“ fragtest du während des guten, alten Stehblues. „Keine Fragen. Ich will auch nicht wissen, was du sonst machst. Ich will fühlen, was und wie du bist.“ Du lächeltest. Ein Lächeln der Macht, begehrt zu werden. Das übliche Ritual der Präsentation blieb aus. Stattdessen aus meinem Munde vertraute Laute aus intimen Situationen der Zweisamkeit. Mit diesen „Ahhs“ hätte ich nicht beginnen dürfen. Dafür würde mich mein Verstand irgendwann rügen. Du warst hinter mir, meinen bebenden Körper eng an dich gepresst. Weiche Lippen auf meinen schweißnassen Schultern. Ich unterwarf mich mit einer Nackenbewegung. Sie gab noch mehr nackte Haut preis, die sich nach weichen Lippen sehnte.