Ute-Maria Graupner

Ungehöriges


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vor dem absoluten Kontrollverlust zu schützen. Ich sah meinen in die Jahre gekommenen Körper vor mir, all die Falten der alten Leinwand, die Risse der Statue aus der Antike. Ein Schutz vor Wiederbelebung von Flirts, One-Night-Stands und Beziehung. Deswegen haben reife Frauen diese Merkmale. Ich werde mich nicht „dem Morgens danach“ ausliefern, die Gefahr nicht eingehen, wegen Fossilienmakel für unwürdig befunden zu werden. Dann lieber keine „Ahhs“ und keinen Feuerspucker.

      Du wolltest etwas zu trinken holen. „Aber du bleibst sicher hier?“ Die Frage zeigte das unversteckte Bedürfnis, dass ich bleiben möge. Jedes Wort war mit der Witterung deines Geruchs verbunden. Ich blieb. Zitternd! Mein Verlangen hatte unendlich viel Zeit, sich nach mehr zu sehnen. Du kamst zurück, das Becken voran, und meines war schon wieder bereit. Du schobst mein Knie nach oben. Selbstverständlich für dich, dass ich mich auf einem Bein halten konnte. Deine Männlichkeit drückte sich an mich. Gab es noch andere um uns herum?

      „Du bist so wild,“ hauchtest du in mein Ohr. Wieso ich? Forderte ich, press dich an mich, schmeiß mich durch die Luft, werfe mich zu Boden? Sprach mein Körper Einladungen aus? Du wusstest nichts von diesen Gedanken, hattest mich hoch gehoben. Ich musste meine Schenkel um dein Becken pressen, schaute hinunter zu dir, du hinauf zu mir. Du lächeltest, als wäre es die leichteste Akrobatiknummer der Welt, statt mich von dir zu stoßen, weil ich nicht das Leichtgewicht meiner Jugend war. Auf dem Boden zurück zogst du mich am Haar heran, hieltest es während deines Kusses. Ich folgte der Herausforderung, drängte dir meiner Zunge auf, als ob ich dich mit Haut und Haar verschlingen wollte. Das hattest du spielend überlebt. „Wir müssen uns wieder sehen,“ waren deine Worte, nachdem du meinen Mund wieder frei gegeben hattest. „Nein, müssen wir nicht!“ Diese Passion durch Alltagszumutungen zu zerstören, die man freundlicherweise hinnimmt, um ein guter Mensch zu sein, hätte ein Sakrileg bedeutet. Dein Wohlstand oder ein Titel, den du erworben haben könntest, interessierten mich nicht, nur die erotischen Schweißtropfen auf deiner Stirn! „Aber du gibst mir deine Telefonnummer?“ Ich musste nicht antworten. Du zogst mich heran, drücktest mich weg, das Riesenrad bewegte sich wieder, meine „Ahhs“ ertönten. Glaub mir, es hat mich geehrt, dass du mich wieder sehen wolltest. Aber die Folgen des Austauschs von Telefonnummern waren mir bekannt. „Bist du verheiratet?“ Ein neuer Versuch von dir zu verstehen. Ich war entsetzt, dass du mir, die wie ein Leuchtturm keine Beziehung signalisierte, diese Frage stelltest. Du konntest die unabweisenden Botschaften des Augenblicks und meine Abweisung für die Zukunft nicht verstehen.

      Ich weiß noch, wie du vor dem Lokal ein Rad sofort als das meine erkanntest, obwohl du es noch nie gesehen hattest und nochmals nach meiner Telefonnummer fragtest. Da stand ich in viel zu weiten Thermohosen und einem Skianorak gegen die Kälte. Ich stand vor dir mit nassen Haaren, abgelutschter Schminke, einem alten Herrenpullover. Darunter das völlig durchweichte T-Shirt, das wegen seiner Weite, beim Tanzen immer wieder den Anblick meiner Brüste freigegeben haben musste. Ich stand mit großen Augen, konnte nicht fassen, dass du mich immer noch wieder sehen wolltest. Ich gab dir ein Papier, auf dem vor langer Zeit einmal die Ziffernfolge meiner telefonischen Erreichbarkeit stand, wusste doch genau, dass man darauf nichts mehr erkennen konnte. Ich hatte dich in deinem klaren Begehren brüskiert. Es tut mir leid, du warst wunderbar.

      Ich radelte heim durch die viel zu kalte Mainacht. Ich heulte, weil ich den Tanz und die Leidenschaft so liebte, nicht mehr auf meine Weiblichkeit verzichten und mich mit meinem Verstand arrangieren wollte, und vor allem weil ich immer noch dieses Verlangen in mir hatte, und es immer noch Männer gab, die es genossen.

      Ungewohnte Anblicke

      „Ich möchte dich auch gern mal in Strapsen sehen“, hatte Carlo geflüstert, als die Tänzerinnen der üblichen Fernsehshow entsprechend gekleidet um den Moderator herum hüpften. Jetzt blickt Daniela in den Spiegel des Dessousladens und betrachtet sich in nahezu demselben Outfit, wie eine dieser Tänzerinnen.

      "Ich bin nie auf die Idee gekommen, dass Carlo derartige Wünsche hegen könnte," meint sie, während sie mit Monica in der Umkleidekabine steht.

      "Sei froh, dass er so viel Interesse an dir hat," kichert die Freundin und zupft an dem Büstenhalter herum. "Nach all dem Rosa, Lila und den mit Blümchen verspielten Weiß, gefällt mir das Schwarze an dir am Besten. Ein ungewohnter Anblick, dich so zu sehen, da du doch sonst deine erotische Seite eher zurück hältst."

      "Ich werde es nehmen. Ich weiß nur noch nicht, wie ich Carlo dazu bringen soll, dass er unter die Verpackung meiner üblichen Kleidung schaut. Unter der Bettdecke sind wir normalerweise im Pyjama. Und die Zeiten leidenschaftlicher Küsse im Auto oder Amore bei Sonnenuntergang sind lange vorbei."

      "Trag es einfach. Er wird es schon merken," rät Monica.

      Bepackt mit den Einkaufstüten fürs Wochenende schreitet Daniela zuerst auf die Rolltreppe. Sie klettert schnell eine Stufe höher, beugt sich nach vorn, um ihre Taschen abzustellen. Sie setzt darauf, dass Carlo, wie gewohnt seinen Blick auf ihr Hinterteil richtet. Denn dann hätte er sie sehen müssen, ihr neuen Strapse. Ihr Mann nimmt ebenfalls die nächste Stufe, schliesst zu seiner Frau auf. Auch er stellt seine verpackten Einkäufe auf die Rolltreppe. Ohne ein Wort zu sagen fasst er an die weibliche Hüfte.

      "Das nennt man Strapse," meinte er. Langsam läßt er seine Hand an einen der Strumpfhalter auf- und abwandern, der sich leicht durch den Stoff des Rockes ertasten läßt.

      "Ja, genau, so nennt man das!" Daniela dreht sich lächelnd zu ihm um.

      "Seit wann hast du Strapse?"

      "Seitdem ich mit Monica welche gekauft habe."

      "Ach, Monica hat auch welche?"

      "Seit wann interessierst du dich für Monicas Unterwäsche?"

      "Ich wollte eigentlich nur wissen, wer von euch beiden die Idee dazu hatte."

      "Du hattest sie!"

      "Wieso ich?"

      "Weil du mir mal zu geflüstert hattest, dass du mich auch gern in Strapsen sehen würdest."

      "Stimmt! Wollte ich schon immer. Aber ich mochte nicht wie ein typischer Mann rüber kommen, der unbedingt seine Süße in Strapsen serviert haben möchte."

      "Der bist du gewiss nicht. Achtung, wir sind oben!"

      "Was machen wir nun mit den Strapsen?" fragt Carlo nachdem er mit seinen Bündeln in der Hand von der Rolltreppe gestiegen war."

      "Du machst damit gar nichts, in erster Linie trage ich sie ja."

      "Gerade hast du mir noch erzählt, dass es meine Idee war. Also bitte ich um Beteiligung des Vergnügens. Wie fühlt sich das eigentlich an? Das muss doch toll sein, so etwas zu tragen?"

      "Stimmt. Am Anfang hat mich das nackte Fleisch gestört. Aber jetzt fühle ich mich so frei und sinnlich damit. Und natürlich hat es auch einen anregenden Effekt, weil ich ja weiß, dass du dich dafür interessierst."

      "Eigentlich interessiere ich mich für dich, aber halt in den Dingern." Völlig ungeniert greift Carlo an die Schenkel seiner Frau.

      "Carlo, warte bis wir allein sein!"

      "Lass dich wenigstens mal kurz ansehen." Carlo fasst bereits an Danielas Rocksaum.

      "Hör auf damit, wenn uns jemand sieht!"

      "Komm, dort hinten in der Ecke kann uns keiner sehen."

      "Nein, wenn du jetzt keine Ruhe gibst, ziehe ich sie nie wieder an."

      "Es wird schon lange fällig, dass wir mal etwas Neues ausprobieren in unserem Liebesleben."

      "Die Strapse sind bereits etwas Neues, findest du nicht."

      "Ach ja, da gibt es ja auch immer passende Oberteile dazu?" Carlo beginnt sofort an Danielas Bluse herum zu fummeln. "Oh, ja, das Körbchen ist ja ausgeschnitten. Kann man da deine Knospen sehen?"

      "Das verrate ich dir nicht."

      "Na,