Ava Patell

Der Kronzeuge


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      Der Kronzeuge

      Im Schutz der Gefahr

      Ava Patell & Kim Pearse

      Gay Romance

       Ava Patell & Kim Pearse

      c/o

       Papyrus Autoren-Club,

       R.O.M. Logicware GmbH

       Pettenkoferstr. 16-18

       10247 Berlin

      Texte: © Copyright by Ava Patell & Kim Pearse

      Umschlaggestaltung: © Copyright by Carina Neppe

      Titelfoto (unten): © Copyright by Alex Yakimovski

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       Alle in diesem Buch geschilderten Handlungen

      und Personen sind frei erfunden. Ähnlichkeiten

      mit lebenden oder verstorbenen Personen wären

      zufällig und nicht beabsichtigt.

      Kapitel 1

      Aiden Miller liebte seine Arbeit, doch in dieser Nacht wünschte er sich, er hätte einen Bürojob wie so viele Menschen in Amerika auch. Die frühlingsfrische Nachtluft, die ihn an der Bushaltestelle umgab und ihm durch die Kleider kroch, ließ ihn schaudern und er war froh, dass er nur 20 Minuten mit dem Bus von dem Seniorenwohnheim ›Mapleleaf Residence‹ entfernt wohnte. Innerlich seufzte er auf, als er in den warmen Bus trat. Der Bus war leer - kein Wunder, immerhin war es weit nach Mitternacht an einem Dienstagmorgen. Einem sehr frühen Morgen.

      Tribent City schlief zu keiner Tages- oder Nachtzeit. Wenn überhaupt, dann wurde die Stadt ruhiger, aber selbst daran zweifelte Aiden. Dass auf den Straßen so wenig los war, lag schlicht und ergreifend daran, dass auf seiner Buslinie nie mehr Menschen unterwegs waren als der Bus tragen konnte. Nur mit Mühe unterdrückte Aiden ein Gähnen. Auf der hellen Spitze seines rechten Turnschuhs entdeckte er einen undefinierbaren Fleck. Er hielt sich an einer der Haltestangen fest, während er den Fleck an seinem Hosenbein abzureiben versuchte. In Gedanken ging er schon das Gespräch durch, das er in ein paar Minuten führen würde und das so ablaufen würde wie die letzten Gespräche auch.

      Die Nachtschwester hatte aufgeregt geklungen am Telefon, aber das überraschte Aiden nicht. Sie war noch neu und wusste den Wahrheitsgehalt von Mrs. Abernathys Worten noch nicht einzuschätzen. Als er etwa eine Viertelstunde später am Tor klingelte und vom Wächter auf seine Erklärung hin eingelassen wurde, fiel Aidens Blick auf den kleinen Ahorn, der ihm noch nicht einmal bis zu den Schultern reichte und dem die Altersresidenz ihren Namen verdankte. Kopfschüttelnd trat Aiden durch die automatische Schiebetür und seufzte auf. Wärme! Der Müdigkeit war es geschuldet, dass ihm kälter war als es natürlich gewesen wäre. Im Foyer roch es nach Desinfektions- und Reinigungsmitteln. Vermutlich war die Reinigungsfirma gerade fertig geworden mit Wischen.

      »Aiden! Oh Gott sei Dank! Da bist du ja!«, begrüßte ihn die aufgeregte Stimme, die er vor einer halben Stunde auch am Telefon gehört hatte.

      »Hm«, machte er nur müde. Er hatte gerade vier Stunden geschlafen und war alles andere als ausgeruht.

      »Sie hat gesagt, sie stirbt!«, rief Veronica Timberland, die neue Nachtschwester in mittlerem Alter. Ihr schwarzes Haar trug sie heute zu einem strengen Pferdeschwanz gebunden, die pflaumenfarbene Kleidung wies sie als Pflegekraft aus.

      »Hast du schon am Telefon gesagt«, murrte Aiden. »Und sie wollte sich partout nicht beruhigen lassen?«, hakte er nach, doch Veronica schüttelte schnell den Kopf.

      »Sie hat sich nicht einmal anfassen lassen. Ich konnte nichts tun, entschuldige.«

      Aiden winkte ab, versuchte ein Lächeln. »Ich geh mal hin.«

      Veronica nickte. »Ich muss leider weiter, es hat noch woanders geklingelt.«

      Aiden nickte nur, er war schon halb auf dem Weg zu Mrs. Abernathys kleiner Wohnung. An einer Wand im Flur hing ein Schild in verschnörkelter Schrift: ›Mapleleaf Residence - grow old and die with dignity‹. In Würde altern und sterben, das wünschte Aiden wirklich jedem, nicht nur seinen gut betuchten Klienten. Leise schnaubte er, öffnete im Gehen seine Jacke. Selbst Mrs. Abernathy wünschte er das, obwohl es ihm die alte Dame wirklich nicht leicht machte. Er klopfte leise an die Tür, an der ihr Name stand.

      »Mrs. Abernathy?«

      Eine klägliche Stimme drang an sein Ohr. »Mr. Miller!«

      Er nahm das als Zeichen und trat ein, schloss die Tür hinter sich. Der typische schwere Geruch ihres blumigen Parfüms hing in der Luft. »Ich sterbe«, verkündete die alte Dame und innerlich stöhnte Aiden auf.

      »Ich habe schon gehört, Mrs. Abernathy.« Es war zwar körperlich nicht möglich, noch ein siebzehntes Mal zu sterben, aber er nahm seine Klienten immer ernst. Er fand Mrs. Abernathy im Schlafzimmer, ordentlich in Nachtwäsche gehüllt und im Bett drapiert. Er sah sofort, dass es falscher Alarm war. »Woran liegt es denn diesmal?«, fragte er dennoch einfühlsam, setzte sich auf die Bettkante und griff nach der Hand der Dame, die ihm aus einem runzeligen kleinen Gesicht ansah.

      »Ich habe es mir fest vorgenommen«, nickte sie. Ihre blauen Augen sahen klar zu ihm auf, ihr Puls lag kräftig unter Aidens Fingerspitzen. Er ging regelmäßig, also lächelte er nur.

      »Wir haben das doch schon besprochen, Mrs. Abernathy. Ich bin ein Mann mit einem eigenen Leben wie Ihre Söhne auch und...«

      »Meine Söhne sind nichtsnutzige, einfältige Dummschwätzer und sonst nichts! Sie dagegen sind ganz anders.«

      »Nun, danke. Sie haben der Nachtschwester einen ziemlichen Schrecken eingejagt als Sie ihr sagten, Sie würden sterben.«

      »Ich sterbe ja auch! Ich zeige es Ihnen.« Sie legte sich zurecht, schloss die Augen und sah dann einen Moment ganz angestrengt aus. Aiden wartete ab, denn er wusste, es würde nichts passieren. Nach einer Weile hob sich ein Augenlid und ein helles blaues Auge sah zu ihm auf. Er lächelte nur und begann dann das Gespräch, das er sich auf dem Weg hierher zurecht gelegt hatte.

      Als Aiden die Zimmertür wieder hinter sich zuzog, seufzte er tonlos und schloss einen Moment die brennenden Augen. Mrs. Abernathy war eingeschlafen. Nicht für immer und beinahe war Aiden versucht, ein ›leider‹ hinzuzufügen. Die Frau wollte sterben. Sie hatte ihr Leben gelebt, hatte drei Söhne großgezogen, die ihrem eigenen Leben nachgingen und tolle Menschen waren, obgleich sie ihre Mutter selten besuchten.

      »Und?«, fragte eine Stimme neben ihm und er schreckte zusammen, öffnete die Augen. Neben ihm stand Veronica.

      »Wie ich dir schon am Telefon erklärt habe. Sie stirbt natürlich nicht.« Veronica gab ein erleichtertes »Puh!« von sich, das Aiden zum Lächeln brachte. Er ging langsam zurück ins Foyer. »Ich glaube nicht, dass sie noch einmal aufwacht und Zicken macht, aber wenn doch, dann erinnere sie bitte an die Abmachung, die sie mit mir hat. Ich bin sicher, dass sie in den nächsten Wochen nicht stirbt. Und auch nicht in den nächsten Monaten. Wahrscheinlich überlebt sie uns sogar alle«, murmelte Aiden und Veronica nickte.

      »Solange sie noch das Personal herumscheuchen kann...«, deutete sie an und Aiden lachte leise.

      »Na siehst du, du gewöhnst dich ein. Ist sonst alles in Ordnung?«