Kugel von ihrer Aufgabe zwangsentbunden worden. Jonathan Tailor vernähte die Wundränder und schluckte ein paar Antibiotika, die er in einem Wandschrank gefunden hatte.
Von diesem Moment an konnte Jonathan Tailor nur noch die Körper der Frauen bewundern, auf eine Reaktion hinter dem Reißverschluss seiner Hose wartete er vergebens.
Kapitel 10
»Was darf es sein Fremder?«
»Haben Sie den Spruch aus einem Film?«, antwortete Damian.
Ashley verdrehte die Augen und hoffte nur, dass der Dicke eine Funken Humor in seinem riesigen Leib hatte.
Dieser zeigte mit seinem wurstartigen Fingern auf Damian und zog die Mundwinkel nach oben.
»Genau«, mehr sagte er nicht und die Lage entspannte sich für Ashley.
»Wir auf der Durchreise und ...«
»Das ist jeder und wer bleibt, der stirbt hier auch«, unterbrach ihm der Koch.
»Bräuchten für ein paar Tage einen Job«, beendete Damian den Satz.
Der dicke Mann kratzte sich am Kopf und pulte die Schuppen, die sich unter seinen Fingernägeln angesammelt hatten, heraus.
»Warum nicht, die süße Maus könnte mir bestimmt den einen oder anderen extra Kunden bringen«, sagte der Besitzer des Diners und knipste ein Auge zu.
Ashley lächelte gequält und wünschte dem Dicken schon jetzt das Höllenfeuer.
»Und wenn du«, dabei zeigte er wieder mit seinem Wurstfinger auf Damian, »bei deinem alten Herrn schon mal einen Burger gewendet hast, könntest du mir in der Küche zu Hand gehen. Wenn ihr wollt, schlagt ein. Ich zahle aber nur den Mindestlohn und wenn ihr Hunger habt, müsst ihr zahlen, wie die anderen auch«, er streckte Damian seine riesige Hand hin und dieser schlug ein.
Das Bett knarrte, als sich Damian zu Ashley drehte. Eine kaum wahrnehmbare Wolke Lavendel entwich der Bettwäsche.
»Wohin gehst du nach dem hier?«, fragte er.
Ashley wischte Damians Hand mit gespielter Empörung weg. Seine Finger waren schon die ganze Zeit auf ihrem Körper gewandert und es war nur noch eine Frage der Zeit, bevor sie unter ihrer Kleidung auf Tauchstation gehen würden.
Statt einer Antwort zuckte sie mit den Schultern.
»Was bedeutet«, Damian wiederholte mehrfach das Schulterzucken.
»Ich dachte, du hättest dich an mehreren Universitäten beworben.«
»Habe ich auch«, antwortete Ashley kurz.
»Und? Hast du eine Zusage bekommen?«
Ashley schaute eine Weile zur Decke und schwieg.
Nach einer kleinen Ewigkeit setzte sie sich auf, lehnte sich an das hölzerne Kopfteil des Bettes und schlang die Arme um ihre Knie. Ashleys Augen waren gerötet und Tränen bildeten sich in den Augenwinkeln.
»Ich habe mich nur beworben, weil meine Eltern es wollten«
»Aber wenn du es nicht willst, warum hast du das gemacht«, Unverständnis schwang in Damians Stimme mit.
»Weil ich es satt habe, mich andauernd mit meinen Eltern zu streiten. Immer und immer wieder nörgeln die an mir rum. Ich kann ihnen gar nichts recht machen. Und wenn es ganz schlimm kommt, dann bekomme ich meine karrieregeile Schwester vorgehalten. Schau mal Ashley, Allison hat ihr Jura-Studium mit Auszeichnung abgeschlossen. Weißt du, was danach passiert ist?«
Damian schüttelte den Kopf.
»Sie haben mit Allison eine Tour gemacht. Alle Verwandte und Freunde durften ein Loblied auf die fleißige kleine Allison singen. Zum Kotzen.«
»Verstehe, aber warum hast du dich trotzdem beworben?«
»Ich wollte für mich wissen, ob ich etwas tauge. Es ist nicht einfach, im Schatten solch einer Schwester zu stehen. Ja, ich habe Zusagen bekommen, in amerikanischer Literatur, also fern ab des Glammers, dann habe ich angefangen, auf mein Herz zu hören.«
Ashley lachte und eine Träne löste sich aus den Augenwinkeln und rollte die Wange hinunter.
»Ich habe den Briefkopf der Universität genommen, eine nette Absage geschrieben und sie meinen Eltern unter die Nase gehalten. Ab jetzt werde ich entscheiden, was ich mache und wann ich es mache. Vielleicht studiere ich nach dieser Reise, vielleicht führt uns der Weg auch woanders hin.«
Damian strich Ashley die Träne trocken und küsste sie auf den Mund.
Damian hatte von ihrem ersten Lohn in »Waterburgh Diner« eine Flasche Rotwein gekauft. Er entkorkte sie und reichte sie Ashley, damit sie den ersten Zug nehmen konnte.
»Auf die Freiheit und dass am Ende der Straße für uns ein großer Topf voll Gold wartet.«, mit diesem Worten nahm er die Flasche und trank einen langen Schluck Rotwein.
Als die Flasche leer war, hatte Ashley auch nichts mehr dagegen, dass Damians Finger wieder auf Wanderschaft gingen.
Kapitel 11
Damian und Ashley waren für die Spätschicht im »Waterburgh Diner« eingeteilt. Dies bedeutete, dass Jonathan Tailor, der Koch und Besitzer des Diners, in der Striptease Bar nebenan saß, Bier trank, gierig auf die Titten der Stripperinnen starrte und ihnen ab und zu einen Dollar in den Tanga steckte. Von Zeit zu Zeit sah er nach dem Rechten, kommandierte Damian und Ashley unnötigerweise hin und her, nur um seine Anwesenheit zu rechtfertigen.
Das Diner war gut besucht. Zum Teil waren es Stammgäste und zum andern Teil Trucker oder Reisende, die sich vor der Fahrt durch die Nacht noch einmal stärken wollten.
Damian hatte schnell gelernt, wie man aus billigem und fettigem Fleisch Burger briet. Mit den scharfen Messern hatte er sich auch angefreundet, obwohl die ersten Versuche die Zwiebeln blutrot gefärbt hatten. Danach hatte er gelernt, die Finger zu krümmen und den scharfen Stahl daran vorbeizuführen.
Weder dem Koch noch Damian war Sauberkeit sonderlich wichtig. Ein fettiger Schleier lag auf der Küche und in der Luft. Kakerlakenleichen sammelten sich an Stellen, die man auf den ersten Blick nicht sah. Nach kurzer Zeit hatte sich Damian daran gewöhnt und nahm die Umgebung nicht mehr wahr. Nur Ashley fiel der unangenehme Fettgeruch auf, meistens dann, wenn sie es miteinander trieben und Damian die Anstrengung aus den Poren schwitzte.
Ashley fühlte sich als Bedienung nicht sonderlich wohl und fragte sich das eine andere Mal, ob dies wirklich der Preis für den großen Traum »Freiheit« ist.
Das rot-weiß gestreifte Kleid, das sie als Uniform anziehen sollte, war ihr eine Nummer zu klein, so dass sie sich jeden Tag hereinzwängen musste. Die Nähte waren hart an ihrer Belastungsgrenze, obwohl Ashley zu den Frauen zählte, die kein Gramm zu viel an den wichtigsten Stellen hatten.
Über ihren kleinen Busen hatte sie ein selbstgeschriebenes Namensschild angebracht. An manchen Abenden hatte sie das Gefühl, dass nicht »Ashley« sondern »Ich will dich ficken« über ihren Titten stand.
Damian beobachtete Ashley durch die kleine Luke, die die Küche vom Gastraum trennte. Sein Adrenalin pumpte durch die Adern, als er immer wieder bemerkte, wie die Kerle versuchten, Ashley anzubaggern. Einige Male, als er sah, dass die Situation aus dem Ruder zu laufen schien, drapierte er sich an der Schwingtür zu Küche, das große Kochmesser in die Schnürung der Schürze gesteckt. Er wirkte, und dies war beabsichtigt, wie ein Pirat, der die Lage abschätzt, um kurz darauf ein Inferno losbrechen zu lassen.
Die Lage beruhigte sich meistens schnell wieder. Aber Damian wusste, dass es nur eine Frage der Zeit war, bis ein Kerl das Diner betrat, der sich nicht so schnell einschüchtern lassen würde. Er erzählte Ashley nichts von seinen Befürchtungen. Angst war genau das, was er überhaupt nicht gebrauchen konnte.
Kapitel 12