Michael Feldmann

Ein neuer Anfang


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      Ben schaute Mark wie ein begossener Pudel an.

      „Du hast ja recht, Kleiner. Ich habe dir schon oft genug gesagt, dass ich noch nie für einen Menschen so viel empfunden habe, wie für dich, aber meine Triebhaftigkeit und der Drang, meine dunkle Seite ausbrechen zu lassen, ist etwas, was ich sehr schlecht steuern kann. Das ist mein einziger Fehler, auch wenn es nicht gerade eine Lappalie ist. Ich habe dich bei Chantalle mit eingebunden, weil ich dich durch meine ständige Gier nach Gummi-Sex und BDSM nicht verlieren möchte. Du solltest ein Teil davon werden. Wenn es dir Spaß gemacht hätte, da muss ich ehrlich sein, hätte ich dir vorgeschlagen, die Dienste bei Chantalle nur noch im Doppelpack anzubieten. Mein Handeln und meine Entscheidung zeigen dir aber eindeutig, was mir im Leben wichtig ist. Die Hochzeit steht nun im Vordergrund. Ich freue mich darauf wie ein Schneekönig. Wir werden eine Feier im kleinen Kreis zelebrieren, wenn du nichts dagegen hast.“

      Er grinste und holte tief Luft. Dann sprach er weiter und drückte Marks Hand.

      2 - Schöne Pläne

      „Selbst für unseren Tag habe ich mir etwas Besonderes einfallen lassen. Die standesamtliche Trauung wird ganz normal beim hiesigen Amt stattfinden. Die Anzüge werden wir uns bei La Strada fertigen lassen. Antonio ist der beste Maßschneider im Umkreis. Er verwendet für seine Kollektionen nur die feinsten Stoffe der Welt. Ich habe das Bild schon vor Augen. Du und ich im edlen Dreiteiler. Der Moment, wo wir zwei uns die Ringe anstecken und den Kuss geben, spielt sich wie eine suggestive Werbung immer wieder vor meinen Augen ab. Als wenn wir es schon erlebt hätten. Es soll nichts überstürzt werden, aber es würde mich freuen, wenn du mir die komplette Planung überlässt. Ich werde mir einfach ein paar Stunden in der Kanzlei freischaufeln und gewisse Termine planen. Du bist in deiner Arbeitsgestaltung sowieso ein wenig flexibler als ich, so dass ich davon ausgehe, dass du dich auf gewisse Dinge einstellen kannst, wenn ich sie arrangiere, oder?“

      Der Anwalt schaute Mark fragend an. Das Gespräch hatte für ihn eine angenehme Wendung genommen. Seine Augen leuchteten bei dem Gedanken an das vorstehende Ereignis.

      „Macht dich das glücklich, Kleiner?“

      Dieser nickte.

      „Ich wünsche mir momentan nichts mehr auf der Welt.“

      Ben streichelte ihm zärtlich über den Kopf, wie ein Vater seinem Sohn, der ihm gerade von einer Eins in der Matheklausur berichtet hatte.

      „Warte mal ab, Kleiner. Der Abend wird eine komplette Kehrtwende. Auch dann ist Anzugpflicht und wir werden weiterhin galant unseren Gästen gegenübertreten. Nur das Material wird sich ändern. Ich wollte schon immer in Latex heiraten. Aber ich denke, auf dem Standesamt macht sich das nicht so gut. Für die anschließenden Stunden habe ich uns diesen Wunsch erfüllt. Es wird auch eine Pflicht für alle anwesenden Gäste sein. Den Auftrag für unsere Nadelstreifenanzüge aus dunkelblauem Latex habe ich bereits in Auftrag gegeben. Sag nicht, ich habe kein Auge für deine Maße. Die Latexkleidung, die du bisher bei mir getragen hast, war wie maßgeschneidert. Außerdem habe ich einer sehr angesagten Schneiderin, die sich auf Latex spezialisiert hat, einen deiner Cinque Anzüge vorbeigebracht. Es ist der schwarze Anzug, den du letztens auf deiner Tour angehabt hast. Er sitzt dir ausgezeichnet und dein Knackarsch ist in der Hose zum Anbeißen. Die Feier findet abends im Schloss De Sade statt. Eine Location, die in der Regel für regelmäßige Fetish-Events bekannt ist. Es wird aber keine Swinger Party, Kleiner. Keine Angst. Eigentlich wollte ich dir das alles noch gar nicht verraten, aber ich bin einfach zu aufgeregt. Du wirst dich aber über die Gestaltung des eigens angemieteten Festsaals im Schloss wundern. Das bleibt bis zum Hochzeitstag ein Geheimnis. Nur so viel möchte ich dir sagen. Der Geruch von Gummi wird mehr als allgegenwärtig sein. Die Spielräume werden verschlossen. Von den Gästen soll ja schließlich keiner erfahren, was für ein Schweinchen der kleine Mark ist.“

      Er kniff ihm leicht ein Auge zu.

      „Über die Gästeliste werden wir uns noch unterhalten. Das ist ein Thema, was uns beide betrifft. Aber ich möchte, auch wenn mir egal ist, was die Öffentlichkeit sagt, meine Homosexualität nicht gerade auf dem Präsentierteller darlegen. Die Leute, die geladen werden, sind über uns durchaus im Bilde. Ich meine natürlich die Leute, die ich schon auf die Liste gesetzt habe. Du kannst sie dir gerne zuhause anschauen. Ich habe sie im Büro in einem eigens angelegten Hochzeitsordner abgeheftet. Mein beruflicher Erfolg kommt nicht von ungefähr. Egal, was ich plane, es ist immer gut durchstrukturiert.“

      Der Wagen stoppte. Die Scheinwerfer der englischen Limousine tanzten wie kleine Irrlichter an der hellen Hauswand entlang. Kleine und große Insekten gesellten sich zu diesem bizarren Spiel.

      Ben drehte den Schlüssel im Eingangsschloss und blickte sich zu Schneewittchen um, die während der ganzen Fahrt keinen Ton von sich gegeben hatte. Die Kleine war schachmatt. Für sie war heute vieles neu gewesen und in einer gewissen Art und Weise, wenn auch anders als bei Mark, eine unbekannte Herausforderung.

      Die beiden Männer waren einfach nur platt. Auch wenn der Abend sehr viele geile und aufregende Situationen mit sich gebracht hatte, war die Energie nun komplett verpufft.

      Behutsam zog Mark das handliche Körbchen der kleinen Hundedame in langsamen Zügen zu sich heran durch die offene Hintertür des Autos. Schneewittchen war bereits wieder eingeschlafen. Als sie gestoppt hatten und Ben aus dem Wagen gestiegen war, hatte sie nur einmal kurz mit einem halb geöffneten Auge die Lage gepeilt. Einen kleinen Augenblick später war schon wieder ihr gleichmäßiges Schnarchen zu vernehmen gewesen.

      Mark legte beide Hände unter die stabile Fläche des gepolsterten Lederkissens wie die Arme eines Gabelstaplers und versuchte dabei, keinen unnötigen Laut von sich zu geben. Das Mädchen sah so friedlich aus. Er beneidete sie in diesem Moment sehr, da er sich auch nichts sehnlicher wünschte, als endlich im Bett zu liegen. Ben schien es wohl nicht anders zu ergehen.

      Nachdem er das Auto verlassen und sich die beiden Koffern ähnlichen Taschen mit den Gummisachen gepackt hatte, war er schweigend Richtung Haustür verschwunden. In dem Moment, wo er sie aufschloss, piepte der Luxuswagen kurz im Hintergrund und die Scheinwerfer blinkten zweimal kurz hintereinander auf. Automatisch schaute Mark auf die kleine Hundedame. Doch sie war im tiefsten Hundeschlaf. Selbst ihre Ohren, die sonst immer wie Teleskope eines U-Bootes hin und her gingen, waren im Schlafmodus.

      So redselig der Anwalt auch gerade gewesen war, so schweigsam war er jetzt.

      Mark trottete ihm einfach hinterher. Dass die beiden Taschen mit dem intensiv riechenden Inhalt einfach in der Diele in die Ecke gestellt worden waren, bewies, wie kaputt Ben war. Es war sonst nicht seine Art, so nachlässig zu handeln.

      Seine Gabelstaplerarme fuhren behutsam nach unten und er legte Schneewittchen mit dem Lederkissen lautlos auf dem persischen Läufer in der Essecke ab.

      Dann folgte er einfach nur Bens Spur aus Textilien. Einer der italienischer Designerschuhe des Anwalts lag im Fußbereich vor der Treppe, der andere bereits auf der zweiten Stufe. Die Hose mit Bügelfalte und schmalem Ledergürtel hatte Ben in der ersten Etage über die Brüstung des Geländers geworfen. Als Mark das Schlafzimmer betrat, stolperte er fast über ein Knäuel aus Hemd, Weste und Krawatte. Die Situation erinnerte ihn irgendwie sehr stark an Hänsel und Gretel, das Märchen, welches ihm seine Großmutter als Kleinkind immer wieder erzählen musste. Nur handelte es sich hier nicht um Brotkrumen, die den richtigen Weg markierten.

      Der Anwalt lag schon, nur noch mit einem Latexslip begleitet, in Bauchlage quer auf dem Bett und schnarchte fast so, wie Mark es gerade noch von Schneewittchen vernommen hatte. Auch er war hundemüde, musste aber über Ben grinsen.

      „Du geiler Sexprotz. Selbst nach einem so intensiven Gummiabend kannst du dich von dem Material nicht trennen!“

      Mark war die Ordnung, die er normalerweise über alles liebte, nun auch egal. Der Rest der Familie schlief, und er wollte ebenfalls endlich die Augen zu machen. Morgen würde ihn der Alltag wiederhaben wollen und er musste tatsächlich ein wenig Gas geben, um die Bequemlichkeiten