höre Emily tief Luft schnappen. »Dich hat es ja voll erwischt.«
»Warum? Weil ich ihn in Schutz nehme?«
»Wahrscheinlich.«
Ich reibe mir die Augen. »Ich weiß nicht, was es ist, was ich für ihn empfinde. Vielleicht sollte ich mich von ihm durchvögeln lassen, damit der Druck zwischen meinen Beinen nachlässt. Und wenn ich Glück habe, verpuffen ja meine Gefühle für ihn.«
»Was?!« Em prustet voller Lautstärke los.
Entsetzt schlage ich mir die Hand an die Stirn. »Habe ich das jetzt wirklich laut ausgesprochen?«
»So was von.«
Ich bin mir sicher, sie nickt eifrig und tupft sich Lachtränen weg. Von meiner besten Freundin, die sich im Moment bestimmt kugelt vor Lachen, kann ich wohl in den nächsten Sekunden keine Antwort erwarten. Auch wenn ich es nicht lustig finde, muss ich ebenfalls grinsen.
»Cee?«, fragt mich Emily, nachdem sie sich wieder beruhigt hat. »Ich weiß nicht, ob ich deine Idee gut oder absolut bescheuert finden soll.«
»Ich auch nicht. Wahrscheinlich bin ich gar nicht sein Typ.«
»Wie kommst du darauf?«
»Nur so ein Gefühl.«
»Schwachsinn. Hat er etwas gesagt oder getan?«
Mir stiehlt sich das Treffen von heute Morgen vor mein inneres Auge. Ich sehe Dylan, wie er ruckartig seine Hand weggezogen hat, als sich unsere Finger berührt haben.
Ich bin hübsch, aber keine wahre Schönheit. Und solche Typen wie Sawyer stehen bestimmt auf makellose, schlanke Frauenkörper. So wie die auf dem Parkplatz vor dem Supermarkt.
»Ich glaube, er mag es nicht, wenn ich ihm zu nahe komme.«
»Wie das? Warte ...« Ich weiß, dass Em in diesem Augenblick einen Finger in die Höhe hält und die Brauen zusammenzieht. Das macht sie immer, wenn ihr etwas durch den Kopf geht und sie versucht den Gedanken zu fassen. »Hast du ihn etwa schon wieder getroffen?«
»Er hat mich gefragt, ob ich mir seine Arbeit ansehen will.«
»Das hast du dir natürlich nicht entgehen lassen.«
Ich zucke mit den Schultern, obwohl Emily mich nicht sehen kann. »Warum sollte ich?«
»Weil er irgendwie schräg ist?«
»Ich finde ihn interessant. Allerdings ... Er hat mich nach kurzer Zeit rausgeworfen.«
»Wie bitte?«
»Er hatte plötzlich keine Lust mehr auf meine Gesellschaft. Ich wüsste gern warum.«
»Das heißt, du lässt ihm das einfach so durchgehen?«
Wieder zucke ich mit den Schultern. »Mag sein.«
Als ich Schritte höre, hebe ich den Kopf und sehe meinen Singelgast über die Wiese kommen. »Bis nachher, okay? Ich muss mich um Miguel kümmern.«
»Miguel? Wer ist denn das nun wieder?«
»Er übernachtet im Blue House Inn.«
»Ist er heiß? Wie sieht er aus?«
Ich muss mir ein Lachen verkneifen. »Groß, schlank, blonde Haare, blaue Augen. Nicht von schlechten Eltern.«
»Lass dich doch von ihm durchnudeln. Der kann dich bestimmt auch auf andere Gedanken bringen. Weg von einem gewissen Sawyer.«
»Geht’s noch?«
»War nur so ein Vorschlag.«
»Du weißt ganz genau, dass ich nichts mit meinen Gästen anfange. Und jetzt lege ich auf.«
Ich erhebe mich und schiebe mein Handy in die Hose zurück. In dem Moment kommt Miguel auf die Veranda.
»Hallo Miguel.«
»Hey Cécile. Ein schöner Tag heute, nicht?«
Ich nicke.
Miguel ist zwei Jahre jünger als ich – gleich alt wie mein Bruder Chase. Aber Miguel erscheint mir gesetzter als mein Brüderchen. Vielleicht liegt es daran, dass Miguel kaum lächelt. Dennoch ist er nett und interessiert sich für verschiedenste Dinge.
»Und was hast du dir heute angesehen?«
»Ich war in der Kunstgalerie und habe mir ein paar Souvenirs in der Main Street gekauft. Danach habe ich im Hometown Diner einen Burger verdrückt. So, wie du es empfohlen hast.«
»Und, hat er geschmeckt?«
Miguel bildet mit drei Fingern einen Kreis und küsst deren Fingerspitzen. »Exquisit.«
Ich lächle. »Ich werde es Dan weiterleiten. Morgen geht es also weiter?«
»Ja, mein nächster Stopp ist in Delaware.«
»Hast du schon Pläne da?«
»Ich muss unbedingt durch den Park mit den wilden Pferden fahren. Stimmt es, dass die Pferde frei herumlaufen? Auch zwischen den Badegästen am Strand?«
»Absolut. Ich kann dir versichern, das ist kein Fake. Du wirst Augen machen, glaub mir. So«, seufze ich und sehe zur Wäsche rüber, »ich muss weitermachen.«
»Es war echt schön hier. Wer weiß, vielleicht komme ich mal wieder.«
»Würde mich freuen.« Ich wende den Blick ab, als mir Miguel etwas zu lange in die Augen sieht. Er ist hübsch - kein Thema -, aber nicht mein Typ und obendrein mein Gast. »Genieß deinen letzten Abend in Little Pearl.«
Miguel fährt sich durch den blonden Wuschelkopf. Wahrscheinlich sucht er nach Worten, um mich zu fragen, ob ich den Abend mit ihm verbringen will. Es wäre nicht das erste und bestimmt nicht das letzte Mal, wo ich einem meiner Kunden eine Abfuhr erteilen müsste.
Ehe es peinlich werden kann, gehe ich zur Wäscheleine, um die trockenen Bettbezüge abzunehmen. Als ich höre, dass die Fliegengittertür geht, atme ich erleichtert aus.
Meine heutige Arbeit ist erledigt. Ich habe noch etwas Zeit, bis Emily auftaucht, weshalb ich jetzt meine Badesachen einpacke, um meinem Hobby nachzugehen: Ein paar Bahnen schwimmen. Ich liebe es eine Länge nach der anderen kraulend zurückzulegen. Durchs Wasser zu gleiten, während meine Arme und Beine in gleichmäßigem Rhythmus in Bewegung sind. Zum Schluss versuche ich immer, meinen Rekord im Tauchen zu brechen. Einunddreißig Meter ist meine Bestleistung.
Seit Dads Unfall gehen wir oft zusammen schwimmen. Doch heute möchte ich mich kurz auspowern. Außerdem habe ich Angst, ich könnte mich verraten, ich könnte ihm von Dylan erzählen. Dad hat so etwas wie einen sechsten Sinn. Und da ich schon den ganzen Tag an einen gewissen Restaurator denken muss, ist es besser, ich gehe allein.
Mit meiner vollen Tasche sause ich nach draußen und steige in mein Auto. Schon nach kurzer Fahrt bin ich beim Hallenbad. Es ist ziemlich voll und jede Bahn besetzt. Das ist immer so. Das und dass das Wasser anfangs kalt ist, sind für mich die einzigen Nachteile in diesem Sport. Schnell ziehe ich mich um, fasse meine Haare zusammen und binde sie zu einem Knoten.
Die ersten zwei Bahnen bringe ich in gemütlichem Brustschwimmen hinter mich, um mich aufzuwärmen. Danach wechsle ich ab zwischen Kraul-, Rücken- und Brustschwimmen. Ab und zu versuche ich den Schmetterling. Aber auch nach Jahren üben, ist er für mich nach wie vor die schwierigste und kräftezehrendste Schwimmtechnik.
Zwei Kilometer und ein Tauchgang von dreißig Metern später steige ich aus dem Becken. Ich bin erschöpft, aber zufrieden mit meiner Leistung, und wie sich meine Muskeln anfühlen.
Nach einer kurzen Dusche steige ich in mein Auto und mache mich auf den Heimweg. Als ich mich einer bestimmten Abzweigung nähere, beginnt mein Puls zu rasen und mein Hirn zu arbeiten. Ich zähle schnell die Pro- gegen die Kontrapunkte auf und schon setze ich den Blinker. Auch wenn viel mehr dagegen- statt dafürspricht, zu Dylan zu fahren.
Gerade