Sigrid Kraft

Ardeen – Band 10 | Teil 1


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richtig hier, sondern schickt nur ein lächerliches Trugbild. Verdammtes poxiges Arschloch. Die Dämonen der Hölle sollen dich fressen.“ Nachdem er seinem Ärger freien Lauf gelassen hatte, glitt er wieder in den apathischen Zustand hinüber, in dem er sich die meiste Zeit über befand.

      Noch ein drittes Mal an diesem Tag bekam er Besuch. Er stand gerade vor dem Fenster und überlegte, wie lange es wohl noch hell sein würde, als er das Gefühl hatte, jemand stünde direkt hinter ihm. Eryn fuhr herum und da saß Meister Raiden im Schneidersitz auf dem Sandbett.

      „Du bist also zu unfähig, um den Magieblocker zu entfernen, Nurin.“

      Er lässt mich immer dumm aussehen. „Dann zeig es mir doch“, brauste Eryn auf.

      Prinz Raiden ging auf diese Forderung gar nicht ein, sondern meinte lediglich:

      „Aus dir wird nie ein brauchbarer Magier werden, Nurin. Es ist nur recht und billig, dass du dich selbst eingesperrt hast. Ein Fennrebell wie du gehört weggesperrt. Du bist eine Gefahr für dich und andere.“

      Warum ist Prinz Raiden überhaupt hier? Spielt Ador seine Spielchen mit mir? Aber dann kam Eryn noch eine andere Erklärung. „Das hier ist nicht real.“ Es ist mein eigener Geist, der mir diesen üblen Streich spielt. Hier manifestieren sich meine Ängste und meine Wünsche. Halluzinationen eines verwirrten Hirns. Eryn sah weg und konzentrierte sich auf die Fische, die in dem Vorratsbecken schwammen. Als er wieder aufsah, war Prinz Raiden verschwunden und das Bett war wieder leer.

      Das brachte ihm einen Moment der Erleichterung, denn seine Flucht war nicht vergebens gewesen. Natürlich bestand immer noch eine gewisse Wahrscheinlichkeit, dass Ador ihn mit diesen Trugbildern heimsuchte, denn die Illusionen kamen immer wieder. Meist war es Ador, doch auch Meister Raiden und andere Personen, die er kannte, tauchten auf. Vor allem jene, zu denen er ein schwieriges Verhältnis gehabt hatte. Sir Haerkin befand sich darunter und auch Meister Tellenor und Meister Savyen, obwohl ihm dieser zur Flucht verholfen hatte. Einmal tauchte auch der Forscherdrache auf und verkündete, dass er das Forschungsobjekt Nummer eins fressen wolle, um den unterschiedlichen Geschmack der Forschungsobjekte zu katalogisieren.

      Eryn gewöhnte sich schnell an diese Halluzinationen. Manchmal unterhielt er sich mit ihnen sogar ganz gerne, denn sie vermittelten ihm das Gefühl, nicht alleine zu sein.

      So verstrichen die nächsten Tage und wenn er gerade keinen Besuch hatte, lag Eryn oft antriebslos auf dem Haufen Seegras und döste. Manchmal aß er etwas und hin und wieder unternahm er einen Versuch, die Fußfessel zu zerstören. Aber bisher hatte er nicht mehr zustande gebracht, als eine dünne Rille in die Oberfläche des Metalls zu kratzen. Etwas mehr Erfolg hatte er beim Anker in der Mauer. Dort war es ihm gelungen ein paar Gesteinssplitter herauszuschlagen. Allerdings nicht genug, um den tief sitzenden Anker freizubekommen. Doch selbst wenn er die Kette vom Felsen lösen könnte, dann verhinderte immer noch der metallene Magieblocker um seinen Knöchel, dass er seine Magie würde gebrauchen können. Doch ohne Magie war es so gut wie unmöglich, von diesem kargen Felsen zu entkommen. Die Kette selbst war lang genug, sodass er sogar problemlos den Raum verlassen konnte.

      Um den Wind abzuhalten hatte Eryn nämlich einen schmalen Einlass in den Stein gegraben, der steil eineinhalb Schritte nach oben führte und dann in einem ovalen Durchlass nach draußen mündete. Dort gab es dann nur mehr einen kleinen Vorsprung, bevor der Fels kerzengerade in die Tiefe abfiel.

      Manchmal stand Eryn dort am Abgrund und sah den Wellen zu, wie sie in der Ferne immer kleiner wurden, bis sich Wasser und Himmel in der verschwommenen Linie des Horizonts trafen.

      Zunächst war ihm nichts wichtig gewesen und die Zeit trieb nur so dahin, doch mit zunehmender Klarheit wurde er sich auch wieder der Probleme seiner derzeitigen Situation bewusst.

      Abgesehen mal von dem gierigen Verlangen nach Rauschkraut, welches er immer noch nicht kontrollieren konnte, würde ihm irgendwann auch die Nahrung ausgehen. Die Muscheln hatte er schon allesamt gegessen und nur, um noch etwas anderes als Fisch zu essen zu haben, kaute er auf dem Seegras herum und spuckte dann den faserigen Brei aus, wenn er ihn nicht gerade auf die Scheuerstelle am Fußgelenk aufbrachte.

      Fischhaufen und Wasservorrat hatten sich bereits halbiert und wenn diese Vorräte zur Neige gingen, dann hatte er ein richtiges Problem. Doch noch hoffte er auf eine Eingebung, wie es ihm gelingen könnte, die Fessel zu lösen.

      Meister Raiden hat immer behauptet, sich eines einzelnen Magieblockers zu entledigen, wäre einfach. Manchmal hatte er das sogar demonstriert, nur um Eryn zu verspotten. Aber der Herr des Schwarzen Turmes hatte seinen Schüler nie in dieses Geheimnis eingeweiht. Eine andere Möglichkeit war es, sich den Fuß abzuhacken. Dann könnte der eiserne Ring mit Leichtigkeit entfernt werden. Ein zerstörtes Glied konnte mit Magie wieder ersetzt werden, doch trotz dieses Wissens war Eryn zu solch einer drastischen Maßnahme noch nicht bereit. Somit blieben ihm lediglich die unmagischen Methoden und er kratzte mit dem zackigen Messer, benutzte die inzwischen abgebrochene Gabel wie einen Meißel und manchmal schlug er mit dem Stein auf das Eisen ein. Doch dabei hatte er sich bereits mehrfach verletzt und nun zierten weitere Abschürfungen und mehrere dunkle Blutergüsse sein Bein.

      Etwa eine weitere Woche verging und langsam wurde Eryns Verlangen nach dem Rauschkraut geringer, die Illusionen kamen seltener, sein Geist wurde deutlich klarer und die lethargische Antriebslosigkeit nahm ab. Allesamt gute Zeichen. Doch seine Vorräte nahmen ebenfalls stetig ab und im Trinkwasserbecken war der Wasserspiegel bereits auf eine Handbreite abgesunken.

      Ich muss das Wasser rationieren, dachte Eryn und etwas anderes bereitete ihm ein flaues Gefühl im Magen. Wenn ich den verdammten Reif nicht bald zerstören kann, dann muss ich meinen Fuß abschneiden. Und er begann damit, sich eine bessere Säge zu basteln. Dafür musste ein Blechteller herhalten, den er so lange hin und her bog, bis er in der Mitte auseinanderbrach. Er stanzte Zacken in die Bruchkante hinein und schaffte es sogar, den oberen Bereich derart umzubiegen, dass er dort seinen einzigen Löffel als Griff einsetzen konnte. Diese neue Säge benutzte er nicht, um am Metallreif herumzuschaben. Das würde die größeren Zacken nur stumpf werden lassen. Diese Zacken mussten scharf bleiben, wenn der Moment kam, an dem sie durch Fleisch und Knochen schneiden mussten. Doch noch hegte Eryn die Hoffnung, dass er den Reif irgendwie zerstören könnte. Die kleine Rille hatte mittlerweile eine Tiefe von zwei Millimetern erreicht, was ungefähr einem Fünftel der Metalldicke entsprach. Er arbeitete nun viel intensiver daran, denn ihm war klar, dass er bessere Fortschritte machen musste, um nicht auf den letzten Ausweg angewiesen zu sein.

      Seiner Schätzung nach blieben ihm noch ein paar Tage, wenn er das Wasser gut einteilte. Das Messer kratzte ständig und so fiel es Eryn zunächst gar nicht auf, dass der Wind draußen stärker wurde. Der Wind blies beständig und kam nie ganz zum Erliegen, doch jetzt braute sich etwas zusammen. Dunkle Wolkenberge türmten sich am Himmel auf und starke Böen peitschten über die See.

      So, wie der Raum angelegt war, hielt er den Wind gut ab, doch das Heulen vom Eingang her konnte man nun überdeutlich hören. Eryn sah von seiner Arbeit auf und ging zum Ausgang hinüber. Dort peitschte ihm bereits heftiger Regen aus schwarzblauen Wolken entgegen und große Wellen brachen sich an dem Felsen, sodass die Gischt bis zum Eingang emporspritzte.

      Mit Unbehagen zog sich Eryn wieder zurück in seine Kammer, denn ein Sturm zog auf. Immer heftiger heulte und rüttelte es und dann schlug Wasser gleich einem Hammer von draußen an die Scheibe des Fensters und ließ sie zerbrechen. Die nächste Welle trieb dann einen Schwall Wasser durch die Öffnung und Eryn mühte sich verzweifelt, das Loch abzudichten. Doch die Kräfte der wütenden Wellen waren einfach zu groß. Sie zerstörten seine kläglichen Bemühungen und warfen ihn selbst zu Boden. Dort sammelte sich bereits das eingedrungene Wasser und immer mehr kam herein, sodass Eryn den Rückzug antrat.

      Er begab sich in den schmalen Durchgang, der sich nach draußen öffnete. Der war so steil, dass es das Wasser noch nicht bis dorthin geschafft hatte, während es bereits knietief den Boden des Raumes bedeckte.

      Bei den Göttern, warum werde ich so heimgesucht? Das Wasser stieg und Eryn befand sich nun fast am Ende des Durchgangs. Auch vom Eingang spülte Wasser herein und lief die Schräge hinunter, um beim Befüllen des Raumes zu helfen. Inzwischen war die Nacht hereingebrochen