Boden abheben und schweben lassen. Flaschen fallen um, Bücher aus dem Regal. Ich kann gar nicht sagen, wo der Lärm herkommt, bis ich den Staub sehe, der aus dem Bad über den Flur ins Wohnzimmer rollt.
In meiner Badewanne liegt eine Waschmaschine.
Daneben schwimmen Fliesen, Scherben, Dielen, Schutt und eine einsame Gurkenscheibe. An der Decke, wo vorhin das Wolkengebilde zu sehen war, ist der Himmel jetzt aufgerissen. Aus dem ersten Stock stürzt Wasser herunter, das den Staub dämpft und in Schlamm verwandelt, bevor es weniger wird und schließlich nur noch tröpfelt.
»Francesca!«, rufe ich.
Oben rührt sich nichts.
»Francesca?«
Ich lauf aus der Wohnung, ein paar Stufen hinauf. Frau Neher, die Nachbarin aus dem zweiten Stock, kommt mir entgegen. »Da ist keiner«, sagt sie, »die sind weggefahren. Zu den Eltern.«
»Ja, Frau Neher, haben Sie den Lärm nicht gehört?«
Sie nickt mir zu und geht mit ihrer Tasche voller Friedhofskerzen an mir vorbei. Mir schießt ein Gedanke ein, der hebt mir kurz den Magen aus: Warum bin ich Francesca vor heute Abend noch nie im Stiegenhaus begegnet? Frau Neher hört schlecht, aber kann einer überhören, dass das Haus fast zusammenstürzt? Bin etwa ich die Verrückte in dieser Geschichte? Welche Zwanzigjährige sitzt denn bitte am Heiligen Abend zu Hause und wäscht?
Ich muss zurück in meine Wohnung und herausfinden, ob ich spinne oder nicht, dringend. Es erleichtert mich irgendwie, als ich sehe, dass wenigstens die Waschmaschine noch da, das Bad immer noch verwüstet ist. Und jetzt? Ich muss etwas Trockenes anziehen. Den Vermieter anrufen. Die Feuerwehr. Nur, mein Handy liegt irgendwo in diesem betörend duftenden Inferno.
»Besser, du sagst Claudio, Andrea und Sybille ab«, rät mir eine Stimme von oben.
In der Lücke, eingerahmt von gesplittertem Holz und Putz, schaut Francesca mit großen grünen Augen zu mir herunter. Dann geht im ganzen Haus das Licht aus.
»Weg da, das ist gefährlich!«, schreie ich, schriller als ich möchte. Weil ich Angst um sie hab. Wenn Francesca nicht bloß aus einem italienischen Phantasiejenseits erschienen ist, um mich vor einem ebenso lächerlichen wie grausamen Tod zu bewahren, ist die Gefahr noch nicht gebannt. Lebendige Menschen können abstürzen, sich verletzen oder wer weiß was. Hierbleiben können wir jedenfalls nicht.
Im Schein von Francescas Handy finde ich alles, was ich brauche: meine Kleider, meine Einkaufstaschen und sogar ein Hotel. Nur ein paar Häuser die Straße hinunter. Ich schwöre, dass ich es zum ersten Mal im Leben sehe. Der Portier ist auch überrascht, als wir auftauchen. Ich kann’s ihm nicht verdenken. Francesca sieht aus, als sei sie in der Wäsche eingelaufen. Über ihrem Oversize-Pullover trägt sie einen Mantel und Stiefel von mir. Meine nassen Haare sind mit Bauschutt paniert, aber der Geruch, den wir verbreiten – göttlich. Zimt, Lavendel, Bitterorange und ein Hauch Meeresalge. Vielleicht leiht uns der Portier deshalb seinen LED-Adventskranz. Mit Flackereffekt.
Francesca und ich teilen uns ein Zimmer. Wir teilen uns die Antipasti, die Einsamkeit, die Geschenke und den Gin. Zuerst sieht es aus, als wäre viel zu viel von allem da. Aber wie das immer so ist, irgendwann gegen Morgen ist alles weg.
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