Bernd Naumann

Unser Moritz


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mit großen Stöcken durch den Ort zogen, um alle jungen Katzen umzubringen. Sie kamen auch hier her, an diesen Holzstoß. Von niemandem dazu beauftragt, erschlugen sie die Kätzchen brutal und richteten zum Entsetzen der Leute, die hier wohnten, ein regelrechtes Blutbad an. Ich wurde selbst nicht Zeuge dieser grausigen Aktion, die Eltern haben mir von dem Vorfall berichtet.

      Es ist eine Aufgabe des Menschen, der unkontrollierten Vermehrung dieser Tiere zu begegnen. Erfolgt dieses mit humanen Mitteln und von der Notwendigkeit bestimmt, so handelt es sich um eine andere Sache, als wenn Brutalität und Freude am Töten im Spiel sind. Ich selbst würde es nicht fertig bringen, Katzenjunge zu töten, und Helga würde eine solche Aufgabe erst recht nicht übernehmen. Kater bringen keine Junge zur Welt, und so glauben wir, das Problem auf einfachste Weise gelöst zu haben. Man muss schon über einiges nachdenken, bevor man sich so einen kleinen Freund anschafft.

      Wenn ich an den Vorfall denke, der sich hier vor zwei Jahren abgespielt hat, und an andere Gefahren, die auf die Kleinen lauern, so möchte ich unser Kätzchen am liebsten gleich mitnehmen. Aber wir wollen uns erst sicher sein, dass es ein kleiner Kater ist. Zudem sind die Kleinen noch keine drei Wochen alt und werden noch gesäugt. Man kann sie der Katzenmutter so früh nicht wegnehmen.

      Weitere drei Wochen sollen vergehen, bis wir die Kleinen wiedersehen. Wir brauchen die Wochenenden, um mit den Arbeiten in unserem zukünftigen Heim vorwärtszukommen. Zimmer für Zimmer ist zu räumen und der Zustand der Räume in Ordnung zu bringen. Auch mit dem Grundstück müssen wir uns beschäftigen. Es wirkt wild und verwahrlost, übermannshohe Brennnesseln haben sich überall breit gemacht, und wir entdecken immer neue Ecken mit Abfällen und Gerümpel. Ein Ende der Arbeiten ist noch nicht abzusehen. Wir räumen allen Unrat beiseite, beginnen zu verändern, was uns nicht gefällt. Es ist noch nicht einmal ganz sicher, dass uns das Haus eines Tages gehören wird. Doch voller Optimismus scheuen wir weder Mühe noch den großen Zeitaufwand, um unserem Ziel ein Stück näherzukommen. Oft zwingt uns erst der Einbruch der Dunkelheit, Schluss zu machen und die Heimfahrt in das fünfzehn Kilometer entfernte Wohngebiet in der Bezirkshauptstadt anzutreten.

      Es ist der letzte Besuch bei den Eltern vor unserem Jahresurlaub, den wir für die Zeit von Ende August bis Mitte September geplant haben. Wir nehmen uns diesmal etwas mehr Zeit für den Besuch und fahren schon am Freitagabend. Wie immer stelle ich den alten Lada auf dem Wäscheplatz neben dem Garten meiner Eltern ab. Nun sind wir wirklich gespannt – keine Frage, wo es uns zuerst hinzieht. Wir laufen den kleinen Umweg, der am Holzstoß vorbeiführt. Aber diesmal sind keine Kinder hier. Nur die kleine Milchschale steht etwas verlassen vor dem Holzstoß. Ich muss mich fast auf den Boden legen, um in den kleinen flachen Hohlraum unter den alten Rundhölzern hineinblicken zu können. Nichts zu sehen – niemand da! Aber im Schälchen ist noch ein bisschen Milch. Ein Zeichen dafür, dass die Kätzchen noch nicht weg sind und von den Kindern versorgt werden.

      Wir wollen gerade weitergehen, da nähert sich eine ausgewachsene graue Katze vorsichtig dem Holzstoß. Die Ähnlichkeit in der Fellzeichnung ist ganz auffällig. Es besteht für uns kein Zweifel – das ist die Katzenmutter. „Na, wo hast du denn deine Kleinen?“, spricht Helga sie in so freundlichem Ton an, als müssten wir uns mit ihr gut stellen. „Miau“, ist die Antwort der grauen Katzenmutter. Sie bleibt stehen und mustert uns mit großen gelbgrünen Augen. Wir verstehen die Katzensprache nur ungenügend und wissen nun immer noch nicht, wo ihre Kleinen stecken.

      Eine Stunde später versuchen wir es ein zweites Mal. Wir gehen auf den Wäscheplatz und erkundigen uns bei ein paar Kindern, die hier spielen, nach dem Verbleib der Kätzchen.

      „Sie sind bei Hofmanns im Garten!“ Ein Junge mit dunkelblonden, zerzausten Haaren führt uns einen schmalen Fußweg entlang, der in der Nähe des Holzstoßes beginnt und schräg durch die Gärten in Richtung des angrenzenden Hochwaldes führt. Es ist nur ein kurzes Stück bis Hofmanns Garten. Der Junge bleibt vor uns stehen und schaut zwischen den Zaunlatten hindurch. Und tatsächlich – hier sind die beiden. Und wie groß sie schon geworden sind! Die beiden grauen Kätzchen spielen und tollen im Gras herum. Sie balgen miteinander und drehen vor lauter Übermut Purzelbäume. „Süß sind die beiden!“, sagt Helga. Ich finde auch, dass es zwei ganz hübsche liebe Kätzchen sind.

      „Die Katzenmutter gehört wohl Frau Hofmann?“, frage ich den Jungen mit dem dunkelblonden Haarschopf. Seine Antwort kommt ohne Zögern: „Ja!“

      Nun ist uns klar, dass wir nicht so ohne Weiteres eines der Katzenjungen mitnehmen können. Frau Hofmann möchten wir schon erst einmal fragen. Und dann müssen wir natürlich auch die grau getigerte Katzenmutter fragen. Es kann kein Fehler sein, wenn wir uns vorher mit ihr ein bisschen anfreunden. Wie sollte sie uns sonst ihr Kleines anvertrauen?

      Am nächsten Tag steht eine kleine Ausfahrt mit den Eltern auf dem Programm. Wir nutzen das sommerliche Wetter zum Besuch eines idyllisch gelegenen kleinen Ortes an der Grenze zur Tschechoslowakei. Wir spazieren durch Wälder und zwischen ausgedehnten, blumengeschmückten Wiesen und sind fasziniert von der friedvollen Ruhe dieser in den Wintermonaten oft gänzlich abgeriegelten Ortschaft.

      Als wir am Abend zurückkommen, herrscht reger Betrieb am alten Holzstapel. Die Kätzchen sind wieder zu ihrem Wohnort, dem großen Katzenpalast aus dicken Stämmen und alten Brettern, zurückgekehrt. Mir wird klar, welchen Weg sie für ihre ersten kleinen Wanderungen ausgewählt haben. Es ist der schmale, leicht ansteigende Trampelpfad zwischen dem Wäscheplatz und Hofmanns Garten.

      Und das ist die Chance der Kinder. Auf diesem Weg kann man die Kätzchen leicht erwischen. Dann werden sie von Hand zu Hand gereicht. Alle wollen die Kleinen mal streicheln und mit ihnen schmusen.

      Erwachsene gesellen sich zu den Kindern am Holzstoß. Zwei davon sind Bekannte aus dem Haus meiner Eltern. Günter ist selbst Besitzer eines stattlichen Katers. Nun können wir gemeinsam die strittige Frage klären. Günter schaut sich das etwas kräftiger gebaute Kätzchen genau an. Es ist zweifellos ein Kater. Unsere Entscheidung ist damit gefallen, und wir erläutern allen unser Interesse für die Kätzchen und was wir mit dem kleinen Kerl vorhaben.

      Nun ist noch zu klären, von welchem Zeitpunkt an so ein Kätzchen ohne die Katzenmutter auskommt. „So nach acht, neun Wochen könntet ihr es mitnehmen“, meint Günter. Aber er rät uns ab. „Das wird nichts! Sie sind hier unter dem Holzstoß aufgewachsen und unheimlich scheu. Man bekommt so wild aufgewachsene Kätzchen nicht zahm.“ Er macht ein nachdenkliches Gesicht und bekräftigt dann noch einmal seine Auffassung: „Ich glaube nicht, dass man sie jetzt noch woanders eingewöhnen kann!“

      Ich rechne die Zeit ein, bis wir von unserem Ostseeurlaub zurück sind. Es wäre dann schon die zehnte Woche! Helga sieht mich an und fühlt, dass ich genauso denke: Wir lassen uns nicht abbringen. Wir nehmen den Kleinen mit zu uns und versuchen es.

      Aber nun muss ich erst einmal bei Frau Hofmann vorbeigehen, um sicher zu sein, dass sie nichts dagegen hat. Ich treffe sie auch gleich an.

      „Natürlich können sie ihn mitnehmen!“ Sie freut sich, dass jemand das Kätzchen in seine Obhut nehmen will. Ich erkläre Frau Hofmann unser Anliegen ausführlich, dass wir ein großes Grundstück erwerben und dass es der Kleine bestimmt gut bei uns haben wird. Ich teile ihr mit, wann wir aus unserem Urlaub zurückkommen und an welchem Wochenende wir voraussichtlich den kleinen Kater mitnehmen. Es ist auch Frau Hofmann klar, dass es vor dem Urlaub nicht geht. Können wir ihn doch nicht gleich in einer fremden Umgebung vierzehn Tage sich selbst überlassen.

      Noch oft schleichen wir an diesem Wochenende an dem Holzstoß vorbei, um nach den beiden Kätzchen zu sehen. Sie halten sich am liebsten dicht neben dem Eingang auf, um schnell unter dem Holz entwischen zu können, falls sich jemand nähert und sie fangen will. In der Nähe des kleinen Milchnapfes spielen sie miteinander, und es macht großen Spaß, ihnen dabei zuzusehen.

      Sonntag nach dem Mittagessen bin ich als Erster wieder auf dem Weg in den Garten. Es ist still um den großen Holzstapel geworden. Ich nehme an, dass die Kleinen wieder einmal ausgewandert sind und sich in Hofmanns Garten aufhalten. Aber da entdecke ich, wie an der den Häusern zugewandten Schmalseite des Holzstoßes, an ganz ungewohnter Stelle, so ein graues Kleines herausgekrabbelt kommt. Ich nähere mich behutsam, und siehe da – es ist unser kleiner Kater. Er klettert auf der kurzen