Recht, zu schweigen und zu lügen. Niemand muss sich selbst belasten. Deshalb darf man als beschuldigte Person grundsätzlich lügen, dass sich die Balken biegen – und zwar in jedem Stadium eines Verfahrens, also bei der Polizei, bei der Staatsanwaltschaft und vor Gericht.
Man darf keine andere Person in ihrer Ehre verletzen oder gar bewusst einer Straftat beschuldigen, die sie nicht begangen hat. Geschichten zu erfinden, ist nicht empfehlenswert. Die Strafverfolger haben raffinierte Fragetechniken, so dass man sich früher oder später in Widersprüche verstrickt. Einfacher ist es, die Aussage konsequent zu verweigern. Die taktische Überlegung dieser Art bespricht man am besten mit dem Anwalt (Strafverteidiger) ab. Der Anwalt kann bei der Einvernahme schon dabei sein.
Was Mörder nicht wissen … (Moon, 1. Fall)
Killer haben einen Tunnelblick. Sie sehen am Ende des Tunnels nicht, dass ein Schnellzug in Form einer geballten Ladung der gesetzgebenden und rechtsprechenden Gewalt, der Judikative, der Macht des Staates auf sie zurast. Das Gesetz schreibt den Richtern vor, was falsch und was richtig ist (Rechtsprechung).
Der erste Eindruck
„Ja, was ist?“, unwillig, unfreundlich antwortet Kommissar Norwin Moon aus seinem Büro im Polizeirevier Schwanbüll.
„Einsatz Leitstelle, wir melden eine tote Person in einem Mehrfamilienhaus im ersten Stock.“
„Wurde schon jemand aufgeboten?“
„Ja. Die Forensiker der Kriminaltechnik und die Rechtsmedizinerin Linda Medi sind bereits unterwegs.“
„Wir übernehmen den Fall.“
„Danke“, hört er noch und knallt den Hörer auf die Gabel. Auf ihrem Polizeirevier gibt es immer noch diese alten Telefonapparate. Scheußlich. In diesem Punkt sind die Mordermittler nicht auf dem gleichen Stand wie die Forensiker in den Instituten der Rechtsmedizin.
Aber Hallo Herr Kommissar! Die Antwort war schon freundlicher. Er muss aufpassen, dass Moon keine negative Bewertung von seinen Kollegen der Einsatzleitstelle erhält. Natürlich interessiert es niemanden, wenn er die ganz Nacht durchgearbeitet hat, todmüde im Sessel hängt und dann kommt noch ein Mordfall rein. Sein Kriminalassistent Nils Light wundert sich über den Gefühlsausbruch seines Vorgesetzten.
Moon ruft: „Es gibt einen Einsatz.“ Auch im Umgang mit seinem neuen und jungen Kollegen sollte er verdammt aufpassen. Light war nur eine kurze Zeit auf Streife im Einsatz. Niemand außer der Polizeidirektion weiß, weshalb er so schnell hoch befördert wurde. Es wird vermutet, dass sein Vater zu denen da ganz oben sehr gute Beziehungen hat. Jetzt ist er im Polizeirevier Schwanbüll bei der Mordabteilung als Kriminalassistent im Einsatz. Mordermittlung und das Zusammenspiel mit der Rechtsmedizin sind Neuland für ihn. Kommissar Norwin Moon wird seinen Kollegen auf diese Ermittlungsreise mitnehmen. Light wird so die Arbeit der Mordermittler von allen Seiten kennenlernen. Dann fahren sie los Richtung Ostsee in einen Vorort einer größeren Stadt. Während der Fahrt reden sie über den Beruf eines Kommissars und auch über dessen emotionale Seite.
„Ja, ich weiß, das war ein wenig forsch. Unser Beruf ist sehr spannend und abwechslungsreich, er ist absolut nichts für schwache Nerven.“
„Ich bin nur erschrocken über deinen Tonfall.“
„Bin jetzt etwas mehr als 22 Stunden im Einsatz und schon haben wir einen neuen Mordfall. Ich weiß, wir tragen viel zur Klärung von Straftaten und Mordfällen bei.“
„Ist das immer so intensiv?“
„Nein. Aber heute muss ich mich aufpeppen. Vergiss nicht, die meiste Zeit unserer Arbeitszeit verbringen wir im Labor und untersuchen Beweismittel von Tatorten. Unser Beruf ist beliebt und sehr umkämpft. Bei diesem Mordfall werde ich dich in alle Bereiche mitnehmen, damit du die wichtigste Arbeit unserer Kriminaltechnik kennen lernst.“
Mit Aufpeppen meint Norwin Moon, mit Tabletten seinen Wachzustand zu verbessern. Er nimmt diese Tabletten heimlich, niemand soll merken, dass er schlapp, einfach nur müde ist. Die Chemie gibt ihm so die Kraft, die er für diesen Job braucht. Sie bringt ihn in einen dynamischen Zustand. Eines Tages wird sich diese Tablettensucht bitter rächen. Das ist wie Dynamit, welches irgendwann explodiert.
Am Tatort begrüßen sie ihre Kollegen, die bereits im Einsatz sind. Das sind Forensiker der Kriminaltechnik und die Rechtsmedizinerin Linda Medi. Die Spurensicherung ist bereits am Tatort in der Wohnung, sie läuft auf Hochtouren. Hier hat kein Unfall stattgefunden, sondern ein Mord. Moon und Light ziehen Schutzanzug, Mundschutz und Füßlinge an. Es ist Vorschrift, damit die Ermittler am Tatort keine Spuren verfälschen oder zerstören. Für Kriminalassistent Nils Light ist dies ein wichtiger Fall, weil er auf die harte Tour mit der direkten Arbeit der Mordermittler konfrontiert wird. Ein Ermittler gibt Anweisung: „Achtet darauf, wo Ihr durchlauft, wir dürfen keine Spur kaputt machen.“
Die Spurensuche nach Beweismitteln beginnt. Sie betreten die Wohnung. Moon sticht sofort die Blutspur im Eingangsbereich ins Auge. Dann sehen sie, dass die Leiche in Rückenlage liegt. Was ist da passiert? Die Forensiker halten sich bei einer Tatortermittlung an einen festen Ablauf. Für Moon ist der erste Eindruck bedeutungsvoll. Der Tatort wird nie mehr so unberührt und authentisch sein wie jetzt.
Die Tatortszenerie wird vom 3D-Spezialisten eingescannt.
Mit der Kamera erfasst der Kriminalist jedes noch so kleine Detail. Gezielt und konzentriert gehen alle den Spuren nach. Systematisch durchsuchen sie die Wohnung und markieren alle Beweise mit Nummernschildern. Ein Forensiker sagt zu Norwin und Nils: „Seht Ihr hier, eine ganze Schuhspur und ein Teil von einem Schuhabsatz.“
Moon meint zum Ermittler: „Hast du schon einen Verdacht, was geschehen ist, wie der Mord passiert sein könnte?“
„Ja, der Schuhabdruck, Spur Nr. 5, zeigt, dass jemand hier hineingelaufen ist, in diese Spurrichtung. Spurenbild Nr. 8 führt zum Lavabo. Und Nr. 10 ist die Blutspur an der Wand.“
„Was ist mit dem Schlafzimmer?“
„Da haben wir Flecken am Boden und am Bett gefunden. Das könnte Sperma sein! Und in der Küche ist ein Küchenmesser, Spur Nr. 15.“
Moon und Light betrachten den Tatort genauer. Aus allen Perspektiven werden Fotos gemacht. Es darf nichts verschoben werden, die angetroffene ursprüngliche Tatortsituation muss bildlich festgehalten werden. Jetzt kommt Hightech zum Einsatz. Die ganze Tatortszenerie wird vom 3D-Spezialisten gescannt. Es ist ein Lehrstück für die Mordermittler Moon und Light. Bei den Kriminalisten der Forensik ist dieser Ablauf bei Tötungsdelikten Standard. Der Forensiker kann mit dem 3D-Modell die ganze Tatortsituation vor Ort detailgetreu erfassen. Das Ziel und der Vorteil dieser Methode sind eine dreidimensionale Erfassung und Dokumentierung des Tatortes. Norwin zu Nils:
„Jetzt siehst du, wie der gesamte Tatort fotografiert, gefilmt und gescannt wird. Von diesem riesigen Aufwand ist in den TV-Krimis nichts zu sehen.“
Dann beobachten sie, wie der Forensiker die gescannten Aufnahmen direkt anschaut. Er will sicher sein, dass nichts fehlt oder etwas übersehen wurde.
Der Boden wird mit Crime Light abgesucht. Es ist eine unsichtbare Welt, die sichtbar gemacht wird, vor allem die Fußspuren. Wenn man das nicht selber erleben kann, dann glaubt man es nicht. Es ist der absolute Wahnsinn, was alles auf dem Boden liegt, ohne dass wir es mit bloßem Auge sehen können. Dieses Gerät ist der Alptraum aller Hausfrauen. Alle Schmutzpartikel und Spuren werden klar sichtbar. Für die Ermittler ist nicht nur der Fußabdruck interessant, sondern auch die Schrittlänge.
„Nils, siehst du diesen Abdruck hier? Der könnte von Socken sein“, sagt ein Forensiker zu Nils und zeigt auf die eine Fußspur. Er ist gerade dabei, mit einer Gelatinefolie einen Negativabdruck von der Fußspur am Boden zu erfassen.
Im Badezimmer sichern die Ermittler ein Smartphon. Das ist ein extrem wichtiges Beweismittel. Darauf ist fast das ganze Leben der toten Frau gespeichert. Alle arbeiten sehr konzentriert, ihnen ist bewusst, dass die ersten Stunden oft entscheidend sind, um einen Mordfall lösen zu können. Für einen Mordermittler gibt es nichts Schlimmeres, als wenn ein Fall jahrelang