seiner Person. Viele im ›Jersey Archive‹ befindliche Unterlagen, die seine Tätigkeit auf den Inseln dokumentieren, wurden von britischen Autoren, vor allem von Paul Sanders, gehoben, akribisch gesichtet und in der schon erwähnten umfangreichen Literatur verarbeitet.
Hans Max Otto Hermann Karl Gustav Freiherr von und zu Aufseß wird am 4. August 1906 in Berchtesgaden geboren. Er ist Teil einer fränkischen Adelsfamilie, die sich bis ins 12. Jahrhundert zurückverfolgen lässt. Noch heute zeugen eine Burg, ein Schloss und ein Dorf in der Fränkischen Alb von der Geschichte der Familie von Aufseß. Seine Vorfahren waren Bischöfe, freie fränkische Ritter – Raub-, aber auch Ordensritter – Reichsfreiherren, Verwaltungsbeamte und Militärs. Zuletzt erlangte Markus von Aufseß, 1987 bis 1990 Fußballprofi beim Zweitligisten SpVgg Bayreuth, eine gewisse Bekanntheit. Das Haus Aufseß trennt sich im 18. Jahrhundert in die Linien ›Unteraufseß‹ und ›Oberaufseß‹. Hans Max Freiherr von Aufseß gehört zur Linie ›Oberaufseß‹. Sein bis heute bekanntester Vorfahr ist sein Großonkel Hans von Aufseß aus der Linie ›Unteraufseß‹, der Begründer des Germanischen Nationalmuseums in Nürnberg. Sein Vater Ernst Moritz Leopold, verheiratet mit Caroline Freiin von Hohenfels, ist zur Zeit der Geburt von Hans Max Leiter des Bezirksamts in Berchtesgaden.72 Bei seiner Geburt hat Hans Max bereits zwei Schwestern, Anna und Elisabeth, und 1925 folgt mit Bruder Albrecht noch ein ›Nachzügler‹. Der Freiherr wird in die festgefügte Provinzadelswelt des späten bayerischen König- und deutschen Kaiserreichs hineingeboren. In dieser Welt gibt es Privilegierte und Gesinde. Seine glückliche Kindheit auf Burg Aufseß schildert Hans Max 1930 als junger Mann in einem romantisch-naturbewegten Gedicht: »Der Hof lag groß und breit, leicht im Gefälle/Hinauf zum Schloß, hinunter in die Ställe/Lief ich wohl hundertmal in Knabenschnelle/Und als Jüngling wieder hundertmal. (…) Hell überflattert von den Wolkenfahnen:/Das Tal, der Wald und Flur und Burg der Ahnen./Ich war daheim, Du gütiges Geschick.«73 Schon in diesem Jugendwerk spiegeln sich eine schwärmerische Ader und eine virile Lebensbejahung, die auch im Tagebuch der Okkupationszeit immer wieder durchscheinen. Als der Erste Weltkrieg ausbricht und auch das Leben in der fränkischen Provinz berührt, ist Hans Max von Aufseß acht Jahre alt. Mit Rittmeister Otto-Walter von Aufseß, der im November 1914 fällt, und Major Siegfried von Aufseß, beide aus der Linie ›Unteraufseß‹, der 1917 an den Folgen einer Verwundung stirbt74, verliert, wie viele andere auch, diese Familie im Krieg Menschenleben. Bei Beginn der ersten deutschen Republik, welche 1919 die Standesprivilegien des deutschen Adels abschafft und so die Lebensverhältnisse der ganzen Familie verändert, ist Hans Max zwölf Jahre alt. Er gehört damit zu jener sogenannten ›Kriegsjugendgeneration‹75 der zwischen 1900 und 1912 Geborenen, die, zu jung für eine Bewährung im Fronteinsatz, das Ende von Kaiserreich und alter Ordnung sowie die schwierigen Anfangsjahre der deutschen Republik als Verlusterfahrung wahrnehmen, gegen die sie sich machtlos fühlen. Diese Generation radikalisiert sich und ihr entstammt ein Großteil der späteren nationalsozialistischen Funktionsträger, u. a. Heinrich Himmler, Reinhard Heydrich oder der schon erwähnte Werner Best. Auch der fast gleichaltrige Hans Werner von Aufseß aus der Linie ›Unteraufseß‹, der wie Hans Max in München Jura studiert, gehört zur ›Kriegsjugendgeneration‹. Mitglied in der SS und der NSDAP macht er Karriere als persönlicher Referent des Reichslandwirtschaftsministers Walter Darré. Bei den ›Nürnberger Prozessen‹ nach 1945 sagt Hans Werner von Aufseß als Zeuge aus.
Hans Max von Aufseß besucht die Volksschule sowie Gymnasien in Bayreuth und München. Anschließend studiert er Rechtswissenschaften und Forstwissenschaften in München, Erlangen, Wien, Hamburg und Paris.76 Im Wintersemester 1927/28 schließt er sich dem ›Verband der Vereine Deutscher Studenten – Kyffhäuserverband‹ in München an.77 Der Verband ist zu diesem Zeitpunkt zwar nichtschlagend, aber antisemitisch und antirepublikanisch eingestellt. Seit 1926 bestehen Kontakte des Verbands zum ›Nationalsozialistischen Deutschen Studentenbund‹. Der junge Student Hans Max von Aufseß bewegt sich damit in einem politisiert-antidemokratischen Umfeld.
Am 1. Mai 1933 tritt Hans Max Freiherr von und zu Aufseß mit der Mitgliedsnummer 2524705 in die NSDAP, Ortsgruppe Heiligenstadt, Gau Bayerische Ostmark, ein.78 Als Wohnort gibt er Oberaufseß, als Beruf »Assessor« an.79 An diesem 1. Mai 1933, dem im ganzen Reich aufwendig begangenen ›Tag der Nationalen Arbeit‹, treten überdurchschnittlich viele Deutsche in die NSDAP ein, um so noch knapp einer Aufnahmesperre der Partei entgehen zu können, die mit Wirkung dieses Datums gilt. Der Freiherr gehört damit der sehr großen Zahl von Neumitgliedern an, die nach der nationalsozialistischen ›Machtergreifung‹ am 30. Januar 1933 und den unfreien Wahlen vom 5. März d. J. in die Partei eintreten und die der Volksmund spöttisch als ›Märzgefallene‹ bezeichnet. Hatte die Partei Ende 1932 719 446 Mitglieder, sind es im Mai 1933 bereits 2,5 Millionen.80 1,3 Millionen der 2,5 Millionen Mitglieder treten erst zwischen der Märzwahl 1933 und dem 1. Mai d. J. in die NSDAP ein.81 Altgedienten Nationalsozialisten sind diese Neumitglieder ein Ärgernis, werden doch hinter vielen Eintrittsgesuchen mit Recht Opportunisten und ›Glücksritter‹82 vermutet, wie das Oberste Parteigericht mit Blick auf die ›Märzgefallenen‹ urteilt: »Wer vor dem 30. 1. 1933 zu uns kam, war willens für die Bewegung zu opfern. Jetzt kamen nicht mehr nur Menschen, die für die Ziele des Führers kämpfen wollten, es ließen sich auch Leute aufnehmen, die nun an der Bewegung verdienen wollten.«83 Die Aufnahmesperre, die erst 1937 wieder aufgehoben wird, soll diese Entwicklung stoppen. Am Ende des ›Dritten Reichs‹ sind dennoch 8,5 Millionen Deutsche Parteimitglieder.84
Nachweis über die Mitgliedschaft in der NSDAP in der Berliner Zentralmitgliederkartei
Der Umstand, dass von Aufseß der NSDAP beitritt, bedeutet nicht zwingend, dass er ein von allen ideologischen Inhalten überzeugter Nationalsozialist ist. Vielmehr ist anzunehmen, dass der am Anfang einer möglichen Karriere stehende 26-jährige ›Assessor‹ für seine Pläne, sich als Jurist zu etablieren und eine Familie zu gründen, die Parteimitgliedschaft für hilfreich hält. Des Freiherrn Berufsstart fällt genau in die Zeit der Etablierung der nationalsozialistischen Diktatur und ähnlich wie z. B. für viele frisch examinierte und häufig arbeitslose Junglehrer ist auch für Juristen am Anfang der Laufbahn die Einfügung in das neue System Voraussetzung für Erfolg. Diese Argumentation bemüht von Aufseß 1947 dann auch in seinem späteren Entnazifizierungsverfahren. Es muss jedoch deutlich gesagt werden, dass auch nach dem Beginn des ›Führerstaats‹ ein Parteieintritt immer freiwillig ist und niemand gezwungen wird, sich aus Gründen beruflicher Opportunität der NSDAP anzuschließen.85 Es war im ›Dritten Reich‹ möglich, moralisch integer zu bleiben, wenn man bereit war, auf Vorteile des Systems zu verzichten. Ungeachtet der Frage, ob Hans Max von Aufseß beim Parteieintritt überzeugter Nationalsozialist ist, kann festgestellt werden, dass er nicht zögert, in eine aggressiv antisemitisch, rassistisch und demokratiefeindlich orientierte Organisation einzutreten, die im Mai 1933 ihre brutale Gewaltbereitschaft bereits hinlänglich nachgewiesen hat.
Im Jahr 1934 zieht von Aufseß in das 90 Kilometer von Oberaufseß entfernte oberfränkische Industriestädtchen Naila und lässt sich dort als Anwalt nieder.86 Im selben Jahr heiratet er Marie Luise (Marilies) von Klipstein; dem Paar werden 1936 und 1939 die Töchter Uta und Cordula geboren.87 Ein Sohn, Hans-Michael, folgt noch während der Zeit des Freiherrn auf den Kanalinseln. Von Aufseß tritt später noch dem ›Nationalsozialistischen Kraftfahrerkorps‹ (NSKK) und dem ›Nationalsozialistischen Rechtswahrerbund‹ (NSRB) bei.88 Die Mitgliedschaft im NSRB ist für Juristen keine Zwangsmitgliedschaft, aber faktisch unerlässlich, will man im ›Dritten Reich‹ als Anwalt tätig sein.
Die ältere Tochter Uta erinnert sich im Rückblick an die Vorkriegszeit in Naila: »So begann er mit einer Anwaltskanzlei in Naila und zog mit seiner kleinen Familie dort hin. Hier gab es Industrie, und es lebten Freunde und Verwandte in der Umgebung. Als 1939 Cordula geboren wurde und die Eltern mittlerweile ein kleines Haus mit Garten gebaut und ihr Eigen nannten, schritten die Kriegsvorbereitungen immer weiter voran und die Eltern hielten das Leben in dieser Industriestadt mit kleinen Kindern für nicht mehr