Horror wurde psycho-sexuell und in der Alltagsrealität verankert, das Böse ist keine außerhalb des Menschen existierende Kraft mehr und damit besiegbar, sondern der Mensch selbst ist das Monster. Das ›Stalker‹-Motiv sollte zudem den Horrorfilm der siebziger und achtziger Jahre entscheidend beeinflussen. Nicht zuletzt auf Grund großzügigerer Zensurbestimmungen hielten Ende der sechziger Jahre graphisch explizitere und extremere Gewaltdarstellungen aus dem Undergroundbereich Einzug in die populären Genrefilme. Dazu trugen auch der italienische und spanische Horror bei, denn der europäische Film hatte das Genrekino wie den (Spaghetti-)Western für sich entdeckt. Neben einer Vorliebe für Kannibalenfilme reüssierte der italienische Horror mit Werken von Mario Bava, Lucio Fulci, Riccardo Freda sowie ihren Nachfolgern Dario Argento, Pupi Avati, Michele Soavi und Mariano Baino, während aus Spanien der unermüdliche Vielfilmer Jesús Franco eine mittlerweile rekordverdächtige Anzahl von Filmen ablieferte. Das Subgenre des Splatterfilms prägte sich aus und wurde so dominant, dass nur noch wenige Horrorfilme ohne explizite Splatterelemente auskamen. Oft als gedankenlose Gewaltorgien abqualifiziert, fokussieren Splatterfilme eine traumatisierte Körperlichkeit und sind »in erster Linie Dokumente über das Unbehagen am eigenen Körper, weniger Ausdruck von Aggressionen als vielmehr von Traumen. […] Es sind die Opfer, um die es sich in diesen Filmen dreht. Mit ihnen soll sich der Zuschauer identifizieren und Angst haben« (Harzheim). Paradebeispiele dafür sind Horrorfilme wie The Texas Chainsaw Massacre, Halloween und Evil Dead (Tanz der Teufel, 1982). Wie Night of the Living Dead (Die Nacht der lebenden Toten, 1968), der Auftakt von George A. Romeros einflussreicher Zombie-Trilogie, die dem Bild vom Untoten eine neue Prägung gab, stehen sie für einen unabhängigen Horrorfilm, der jenseits des großen Studiobetriebes mit auffallend kleinem Budget entstand und Kino von Fans für Fans sein wollte. Erst nach dem Erfolg hielten mit den Fortsetzungen die Kommerzialisierung und damit größere Budgets Einzug. Als einflussreich erwiesen sich die US-amerikanischen E. C. Comics (so genannt nach ihrem Verlag Educational Comics, nachfolgend Entertainment Comics, der später die MAD-Hefte herausbrachte) mit ihrem grell überzeichneten Stil, skurrilen Figuren und Schockeffekten. Zu ihren Fans gehören Romero und Stephen King, die mit dem Episodenfilm Creepshow (Creepshow – Die unheimlich verrückte Geisterstunde) 1982 eine Hommage an die Welt der E. C. Comics in die Kinos brachten.
Diesen Filmen gegenüber standen teure Mainstream-Produktionen mit aufwändigen Spezialeffekten wie The Exorcist oder Jaws, die den Horrorfilm auch für ein großes Publikum jenseits der Aficionados gesellschaftsfähig machten. In der Tradition von Literaturfilmen nach Stoker, Shelley oder Poe wurden auch Gegenwartsautoren ins Kino gebracht, allen voran Stephen King, mit so unterschiedlichen Ansätzen wie in Carrie und The Shining (1980). Neben der Vormachtstellung der USA in den siebziger Jahren mit Regisseuren wie Tobe Hooper, Wes Craven und John Carpenter, die oft Autodidakten waren, machte in Kanada David Cronenberg mit seinen Körperobsessionen um Krankheit, Verfall und Mutation auf sich aufmerksam und schuf mit Filmen wie Rabid (Rabid – Der brüllende Tod, 1976) den Inbegriff des body horror.
Die achtziger Jahre läuteten die Krise ein, was auch daran lag, dass sich das Genre zu sehr auf die serielle Ausbeutung von Serienmördern und bis an die Schmerzensgrenze fortgesetzten ›Stalker‹-Erfolgen wie Friday the 13th oder A Nightmare on Elm Street verließ und sich damit selbst ausblutete. Trotzdem haben sich in der Rückschau eine Vielzahl von Filmen wie Re-Animator, Evil Dead, Near Dark (1987) oder Hellraiser (1987) mit der ikonographischen Figur des Cenobiten Pinhead oder Peter Jacksons wirkmächtige Fun-Splatter-Movies aus dem fernen Neuseeland wie Bad Taste (1987) und Braindead in die Geschichte des Horrorfilms eingeschrieben.
Der deutsche Horrorfilm blieb nach den Erfolgen der Stummfilmzeit bis heute marginal, auch wenn sich Hans W. Geißendörfer mit Jonathan (1970) an einem Vampirfilm versuchte oder Andreas Schnaas und Olaf Ittenbach Ekelgrenzen als persönliche Herausforderung betrachten. Als Einziger spielte Jörg Buttgereit mit seinen beiden Nekromantik-Filmen (1987, 1992) oder dem Todesking (1990) auf dem internationalen Underground-Parkett mit, bis er sich von der Regie zurückzog.
In den neunziger Jahren modernisierte sich das Genre nach einer langen Agonie und entfaltete sich selbstbewusst zwischen Tradition und neuen Wegen, zwischen Parodie und Selbstreflexion. Neben ›Urban Myth‹-Filmen wie Candyman (1992) und Urban Legends (Düstere Legenden, 1998) war es vor allem Wes Cravens Erfolgstrilogie Scream, die ihm neues Leben einhauchte und es um eine längst überfällige und nicht immer ernst gemeinte Selbstreflexivität bereicherte. Den Scream-Filmen gelingt es, das Genre zu demontieren und im gleichen Atemzug neu zu erschaffen. Der Drehbuchautor Kevin Williamson wurde zum Shootingstar der Dekade, und vergleichbar mit Quentin Tarantino verpasste er dem Horrorfilm mit dem kreativen Output seines exzessiven Fernseh- und Videokonsums eine Frischzellenkur.
Der neue Selbstbezug spiegelte sich auch in Filmen über seine Macher. So ist Tim Burtons Biopic Ed Wood (1994) eine schräge Hommage an den so titulierten schlechtesten Regisseur aller Zeiten mit Johnny Depp in der Titelrolle, und E. Elias Merhige klärt in Shadow of the Vampire (2000) über die vermeintlich wahren Hintergründe der Dreharbeiten von Nosferatu auf, mit John Malkovich als Murnau und Willem Dafoe als seinem Hauptdarsteller Max Schreck. Bill Condon wagte sich in Gods and Monsters (1998) an die letzten Tage des alternden, homosexuellen James Whale bis zu dessen Selbstmord. Nach einer Begegnung mit seinen früheren Stars Boris Karloff und Elsa Lancaster erkennt der Frankenstein-Regisseur auf seinen Kopf zeigend: »The only monsters I have are here.«
Nach dem Erfolg von Scream wurde der Markt mit einer Flut von Teen-Horrorfilmen wie I Know What You Did Last Summer (Ich weiß, was du letzten Sommer getan hast, 1997), oder The Faculty (1998) überschwemmt, ohne dass diese jedoch die Qualitäten von Cravens Trilogie erreichten. Auch der deutsche Film hängte sich mit Anatomie (1999) an den Erfolgstrend und lockte damit immerhin zwei Millionen Zuschauer in die Kinos. Daneben besann sich das Genre der alten Zugpferde Dracula und Frankenstein, auf die sich mit Bram Stoker’s Dracula (1992) und Mary Shelley’s Frankenstein (1994) zwei genre-fremde Regisseure, der Pate-Macher Francis Ford Coppola und der Shakespeare-Experte Kenneth Brannagh, mit Blick auf das große Publikum schwangen. ›Zeitgenössisch-authentisch‹, ›Werktreue‹, ›definitive Verfilmung‹ lauteten die Schlagwörter für die programmatische Nähe zur Vorlage, auf die auch die Autorennennung im Titel hinweisen sollte. Dieses Ansinnen machte auch vor einstigen Underground-Klassikern nicht halt, wie Tom Savinis farbige Version von George A. Romeros Night of the Living Dead aus dem Jahr 1990 illustrierte. Doch während Savini den pessimistischen Ton der Vorlage verstärkte, wollten Coppola und Brannagh die Tradition des gothic horror aus einer neuen und ungewöhnlichen Perspektive heraus erzählen und dabei wie Stephen Frears mit seiner Jekyll/Hyde-Adaptation Mary Reilly (1995) das menschliche Drama ihrer Geschichte fokussieren.
Zum Ausgang des Jahrhunderts brachten die jungen Filmemacher Daniel Myrick und Eduardo Sanchez das Genre mit ihrem spektakulären Coup The Blair Witch Project wieder in aller Munde. Wie der Spanier Alejandro Amenábar in The Others setzten sie bei ihrem ›Mockumentary‹ in der Tradition Val Lewtons darauf, dass das wirklich Unheimliche das ist, was wir nicht sehen und was sich nur in unserer Phantasie abspielt, und schufen den wohl profitabelsten Horrorfilm aller Zeiten. Gleichzeitig wurde er zum Vorbild für neue Vermarktungsstrategien, denn erstmals war das Internet maßgeblich am kommerziellen Erfolg beteiligt.
Für die Gegenwart des Horrorfilms ist das asiatische Filmschaffen immer einflussreicher geworden. Bereits Ende der achtziger Jahre brach die hongkong-chinesische Geistergeschichte A Chinese Ghost Story (1987) eine Lanze für den Horror aus Fernost. Und der japanische Horrorfilm Ringu (1997) avancierte zum Horror-Mythos des zu Ende gehenden Millenniums, wurde einem größeren westlichen Publikum jedoch bezeichnenderweise erst durch sein US-amerikanisches Remake The Ring (2002) bekannt. Ringu ist zugleich exemplarisch für eine neue Einfachheit im Horrorfilm und setzt wie Blair Witch Project und The Others fern von exzessiver Gewalt und Splattereffekten auf imaginativen Horror. Ringu läutete zudem im ewig stoffhungrigen Hollywood den Trend ein, erfolgreiche Horrorfilme aus Fernost wie Kuya (Cure, 1997), Pulse (Kairo, 2001) und Ju-on: