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Migration|Integration|Exklusion - Eine andere deutsch-französische Geschichte des Fußballs


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Mitglieder des alten SV Wodan Saargemünd, um die Société Lorraine Sportive aus der Taufe zu heben. Wie im alten Club wurden die Sportarten Fußball und Leichtathletik angeboten.12 Im August 1920 wurde in Metz die Ligue Lorraine de Football Association gegründet. Dieser neue Fußballverband umfasste alle vier lothringischen Departements und schloss sich dem erst 1919 gegründeten französischen Fußballverband Fédération Française de Football-Association (FFFA) an. In den folgenden Jahren kam es zu einer sportlichen Blütezeit der Vereine der Moselle. Sie stellten 23 der 40 Vereine in der Ligue Lorraine und dominierten die Fußballplätze. Bis 1939 kamen alle lothringischen Verbandsmeister ausschließlich aus der Moselle. Spannungen der ehemals deutschen Clubs mit den französischen Vereinen der drei anderen lothringischen Departements blieben Anfang der zwanziger Jahre nicht aus. 1922 verlangten die deutschsprachigen Vereine eine stärkere Rücksichtnahme, weil bei ihnen kein Französisch gesprochen wurde. Die Gegensätze zwischen den Vereinen der Moselle und der übrigen Departements schwächten sich im Laufe der Jahre ab. Die Moselle blieb zwar politisch wie kulturell eine Welt für sich, dennoch gelang es der Ligue Lorraine, das deutsche Erbe der Fußballvereine erfolgreich zu integrieren.13

      Wie war es um das Verhältnis von Politik und Sport gestellt? Zum einen wirkte sich die traditionelle Verschränkung der französischen Armee mit dem Sport aus: Wie überall in Frankreich führten auch in der Moselle die größeren Sportvereine jeweils Abteilungen für die préparation militaire ein, in welchen Jugendliche durch die Teilnahme an Vorbereitungskursen seit Ende des 19. Jahrhunderts das Abzeichen brevet de préparation militaire erhalten konnten, welches ihnen im Militärdienst Privilegien verschaffte.14 Grundsätzlich sah der Staat im Sport insofern Potenzial, dass er gesundheitspolitische, militärische und patriotische Aufgaben übernehmen sollte. In den Abteilungen zur wehrpolitischen Vorbereitung der Jugendlichen wurden Schießübungen für die Jugend zum Standard und eine Selbstverständlichkeit. Einem Zeitungskommentar aus dem Elsass aus dem Jahr 1929 ist zu entnehmen, dass der Umgang der Vereine mit diesen Schießabteilungen auch pragmatisch und mit umgekehrten Vorzeichen gesehen werden konnte. Otto Jenner, der im Kicker regelmäßig aus dem Elsass berichtete, schrieb über die PM:

      „Durch die PM [Préparation Militaire] ist schon mancher Junge für den Sport gewonnen worden, den er erst als PM-Kandidat kennen lernte und daran Gefallen fand.“15

      Die politische Inszenierung kam mit dem Boom des Fußballsports. Im Jahr 1923 wurden in der Moselle drei größere Stadien eingeweiht: in Sarreguemines, in Metz und in Forbach. Die Platzeinweihungen in Metz und Forbach werden im Folgenden als Fallbeispiele dargestellt.16

      In Metz wurde am 26. August 1923 das Stadion des Cercle Athlétique Messin (CAM) auf der Ile St. Symphorien eingeweiht. Das umfangreiche Terrain des Vereins, der als Sportverein auch über eine große Leichtathletikabteilung verfügte, umfasste neben dem Stadion auch ein Trainingsgelände sowie einen Tennisplatz. Die deutschsprachige Zeitung Lothringer Sport berichtete ausführlich über den Besuch der lokalen, regionalen und nationalen Eliten aus Politik und Wirtschaft.

      „Regierung, Departement und Gemeinde entsandten ihre Vertreter, welche die Notwendigkeit der Schöpfungen solcher Kulturstätten der Körperpflege anerkannten.“17

      Insbesondere die Teilnahme von Henry Paté, seines Zeichens Haut Commissaire à l'éducation physique et aux sports in der französischen Regierung sowie Mitglied im französischen Olympischen Komitee, wurde von der Presse gewürdigt. Neben Paté sprachen auch der lothringische Industrielle und Abgeordnete Guy de Wendel sowie Dr. Ahreiner im Namen der Ligue Lorraine de Football-Association. Im Anschluss fanden Wettkämpfe in der Leichtathletik teil sowie ein Fußballspiel zwischen dem belgischen Verein Union St. Gilloise und dem CAM.18

      Die Feierlichkeiten zur Platzeinweihung in Forbach fanden nur einen Monat später, am 30. September 1923, statt. Am Abend zuvor war das Fest mit einem Feuerwerk eröffnet worden. Die Schirmherrschaft übernahm der französische Staatspräsident Alexandre Millerand, Raymond Poincaré die Ehrenpräsidentschaft. Beide kamen nicht persönlich zu den Festlichkeiten, ließen sich aber durch den Commissaire général d'Alsace et Lorraine, Gabriel Alapetite, vertreten. Auf der Liste der Ehrengäste standen weitere zahlreiche prominente Namen. Der Präfekt des Departement Moselle ebenso wie der Abgeordnete Guy de Wendel – seines Zeichens zugleich Großindustrieller und Sportmäzen, der nach dem Krieg einen nach ihm benannten Fußballpokalwettbewerb ins Leben gerufen hatte. Mit Robert Schuman war außerdem ein weiterer Abgeordneter der Französischen Nationalversammlung an diesem Tag vor Ort – außerdem: vier Senatoren des Departements und zwei Armeegeneräle. Neben den Vertretern aus Politik und Militär waren weitere Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens der Stadt und der Region, der Geschäftswelt, und der Industrie zugegen. Es dürfte die gesamte gesellschaftliche Elite des Departements Moselle an diesem Tag in Forbach versammelt gewesen sein.19

      In der Presse wurden die Festlichkeiten detailliert geschildert: Um 12.45 Uhr stieg Monsieur Alapetite gemeinsam mit dem Präfekten der Moselle und dem sous-préfet von Forbach aus einem Auto vor der Turnhalle in Forbach aus, wo sie von der Forbacher Stadtkapelle mit einer Darbietung der Marseillaise begrüßt wurden. Im Anschluss daran folgte das Festbankett in der mit Girlanden und Fahnen geschmückten Halle. Es folgten patriotische Reden und eine zweite Darbietung der Marseillaise. Im Stadion – nach der dritten Darbietung der Marseillaise – sprach der Vereinspräsident Dr. Ahreiner. Er sprach über den Stadionbau und dankte allen Unterstützern. Abschließend interpretierte er die gesamte Vereinsarbeit als einen Dienst an der Republik und der Nation. Das Vereinsprogramm sei in erster Linie national ausgerichtet. Der einzige Wunsch der annähernd 500 Mitglieder, sei es, Frankreich zu dienen. Das Einweihungsspiel fand zwischen der Mannschaft der Union sportive Forbach der eigens angereisten Mannschaft des Club français aus Paris statt. Das Spiel selbst endete vor 6.000 Zuschauern bei sonnigem Herbstwetter 2:2 unentschieden.20

      Die Beispiele der Platzeinweihungen in Metz und Forbach zeigen, wie rasch die lothringischen Sportvereine sich an das Französisch-Sein gewohnt hatten. Wie sehr und wie schnell haben wir es mit einer Republikanisierung und mit einer Französisierung der Fußballvereine zu tun? Was waren die Faktoren, die eine Integration in die französische Gesellschaft beförderten?

      Die Antwort liegt in den Fußballvereinen selbst. Es waren in erster Linie die Verflechtungen der Clubs mit der zivilen Ebene, mit den Notabeln, Industriellen und Bürgermeistern, die zu einer Annäherung führten. Gerade der Bau von Sportplätzen und Stadien führte zu gemeinsamen Initiativen und kongruenten Interessenslagen. In Sarreguemines wurde beispielsweise 1922 der Bürgermeister zum Vereinspräsidenten gewählt. Die Kontakte zur französischen Verwaltung sowie zu den neuen lokalen und regionalen Eliten entwickelten sich in den lothringischen Städten trotz anfänglicher Schwierigkeiten also gut. Sowohl der Staat wie auch der Vereinssport hatten ein Interesse daran, die Entwicklung des Sports voranzutreiben. Die Motive waren dabei grundverschieden. Während es den Vereinen darum ging, ihren Sport möglichst ungehindert und unter den bestmöglichen Voraussetzungen ausüben zu können, ging es Wirtschaft und Staat darum, die Sportvereine aus gesundheitspolitischen, volkswirtschaftlichen, patriotischen und militärischen Gründen wegen zu fördern. Sport – so lautete immer noch die Botschaft im Frankreich der Zwischenkriegszeit – nutze dem Wiedererstarken der Nation in Hinblick auf kommende Konflikte.21

      Zum Leitmotiv der französischen Sportpolitik wurde das Motto „Être fort pour être en paix“22. Dies war der Grund, warum das Kriegsministerium in den Sportvereinen Kurse zur militärischen Vorbereitung installierte und warum der Staat den Bau von Stadien und Sportplätzen subventionierte und mit patriotischen Einweihungsfestlichkeiten bedachte. Die Vereine passten sich ihrerseits an, übernahmen das patriotische Vokabular, kamen in den Genuss staatlicher Subventionen und bekamen Zugang zu neu errichteten Stadien und Sportplätzen.

      Zusammenfassung

      Der Beitrag begann mit dem ersten dokumentierten eigenständigen Fußballverein in Lothringen. Er war wie alle Vereine in der Gründungszeit zunächst ein Freizeitverein und als solcher überwand er tatsächlich Grenzen. Migranten aus Deutschland und einheimische Lothringer fanden hier zusammen, weil sie gleiche Interessen – das gemeinschaftliche Fußballspiel