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Forschungsmethoden in der Fremdsprachendidaktik


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Empirie zielen explorativexplorative Studien auf die Erkundung eines Untersuchungsgegenstands ab, der bisher kaum erforscht ist. In der Regel ist es Ziel solcher explorativen Studien, HypothesenHypothesen generieren über einen bisher wenig erforschten Untersuchungsgegenstand zu generieren. Zahlreiche der in Kapitel 7 unter methodisch-methodologischer Perspektive zusammengefassten – und an vielen Stellen dieses Handbuchs illustrativ aufgegriffenen – Referenzarbeiten liefern Beispiele für solche gewinnbringenden Explorationen: Arras (2007) zu Leistungsbeurteilungen, Ehrenreich (2004) zum ausbildungsbiographischen Ertrag eines assistant-Jahres, Hochstetter (2011) zur diagnostischen Kompetenz von Englischlehrpersonen in der Grundschule, Schart (2003) zur Perspektive von Lehrenden auf Projektunterricht und Schmidt (2007) zum gemeinsamen Lernen mit Selbstlernsoftware.

      Auf einer dritten Stufe lassen sich deskriptivdeskriptive Studien einordnen, die genaue Beschreibungen von Phänomenen vornehmen, die bereits in Vorgängerstudien exploriert wurden. Die Referenzarbeit von Özkul (2011) illustriert den Fall einer Fragebogenstudie, die aufgrund von quantitativen Daten zu statistischen Aussagen (und zwar über Berufs- und Studienfachwahlmotive) gelangt; die Referenzarbeit von Schwab (2009) dagegen zeigt den Fall einer konversationsanalytischen Videostudie, die aufgrund von qualitativen Daten interpretative Aussagen (und zwar über Partizipationsmöglichkeiten von Schüler_innen im Plenumgsgespräch) trifft.

      Auf einer vierten Stufe der EmpirieEmpirie bewegen sich explanativexplanative Studien, die auf die Erforschung kausaler Zusammenhängekausale Zusammenhänge abzielen. Hierbei steht die Überprüfung von HypothesenHypothesenÜberprüfung von, die zu einem extensiv explorierten und deskriptivdeskriptiv erforschten Untersuchungsgegenstand zum Zeitpunkt der Studie bestehen, im Zentrum der Forschungsanstrengung. Der Wunsch, über die Deskription von Fremdsprachenunterricht hinauszugehen und auch explanative Studien durchzuführen, ist in der Fremdsprachendidaktik spätestens nach Erscheinen des Gemeinsamen europäischen Referenzrahmens (Europarat 2001) und dem Erstarken der Kompetenzorientierung deutlich erkennbar. Die (quasi-)experimentellen Interventionsstudien zum Hörverstehen im Deutschen als Tertiärsprache von Marx (2005) und zu Effekten extensiven Lesens im Fremdsprachenunterricht von Biebricher (2008) illustrieren als Referenzarbeiten dieses Handbuchs, dass auch Dissertationen, die nicht in größere Verbundprojekte eingebunden sind, fundierte Aussagen über Ursache und Wirkung treffen können; oft nutzen explanative Qualifikationsarbeiten aber auch Synergieeffekte aus kooperativen, teils standortübergreifenden Projekten für Einzelstudien.

      Die folgenden Abschnitte geben einen einführenden Überblick über prototypische Designs fremdsprachendidaktischer EmpirieEmpirie (dazu grundlegend Abschnitt 2). Dabei findet einerseits die statistische Auswertung quantitativer Daten (Abschnitt 3) und andererseits die interpretative Auswertung qualitativer Daten besondere Berücksichtigung (Abschnitt 4). Auch die komplexen Kombinationsmöglichkeiten dieser Vorgehensweisen in Studien, die als mixed methods bezeichnet werden, sollen kurz angerissen werden (Abschnitt 5).

      3.3.2 Quantitatives und qualitatives Paradigma

      In der Regel werden das qualitative und das quantitative Forschungsparadigma als zwei diametral gegenübergestellte empirische Arbeitsweisen charakterisiert, die sich bezüglich des Erhebungskontextes, der erhobenen Daten, der Auswertungsmethoden und der dahinterliegenden Wissenschaftstheorie diametral unterscheiden (s. Kapitel 2).

      Als Prototyp quantitativer Forschung gilt das ExperimentExperiment. Für dessen quantitative Natur ist die Tatsache charakteristisch, dass es im Labor, also nicht im natürlichen Kontext, und damit unter streng kontrollierten Bedingungen durchgeführt wird. Bei den in Experimenten erhobenen Daten handelt es sich typischerweise um Messwerte (z.B. um Reaktionszeitmessungen oder Test-Werte), die mithilfe statistischer Verfahren ausgewertet werden. Experimentelle Forschung basiert auf der wissenschaftstheoretischen Position des RationalismusRationalismus, nach der in einem hypothesentestenden Verfahren eine objektive bzw. universalgültige Wahrheit aus der Außenperspektive von Forscher_innen, einer sogenannten etischen PerspektiveetischePerspektiveetische Perspektive, beschrieben werden soll (s. Kapitel 2).

      Als Prototyp qualitativer Forschung gilt hingegen die EthnographieEthnographie, bei der die Daten mittels teilnehmender Beobachtung im natürlichen Kontext und damit unter hochgradig unkontrollierten Bedingungen gesammelt werden. Diese Daten werden zu Zwecken der Hypothesengenerierung mithilfe interpretativer Verfahren ausgewertet, wobei eine emische PerspektiveemischePerspektiveemische Perspektive verfolgt wird, d.h. dass Forschende die Innenansicht der Forschungspartner_innen analytisch herausarbeiten. Wissenschaftstheoretisch basiert diese Vorgehensweise auf dem RelativismusRelativismus, der der rationalistischen Vorstellung einer universalgültigen Wahrheit das Konzept (sozio-)kulturell geprägter bzw. kontextgebundener Wahrheiten entgegensetzt (s. Kapitel 2).

      Grotjahn (1987) hat in einem auf die deutschsprachige Fremdsprachendidaktik sehr einflussreichen Beitrag bereits in den 80er Jahren verdeutlicht, dass diese simple Gegenüberstellung von zwei Prototypen den vielen denkbaren Varianten empirischer Forschungsdesgins nicht gerecht wird. Er unterscheidet neben diesen beiden „Reinformen“ (Grotjahn 1987: 59) des explorativ-interpretativenexplorativ-interpretativ und des analytisch-nomologischenanalytisch-nomologisch Paradigmas sechs weitere „Mischformen“ (ebd.), die sich aus den möglichen Kombinationen der drei Pole (a) (quasi-) experimentelles vs. nicht-experimentelles Design, (b) quantitative vs. qualitative Daten und (c) statistische vs. interpretative Auswertung ergeben: Beispielsweise ist es möglich, im Feld metrische Werte zu erheben und statistisch auszuwerten oder im Labor verbale Daten zu erheben, die interpretativ ausgewertet werden. Somit wird deutlich, dass empirische Designs nicht immer eindeutig einem paradigmatischen Prototypen zugeordnet werden können, sondern dass sich eine Vielzahl von durch das Erkenntnisinteresse geleiteten grundlegenden Design-Möglichkeiten ergibt.

      3.3.3 Quantitative Daten und statistische Auswertungen

      Zur fremdsprachdidaktischen Illustration des analytisch-nomologischen Paradigmaanalytisch-nomologisches Paradigmas können die Referenzarbeit von Marx (2005) als Forschungsleistung einer Einzelperson und die DESI-Studie als Forschungsleistung eines umfassenden Verbundes dienen.

      In der Untersuchung von Marx (2005) zu Hörverstehensleistungen im Deutschen als Tertiärsprache handelt es sich um ein Experiment, bei dem Lernende im Bereich Deutsch als Fremdsprache nach Englisch (DaFnE) auf der Grundlage von Eingangstests und Fragebögen mit dem Ziel einer Balancierung von Kontroll- und Experimentalgruppe auf zwei parallele Nullanfängerkurse verteilt wurden. Oft steht die Verteilung von Proband_innen auf unterschiedliche Kurse nicht im Einflussbereich der Forschenden, sodass bei Experimenten, die im Feld durchgeführt werden, i.d.R. mit bestehenden Parallelgruppen in einem sogenannten Quasi-ExperimentQuasi-Experiment gearbeitet wird. In solchen Fällen stellt sich dann die Frage der Vergleichbarkeit der Gruppen, die häufig in Paarvergleichen abgesichert werden soll. In der Studie von Marx (2005) handelt es sich jedoch nicht um ein Quasi-Experiment, sondern tatsächlich um ein Experiment, bei dem die Gruppen gezielt nach bestimmten Überlegungen in vergleichbarer Weise zusammengesetzt wurden. Anders als in der oben beschriebenen Reinform des analytisch-nomologischen Paradigmas wurden dabei jedoch nicht für das Experiment charakteristische Messwerte erhoben, sondern Daten aus Hörverstehensaufgaben und retrospektive Erklärungen zu den von Lernenden wahrgenommenen Gründen für erfolgreiches Verstehen, die beide für die Zwecke einer statistischen Auswertung mittels Mann-Whitney-U-Test und MANOVA (s. Kapitel 5.3.10) erst in Zahlenwerte überführt werden mussten (vgl. dazu die Darstellung der Referenzarbeit in Kapitel 7).1

      Ein zweites Beispiel aus dem Bereich der Fremdsprachendidaktik ist die DESI-Studie (Deutsch-Englisch-Schülerleistungen-International). Sie zielte darauf ab, den Leistungsstand in Deutschland, Österreich und der Schweiz in den Fächern Deutsch und Englisch zu erfassen und zur Verbesserung von Curricula, Lehrmaterialien, Aus- und Weiterbildung von Lehrpersonen und Unterrichtsgestaltung in diesen beiden Fächern beizutragen: In einem interdisziplinären Team aus Bildungsforscher_innen und Fachdidaktiker_innen wurden dazu ca. 11000 Schüler_innen der neunten Klasse aller Schularten befragt und zu zwei Zeitpunkten getestet sowie neben Videoaufnahmen des Unterrichts auch Befragungen mit Lehrpersonen, Eltern und Schulleitungen durchgeführt (Klieme 2008). Zur Kurz-Illustration des Umfangs dieser Art von empirischer Großuntersuchung sei als eine der