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dem Zeitpunkt hatte Jan seine Ausbildung zum IT-Systemelektroniker und sein anschließendes Informatikstudium beendet und gerade im Berufsleben Fuß gefasst. Es fiel ihm nicht schwer, einen interessanten Arbeitsplatz zu finden: Gut ausgebildete Fachleute wie er wurden in der IT-Branche und in der Energiebranche händeringend gesucht. Jan arbeitete zunächst an einem Forschungsprojekt mit. Dabei wurde in einer Modellregion unter anderem untersucht, wie weit sich der Strombedarf von Unternehmen und Haushalten an das schwankende Windstromangebot anpassen ließ. Dazu wurden Windkraftanlagen, Haushalte, Kühlhäuser oder öffentliche Schwimmbäder miteinander vernetzt und bildeten so einen gemeinsamen Energiemarktplatz. Die Forscher untersuchten, inwieweit ein besserer Informationsaustausch zwischen den Teilnehmern dazu beitragen konnte, Stromüberschüsse sinnvoll zu nutzen und Stromengpässe durch zeitweises Absenken des Strombedarfs zu mindern. Untersucht wurde auch, ob und in welchem Umfang die Menschen überhaupt dazu bereit waren, ihr gewohntes Energieverhalten zugunsten dieser effizienteren Verteilung umzustellen.

      Je weiter die Energiewende vorankam, desto drängender wurden diese Kernfragen. Im Jahr 2050 decken erneuerbare Energiequellen den Strombedarf in Deutschland nahezu vollständig. Das funktioniert, weil der Bedarf sich dem verfügbaren Stromangebot flexibler anpasst und weil bei Versorgungsengpässen übergangsweise auf Batterien und längerfristige Speicherformen zurückgegriffen werden kann.

      Anders als Hanna und Jan wohnen deren Sohn Joost und seine Frau Frauke in einem Stadthochhaus. Zwar erzeugen moderne Hochhäuser auch Strom, die erzeugte Strommenge reicht aber höchstens für die Sicherheitstechnik, Beleuchtung und Klimatisierung der gemeinsam genutzten Flure und Räume. Dennoch kommen die Mieter meist mit niedrigen Stromflatrates aus, denn die moderne Gebäudetechnik des Hochhauses verhindert, dass unnötig Energie verbraucht wird, auch in den Wohnungen. Frauke und Joost zahlen nicht für die Anzahl ihrer verbrauchten Kilowattstunden, so wie es jahrzehntelang üblich war. Ihre Flatrate umfasst eine begrenzte Leistungsabgabe, deren Obergrenze sie einzuhalten versuchen. Dazu müssen sie teure Stromspitzen vermeiden, also darauf achten, dass sie nicht mit zu vielen Geräten gleichzeitig Strom verbrauchen. Brauchen sie eine höhere Leistung, wird für den Abrechnungszeitraum ausnahmsweise eine teurere Flatrate fällig. (Wie sieht die Stromrechnung morgen aus?, Kapitel 5)

      Für Hanna und Jan ist es wenig sinnvoll, eine Stromflatrate zu buchen. Ihr Eigenheim ist mit eigenen Stromerzeugungsanlagen und Speicherkapazitäten ausgestattet und bezieht vergleichsweise selten Strom aus dem öffentlichen Netz. Zeitweise produziert es sogar mehr Strom, als ihr Haushalt verbrauchen oder speichern kann. Diese Überschüsse bieten sie dem Betreiber des Stromnetzes an, der damit kurzfristige Spannungsschwankungen ausgleicht. 2050 sind solche „Systemdienstleistungen“ so wertvoll wie der produzierte Strom selbst, denn sie tragen zur Stabilität des Versorgungssystems bei. Es ist für Hanna und Jan deshalb günstiger, ihren Verbrauch und ihr Energieangebot sekundengenau abrechnen zu lassen. (Smart Home, Smart Grid, Smart City, Kapitel 3)

      Über Fragen der Energieversorgung wird 2050 aber längst nicht mehr so intensiv debattiert wie in den zurückliegenden Jahrzehnten. Die Stromkosten gehen langsam, aber stetig zurück. Frauke und Joost sind zwar grundsätzlich eher kritische Konsumenten, aber an der Stromversorgung, die größtenteils erneuerbare Energien einsetzt, gibt es aus ihrer Sicht wenig zu kritisieren. Sie sind den Anblick von Erzeugungsanlagen oder Stromspeichern im Landschaftsbild gewohnt. Zudem werden vielerorts Strommengen sehr unauffällig erzeugt – mit lichtempfindlichen Beschichtungen an Häuserwänden, auf Gebäudedächern und Fahrzeugoberflächen oder mit lichtempfindlichen Textilien, aus denen zahlreiche Alltagsgegenstände gefertigt werden wie Jacken, Schirme und Taschen. Frauke und Joost machen sich wie viele andere ihrer Generation mehr Gedanken darüber, wie sie als kritische Konsumenten Einfluss auf die Gestaltung von Produkten und auf die Produktionsbedingungen nehmen können.

       Schöne neue Datenwelt?

      Jan schlüpft in ein helles Hemd und eine graue Anzughose. Schlagartig fällt ihm noch etwas ein, das sich seit seiner Jugend enorm verändert hat: die Mobilität. Seit 2030 setzten sich nahezu geräuschlose und abgasfreie Antriebe auf den Straßen durch. Diese Entwicklung ging von den Städten aus, weil die Belastung durch Lärm und Abgase hier am höchsten war. Die Verkehrsströme wurden neu organisiert, keineswegs nur in den Städten. Das Energieversorgungssystem und die zunehmend elektrisch angetriebene Mobilität begannen zusammenzuwachsen – eine Entwicklung, die sich auch in einer Veränderung der Unternehmenslandschaft widerspiegelte. 2050 sind aus ersten branchenübergreifenden Kooperationen zahlreiche neue Dienstleistungsunternehmen geworden, die Energie, IT, Kommunikation und Mobilität aus einer Hand anbieten.

       Automatisierte Dienstleistungen verändern den Alltag. Wer sie nutzen will, muss seine persönlichen Daten preisgeben. Gelten diese Daten 2050 überhaupt noch als schützenswerte Privatsphäre?

      „Für meinen Enkel Keno ist es selbstverständlich, dass fast alles heute irgendwie mitdenkt oder wenigstens Energie erzeugt – vom Multifunktionsfenster bis zur Solarschicht-Jacke“, geht Jan durch den Kopf. „Keno kann jederzeit seinen Persönlichen Assistenten fragen. Oder er setzt eine ‚Schlaue Brille‘ auf und lässt sich erklären, was er gerade sieht oder wissen möchte. Informationen sind immer und überall verfügbar. Wie käme man in dieser Flut nur ohne persönliche Filterprogramme zurecht? Die lernen schnell, nur das zu liefern, was man wirklich braucht.“ Als IT-Fachmann ist Jan weit davon entfernt, sich eine Rückkehr in eine datenärmere Welt zu wünschen. Andererseits beschäftigt er sich in seinem Arbeitsalltag oft mit Fragen der Datensicherheit. „Wenn man ehrlich ist, sind auch die Programme aus unserem Sortiment kriminellen Hackern immer nur ein kleines Stück voraus. Das Katz-und-Maus-Spiel zwischen Datendieben und Datenschützern wird wohl niemals enden.“ Nachdenklich schaut Jan in den Spiegel. Dabei streift sein Blick die eingeblendete Uhrzeit – höchste Zeit für ein schnelles Frühstück. Er geht hinunter in die Küche und setzt sich zu Hanna an den Küchentresen.

       Schatz, was machen die Strompreise?

       Die Stromerzeugung basiert immer stärker auf erneuerbaren Energien, das Energiesystem muss angepasst werden. Dennoch werden wir uns im Alltag nicht ständig mit Energie beschäftigen müssen – oder doch?

      Hanna schenkt sich bereits ihre zweite Tasse Tee ein. Sie schaut Nachrichten auf dem „Küchenfernseher“, einer dünnen, interaktiven Kunststoff-Folie, die sie in einen dekorativen Bilderrahmen eingelassen hat. Wie gewohnt lässt sie sich anschließend die aktuelle Wetterprognose anzeigen. Auf ihren kurzen Sprachbefehl hin zeigt der Bildschirm, dass in den kommenden beiden Tagen die Sonne scheinen wird. Dann beginnt der Wind auf Nordwest zu drehen, in seinem Schlepptau Regen und konstanter Wind, Stärke 5 bis 6. Mieses Wetter also. Aber Hanna und Jan Janssen können auch schlechtem Wetter etwas abgewinnen – im wahrsten Sinne des Wortes. Denn vor einigen Jahren erwarben sie Bürgeranteile an einem neuen Windpark, der in der Nähe ihrer Stadt gebaut wurde. Der Windpark besteht aus zwölf Anlagen, die mit Turmkonstruktionen aus Holz und mit einer neuen Generation aus V-förmigen, Ahornfrüchten ähnelnden Rotoren ausgestattet wurden.

      Für die Hausenergieversorgung der Janssens hat praktisch jeder Wetterumschwung Konsequenzen. Ihr Stromanschluss ans öffentliche Netz ist keine Einbahnstraße – zeitweise beziehen sie Strom daraus, zu anderen Zeiten speisen sie Strom ein. Jan und Hanna halten ihre Stromkosten niedrig, indem sie ihren Energieverbrauch möglichst passgenau an die jeweilige Situation im Stromnetz anpassen. Wenn, wie heute, die Sonne scheint und wenig Wind weht, produziert ihre Fotovoltaikanlage ausreichend Strom für ihren eigenen Bedarf. Die Hausbatterie wird ebenfalls daraus gespeist und liefert nach Sonnenuntergang Strom. Bei anhaltendem Regenwetter ist jedoch auch ihr Haus auf Strom aus dem Netz angewiesen. Wenn bei dichten Wolken ein konstanter Wind weht, beziehen sie günstigen Windstrom aus dem Netz. Er wird in Hunderten Windparks an Land und auf hoher See produziert. Über den niedrigeren Preis geben die Netzbetreiber Kostenvorteile an Abnehmer in der Nähe weiter – schließlich fallen