Holger Dahl

Mitbestimmung in sozialen Angelegenheiten, Band 3


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auch einer Stellenwertgruppe.

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      Summarische Verfahren ermitteln keine Punkte, sondern arbeiten mit verbalisierten Beschreibungen von Job Leveln oder Stellenwertgruppen. So stellt beispielsweise jede tarifliche Entgeltgruppenbeschreibung ein summarisches Stellenbewertungsmodell dar. In der betrieblichen Praxis gibt es unterschiedliche Ausprägungen dieser Modelle. Es gibt sehr schlanke, knapp gehaltene Beschreibungen, häufig finden sich aber auch umfassendere Varianten in Form von Job Matrizen. Unabhängig davon, für welche Variante sich ein Unternehmen entscheidet, es braucht am Ende des Tages in irgendeiner Form ein nachvollziehbares Verfahren, mit dem eine Aussage zur Wertigkeit einer Stelle getroffen werden kann. Dieses Verfahren kann sehr einfach sein, oder auch sehr elaboriert. Schaut man in den Markt, so kann man beobachten, dass Unternehmen eher dazu übergehen, summarische Verfahren zu verwenden. Vor dem Hintergrund der Dynamik, mit der sich Strukturen und damit auch Stellen verändern, Hierarchien flacher werden und neue Stellen entstehen, sind diese Verfahren weniger aufwändig in der Anwendung und flexibler an sich ändernde Rahmenbedingungen anpassbar.

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      Aus der praktischen Erfahrung heraus empfiehlt es sich, den Betriebsrat schon frühzeitig sowohl in die Auswahlentscheidung zum Verfahren als auch in den Prozess der Bewertung von Stellen mit einzubeziehen. Dessen Mitbestimmungsrecht greift spätestens bei der Frage, welcher Mitarbeiter denn genau welche Stelle ausübt. Und wenn man in der Diskussion mit der Mitbestimmung zu einer gemeinsamen Verständigung über Verfahren und Stellenwertigkeiten gelangt, erleichtert dies in aller Regel die nachfolgenden Prozesse der Eingruppierung.

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      Kann man nun eine Aussage treffen, welches Verfahren für welche Organisation am besten geeignet ist? Dies ist schwer machbar – bestimmte Ausgestaltungen, die in Unternehmen A sehr gut funktionieren, sind für Unternehmen B überhaupt nicht passend. Kultur, Reifegrad und in der Vergangenheit gemachte Erfahrungen haben letztlich entscheidenden Einfluss auf die Auswahlentscheidung.

       III. Die Vergütungsstruktur

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      Ist eine Funktions- und Stellenstruktur definiert, kann auf deren Basis die Vergütungsstruktur mit Vergütungsgruppen definiert werden. Die Fragestellungen, die bei der Konzeption einer Vergütungsstruktur beantwortet werden müssen, sind vielfältig. Wie gelange ich als Unternehmen zu einer Aussage, was für eine Stelle bezahlt werden soll? Welche Regeln sollen angewandt werden, um die konkreten Gehälter der Mitarbeiter zu ermitteln? Welche Aspekte sollen mein Vergütungsniveau bestimmen; ist es die externe Perspektive, also der Markt? Oder schaut man eher auf die vorhandenen Einkommen und die interne Vergleichbarkeit? Sind Gehaltsbänder ein geeignetes Instrument und wenn ja, wie breit sollen diese sein? Kann die Organisation mit dem Spielraum bei der Gehaltsfestlegung umgehen, welcher durch ein Bändersystem entsteht? Oder braucht es eher ganz konkrete Aussagen darüber, was ein Mitarbeiter auf einer Stelle verdienen soll? Wie können Fairness und Nachvollziehbarkeit von Vergütungsentscheidungen gewährleistet werden; ein Thema, das insbesondere Betriebsräte sehr deutlich adressieren und das ihnen am Herzen liegt.

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      In der betrieblichen Vergütungsgestaltung findet sich heute vorrangig die „Modellvariante“ Gehaltsbänder, die unter Nutzung des berühmten Blicks in den Markt definiert werden. Konzeptionell lässt sich das übliche Vorgehen wie folgt beschreiben: Die eigene Funktions- und Stellenstruktur wird der Job Level- und Job Familienstruktur eines Benchmarks zugeordnet. Der Benchmark liefert Marktgehälter für Job Level und Stellen. Unter Nutzung dieser Marktgehälter werden dann Gehaltsbänder definiert.

      Abb. 3: Auf Basis der Funktions- und Stellenstruktur konzipieren Unternehmen ihre Vergütungsstruktur. Quelle: Lurse AG

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      Viele Unternehmen definieren dabei für sich eine Art Vergütungsphilosophie in dem Sinne, dass sie eine Aussage treffen, wo sie sich in diesem Markt selbst verorten oder positionieren. Das kann dann beispielsweise darin münden, dass gesagt wird: „Wir positionieren uns in der Mitte des Marktes und vergüten auf dem Niveau des Marktmedians.“ Die Aussage gibt Mitarbeitern Orientierung und schafft Transparenz über die Leitlinien, die bei der internen Vergütungspolitik angewandt werden. In enger werdenden Arbeitsmärkten, die zunehmend zu Arbeitnehmermärkten werden, ist für die betriebliche Vergütungsgestaltung der Blick in den Markt unverzichtbar. Nur wenn Vergütungsniveaus Marktgegebenheiten berücksichtigen, können Unternehmen sicher sein, dass in Zeiten von Fachkräftemangel und demografischer Entwicklung das eigene Vergütungssystem „wettbewerbsfähig“ ist und man attraktiv bezahlt. Gerade die Knappheit von Fachkräften sorgt heute massiv dafür, dass die Gehälter unter Druck geraten. Sowohl die Einstellgehälter als auch die Gehälter für Spezialistenfunktionen entwickeln sich gegenwärtig rasant nach oben.

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      Bei der Festlegung von Gehaltsbändern ist einerseits die Entscheidung zu treffen, mit welchem Ausgangsniveau des ersten Bandes starte ich, andererseits die Entscheidung, wie breit diese Bänder sein sollen. Eine typische Ausgestaltungsform, die sich in der Praxis häufig findet, ist die Definition von Spannen um einen mittleren Wert eines Bandes. Ist das Unternehmen noch frei in der Entscheidung, ob dieser mittlere Wert (als Ausgangsniveau des ersten Bandes) beispielsweise bei 40.000 oder 50.000 EUR liegt, so unterliegt die Definition der Spanne um diesen Mittelwert als auch der Abstand zum Mittelwert des nächsten Bandes der Mitbestimmung des Betriebsrats. Die marktüblichen Spannen bei der Gestaltung von Gehaltsbändern liegen zwischen +/– 10 % bis +/– 30 % Schwankungsbreite um den jeweils definierten Mittelwert. Sind Gehaltsbänder in unteren Vergütungsgruppen eher schmaler, findet man in höheren Vergütungsgruppen eher breitere Bänder. Aber auch hier gilt: es braucht Verständigung auf die Struktur mit dem Betriebsrat. Daher empfiehlt es sich, die Kolleginnen und Kollegen frühzeitig in die Überlegungen zur Ausgestaltung mit einzubeziehen. Vor allem die Frage, wofür der gehaltliche Spielraum eines Bandes genutzt werden soll, wird von Mitbestimmungsseite immer wieder gestellt. Gibt es Spielregeln, wenn Mitarbeiter neu eingestellt werden, darf so jemand ganz oben im Band positioniert werden? Wie wird die konsistente Handhabung des Systems in der gesamten Organisation gewährleistet und wie bewegt sich ein Mitarbeiter in den Bändern, was muss er ggf. tun, um im Gehaltsband nach oben zu kommen?

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      Die Antworten der Unternehmen auf diese Fragen sind vielfältig. Eine häufig anzutreffende Aussage ist „das Gehaltsband bildet unterschiedliche Leistungen von Mitarbeitern auf der gleichen Stelle ab“. Wenn dies der Fall sein soll, braucht es vor allem ein transparentes und belastbares Verfahren der Leistungsbeurteilung, welches einige Anforderungen an dessen Ausgestaltung stellt. Aber nicht nur für die Abbildung von Leistung nutzen Unternehmen den monetären Spielraum des Gehaltsbandes. Auch Faktoren wie persönliche Erfahrung, regionale Marktniveaus, Knappheit der Kompetenz haben einen Einfluss auf die Positionierung eines Mitarbeiters in dem System. Die Regeln, die dabei zur Anwendung kommen, unterliegen der Mitbestimmung des Betriebsrats und sollten nicht nur deshalb, sondern auch aus Transparenzgründen gegenüber Mitarbeitern und Führungskräften in der Organisation bekannt sein.

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      Bandbreitenregelungen von Unternehmen können nur als ein einziges Modell existieren. Es finden sich aber in der Praxis auch zahlreiche Beispiele, wo Unternehmen für unterschiedliche Fachlichkeiten separate Bandbreitenregelungen definiert haben. Sehr häufig findet man gesonderte Modelle für Vertriebsfunktionen, die aufgrund der Natur ihrer Tätigkeit andere variable Bestandteile haben und mitunter auch andere Vergütungsniveaus aufweisen als in der Stellenwertigkeit möglicherweise vergleichbare Querschnittsfunktionen. Bei der Einführung von Bandbreitenmodellen müssen die bisherigen Mitarbeiter in das neue Modell überführt werden. Auch dazu müssen Spielregeln verabredet werden, die der Mitbestimmung unterliegen. Was passiert mit den Mitarbeitern, die heute mit ihrem Gehalt unterhalb der definierten Bänder liegen? Werden sie sofort auf die untere Grenze des für sie gültigen Bandes geschoben oder geht dies in mehreren