ihm entströmt ein süßer Duft, ähnlich dem Waldmeister, so dass man früher trockene Sträuße in Kleiderschränke legte wie andere Duftspender, zum Beispiel Lavendel, Mutterkraut oder Quitten. Schließlich gibt es auch noch eine Marienkerze. Es ist die Königskerze, die im Kräuterwisch an Maria Himmelfahrt in der Mitte ihren Stammplatz hat.
Die Weiße Lilie Salomos, die Madonnenlilie, ist ein Sinnbild der Muttergottes. Unter christlichem Einfluss wurde sie zum Sinnbild für geistige Reinheit, Heiligkeit und Auferstehung. Die Madonnenlilie steht im Zusammenhang mit der künstlerischen Darstellung der Verkündigung Mariä. In der Tat zeigen viele Madonnenbilder der Renaissance das auffallende Weiß und die anmutige Form der Weißen Lilie. So wurde sie eben zur „Madonnenlilie“.
Ebenso ist der Name des Herrn in die Namen der Pflanzen aufgenommen worden. Im tiefen Winter blüht eine weiße Blume, eine Nieswurz, in den Gärten um die Weihnachtszeit. Sie heißt „Rose“ des Christfestes, eben Christrose. – Verschiedene Pflanzen geben nach den Legenden ihre Zweige und Äste her, damit daraus die Dornenkrone Christi entstand. Das Volk nennt sie alle Christusdorn. Eine wilde Rose ist unter ihnen und eine Wolfsmilch aus Madagaskar; auch die Stechpalme und ein aus Amerika stammender Parkbaum, die Gleditschie, tragen harte Dornen. – Manche Zierpflanzen schauen uns mit großen Blumenaugen an: Christusaugen könnte man sie bezeichnen. Am bekanntesten unter ihnen ist ein gelbblühender Alant. – Es gibt auch eine Christusträne, ein tropisches Gras mit tränenähnlichen Scheinfrüchten, den Hüllkapseln der weiblichen Ähren; es heißt auch Moses-, Marien- und Frauenträne und dient zu Rosenkranzperlen. – Dass mancherlei Pflanzen mit wertvollen, in der Heilkunde verwendeten Wurzeln Christwurz genannt werden, zum Beispiel Arnika, Nieswurz oder Schöllkraut, ist fast überflüssig zu sagen.
Auch der Name Gott kehrt häufiger in unserem Namengut wieder. Mit einem Kraut, das Wunder wirkt und daher in der Volksheilkunde verwendet wird, lässt Gott uns seine Gnade widerfahren. Es ist das Gottesgnadenkraut, ein Ehrenname, den mehrere Pflanzen tragen.
Zu Ehren unserer lieben Frau ist ihr Name in mehreren Pflanzennamen enthalten. In unseren Bergwäldern begegnet man hin und wieder einer wunderschönen Orchidee mit einer großen wohlriechenden Blüte. Die gelbe Unterlippe ist wie ein Holzschuh ausgebildet; sie ist aufgeblasen, und eine Öffnung führt in das innen rotgepunktete, schuhförmig umgewandelte Blütenblatt. Ein sehr zierlicher Fuß müsste in diesen Zwergenschuh schlüpfen, der von vier lanzettförmigen, langen, purpurbraunen Perigonblättern umstellt wird.
Frauenschuh heißt die Pflanze mit dem köstlichen Blütengebilde, zu Ehren unserer lieben Frau. Sie ist die vollendetste Schöpfung dieser auch sonst so schönen Pflanzenverwandtschaft auf deutscher Erde. Linné freilich nennt den Frauenschuh Cypripedium. Cyprus aber ist die Insel des östlichen Mittelmeers, die als der Hauptsitz des Venuskultes galt. Nach ihm gehört also der kunstvolle Schuh der Venus, die er auch sonst gern statt Maria in die Namen einsetzt. Vor Linné hieß nämlich der Frauenschuh eindeutig „Calceolus Marianus“.
Eine andere, noch zierlichere Orchidee trifft man gelegentlich auf Triften und an Waldrändern an; nicht einzeln, sondern in einer dichten Ähre schmücken hier die Blüten. Sie sind klein und weiß, und ihre Lippen sind nicht differenziert, nicht einmal ein Sporn ist ausgebildet. Dafür aber ist die schlanke Ähre spiralig um ihre Achse gedreht, ähnlich wie eine Haarlocke. Frauenlocke wird die Pflanze genannt oder – prosaischer – auch Drehwurz.
Aus einem Moospolster steigen schlanke, goldgelbe, unten rötliche Stiele empor und tragen eine Kapsel, über die sich eine Haube mit fransigem Rand schützend breitet. Das Frauenhaar entleert seine reifen Sporen, indem sich die Kapseln auf ihren haarförmigen, elastischen Seiten schaukeln. Es sind goldene und kurze, aber harte Haare. Die Haare der Venus, die Blattstiele des Venusfrauenfarns sind noch derber und schwarzgefärbt.
Besondere Ehren widerfährt dem gelben Labkraut. Es war bei den Germanen der Göttin Freia zugeeignet, später aber war die reich mit Aberglauben verknüpfte Pflanze der Mutter Gottes geweiht. Sie diente als Unsererlieben Frau Bettstroh. Vielleich ist ihr wegen ihres Duftes oder des kleinblättrigen Laubes diese Aufgabe in der Legende zuteil geworden. – Auch der Quendel trägt denselben Ehrennamen. Sein Duft ist noch auffälliger. Es ist selbstverständlich, dass Pflanzen, auf denen Maria ruhen darf, auch in der Volksheilkunde Bedeutung haben. Der Thymian z. B. ist ein gutes Hustenmittel und unterstützt die Verdauung. – Unser Fingerhut mit seinem purpurroten Blütenschmuck heißt Unsererlieben Frau Handschuh. Er ist zwar giftig, aber trotzdem als Heilpflanze ein Wohltäter der Menschheit, da seine Giftstoffe auf die Herztätigkeit günstig einwirken.
Die Blätter des Frauenmantels haben eine besondere Gestalt: sie sind rundlich, fast nierenförmig. Ihr Rand ist von neun abgerundeten Lappen umgeben, die bis zum Grunde gesägt sind. In den Kerben zwischen den Lappen und den Randzähnen stehen am frühen Morgen glitzernde Tautropfen, die sich mitunter im Blattgrund wie in einem Becher sammeln. Die Blattform ist das Abbild eines ausgebreiteten Mantels, wie ihn Maria tragen könnte. Auf Heiligenbildern kann man die Mutter Gottes mit einem ähnlichen, weiten, faltenschlagenden Überwurf dargestellt finden. Auch der Frauenmantel hat sich einen Wechsel der Namensgeberin gefallen lassen müssen. Er war ursprünglich der Göttin Frigga geweiht. Die mittelalterlichen Alchimisten schrieben ihm besondere Kräfte zu und brauchten ihn zum „Goldmachen“.
Es ist wohl möglich, dass auch das Frauenholz und der Frauenflachs in diesen Zusammenhang gehören.
Manche Pflanzen tragen auch die Namen biblischer Personen. der Basidienpilz Judasohr hat ein ohrähnliches Aussehen. Der Pilz ist häufig am Holunder anzutreffen. Nach der Legende soll sich Judas an einem Holunderbaum erhängt haben. – An einer Staude hängen die Silberlinge, für die Judas den Herrn verriet. Es sind die kreisförmigen Scheidewände einer Schotenfrucht, die wie silberne Münzen glänzen, wenn sie der Wind bewegt. Man nennt sie Judassilberlinge.
Das Jakobskreuzkraut heißt nach Jakobus, dem Sohn des Zebedäus und Bruder des Johannes. Es blüht um Jakobi, 25. Juli. Herodes Agrippa I. ließ den Apostel (Apostelgeschichte 12, 2) enthaupten, daher der Gedenktag in der römischen Kirche am 25. Juli. Früher hatte der Jakobstag in Bauernkalendern eine besondere Bedeutung, weil er der Termin war zum Mähen der Wiesen (Grummetmahd). – Noch ein zweites Mal wird Jakob verherrlicht. Die Jakobsleiter, auch Himmelsleiter genannt, besitzt gefiederte Blätter. Mag sein, dass man die Leitersprossen mit diesen Fiederblättchen vergleicht. Man steigt über die Sprossen bis zum Himmel, d. h. bis zu den himmelblauen Blüten der Pflanze.
Wenn die oberirdischen Sprosse des Salomonssiegel absterben, entstehen auf dem Wurzelstock siegelähnliche Narben. Die Legende erzählt, dass König Salomon mit dieser Pflanze, die sein Siegel trägt, Felsen gespalten habe, also sein Tempel gebaut wurde. – Johannes der Täufer gab dem Johannisbrot seinen Namen. Mit dem süßen Mark seiner Früchte soll der jüdische Bußprediger, wie die Legende wissen will, in der Wüste sein Leben gefristet haben. Es ist vielleicht der „wilde Honig“ der Bibel. Die linsenähnlichen Samen des Johannisbrots dienten früher als Vergleichsgewicht für Juweliere und Apotheker. Auch das Johanniskraut trägt den Namen von Johannes dem Täufer. Es blüht um den Johannistag, 24. Juni, auf, und hat deshalb seinen Namen. Es trägt auch den Namen „Herrgottskraut“ und „Herz-Jesu-Blut“, weil man den blutroten Saft in den Blüten des Johanniskrautes mit dem Blut des Gekreuzigten vergleicht.
Es ist möglich, dass das lateinische Wort „arum“ (= Nutzen) falsch verstanden wurde. Aus dem grünlichen Hüllblatt der „Blüte“ ragt ein violetter Endabschnitt eines Kolbens hervor. Dieser Kolben wurde irrtümlich mit dem grünenden Stab des Hohenpriesters Aron (4. Moses, 17, 8) verglichen, da der Name ähnlichen Klang besitzt. So entstand der Aronstab.
Es gibt auch eine Reihe von Heiligen, die Pflanzen ihren Namen gaben. Seit dem 16. Jahrhundert heißt eine Pflanze nach der heiligen Barbara Barbarakraut. Da das Barbarakraut am nassen Standort bis in den