Dieter Kremp

Christliche Pflanzennamen


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auf den Wiesen des Scharons, eine Lilie der Täler. Eine Lilie unter den Dornen, so ist meine Freundin unter den Mädchen.“ So spricht die Bibel im Hohenlied Salomos von der Lilie, die die Christenheit der Jungfrau Maria, der Muttergottes, weihte. So kam sie zu ihrem Namen Madonnenlilie. Die Weiße Lilie, auch Marienlilie genannt, zierte die Säulenkapitelle im Tempel Salomos. Sie war ein Symbol der Schönheit, oft auch von Fruchtbarkeit und Reichtum. Unter christlichem Einfluss wurde sie zum Sinnbild für geistige Reinheit, Heiligkeit und Auferstehung.

      „Zuoberst auf den beiden Säulen bei der Vorhalle des Tempels war eine Arbeit aus Lilien, jede vier Ellen dick.“ (1. Könige 7, Vers 19). „Ich will für Israel sein wie der Tau, es soll blühen wie die Lilien und Wurzeln schlagen wie die Pappel.“ (Hosea 14, 5).

      „Freuen sollen sich die Wüste und das dürre Land, frohlocken die Steppe und blühen! Gleich der Narzisse soll die Lilie blühen und frohlocken, ja frohlocken und jubeln!“ (Jesaja 35, 1 - 2).

      Die weiße Lilie zierte die Säulenkapitelle in vielen anderen Zivilisationen, in Ägypten, Assyrien, in der minoischen Kultur und im Tempel Salomos in Jerusalem. Unter christlichem Einfluss wurde sie zum Sinnbild für geistliche Reinheit, Heiligkeit und der Auferstehung und deshalb wurde sie häufig in der Nähe und Umgebung von Kirchen angepflanzt. Unter dem Namen „Marienlilie“ und „Madonnenlilie“ taucht die Blume oft auf alten Kirchengemälden auf, die Maria mit der Lilie in der Hand oder in ihrer Nähe zeigen.

      Nach einer alten Sage spross die Lilie aus den Gräbern von Liebenden und unschuldig Hingerichteten hervor. Wenn sie auf der Friedhofsstätte unschuldig Ermordeter erscheint, so ist sie ein Zeichen der kommenden Rache; entsprießt sie auf einem Grabhügel eines armen Sünders, so kündigt sich Vergebung, die Sühne der Todesgottheiten an. Die Lilie galt auch als Gruß des Todes an den zurückbleibenden Lebenden; daher die Sage, dass der Geist des Verstorbenen selbst die Blume auf dem Grab gepflanzt habe.

      In enger Beziehung zu den Weißen Lilien stand auch das ehemalige Wappen Frankreichs, hieß doch Frankreich „das Reich der Lilien“. Als die Jungfrau von Orléans von König Karl V: in den Adelstand erhoben wurde, bekam sie den Namen „Lys“ (= von der Lilie) und zum Geschenk einen Degen, der mit der Darstellung eines Lilienkranzes geschmückt war. Die geistlichen Eigenschaften, die in früheren Zeiten der Weißen Lilie zugeschrieben wurden, fanden durch einen päpstlichen Erlass im 17. Jahrhundert ihre offizielle religiöse Anerkennung. Der Erlass weist auf die Lilie im Zusammenhang mit der künstlerischen Darstellung der Verkündigung Mariä. In der Tat zeigen viele Madonnenbilder der Renaissance das auffallende weiß und die anmutige Form der Weißen Lilie so u. a. die Werke von Tizian und Botticelli. So wurde sie auch zur „Madonnenlilie“. Auch die deutsche Romantik spricht von der „Madonnenlilie“ und Friedrich von Hardenberg (Novalis) singt das „Marienlied“ dazu: „Ich sehe dich in tausend Bildern, Maria, lieblich ausgedrückt, doch keins von allen kann dich schildern, wie meine Seele dich erblickt. Ich weiß nur, dass der Welt Getümmel seitdem mir wie ein Traum verweht, und ein unendlich süßer Himmel mir ewig im Gemüte steht.“

      Lilia oder Lilie heißen seltsamerweise viele deutschstämmige Mädchen in Kasachstan. Vielleicht wollen damit ihre Eltern und Großeltern durch die Namensgebung an ihre deutsche Urheimat erinnern, als die Lilien die Modeschönheiten im deutschen Bauerngarten waren. Der Vorname kommt jetzt bei uns wieder zusammen mit Lilian und Liliane immer mehr in Mode.

      Die einheimische Türkenbundlilie (Lilium maarttagon) gehört zu den unter Naturschutz stehenden Wildpflanzen. Sie kommt auf Bergwiesen in kalkhaltigem Boden vor. Ende Mai entfaltet sie ihr hellpurpurnes, reich punktiertes Blütenblattröckchen. Statt der erwarteten Lilienblüten lässt sie lauter vtürkische Turbane am 60 bis 80 cm hohen Blütenschaft lustig umherbaumeln. Diese unbekümmerten Gäste sollen natürlich den pfeilschnellen, auf der Stelle schwirrenden Nachtschwärmern den Zugang zu den Nektarrinnen im Innern der Blüten erleichtern. Deshalb ist auch der Duft aus ihnen am Abend stärker als am Tage, immer aber mit einer besonderen Note wie nach Vanille oder Zimt.

      Die Weißen Lilien (Lilium candidum) sind die Lieblingsblumen der Orientalen, der Deutschen und der Romanen. Bei den Römern galt die Lilie als Zeichen der Hoffnung, im Morgenland war sie Sinnbild der Reinheit und der Unschuld. Nicht nur die „holde Jungfrau“ erhielt bei feierlichen Anlässen Lilien geschenkt, sondern Lilien wurden auch zum Zeichen der Trauer und der Treue als letzte Liebesgabe der Toten auf den Sarg gelegt. Bei den feierlichen Prozessionen an Fronleichnam tragen noch heute weißgekleidete Mädchen weiße Lilien in der Hand. In der deutschen Mythologie trägt Donar in der rechten Hand den Blitz und in der Linken das Zepter, das mit einer Lilie gekrönt ist. Während des Mittelalters wurden besonders in den Klostergärten die Lilien stolz bewundert. Die Weiße Lilie, später als Madonnenlilie kreiert, ist ein altes und weitverbreitetes Lichtsymbol; daneben gilt sie vor allem in der christlichen Kunst als Symbol der Einheit, Unschuld und Jungfräulichkeit. Auf Darstellungen Christi ist die Lilie auch ein Symbol der Gnade. Die Bibel spricht von den „Lilien auf dem Feld“ als einem Symbol der vertrauensvollen Hingabe an Gott. Die Lilie ist zudem ein uraltes Königssymbol und spielt besonders in der Heraldik eine bedeutende Rolle. Mit den Rosen zusammen wurden Lilien schon in altdeutscher Zeit oft erwähnt, und sie spielten in der Poesie unserer Dichter, besonders der Romantiker, eine wesentliche Rolle. Auch im Volkslied wurden die Lilien verewigt: „Drei Lilien, drei Lilien, die pflanzt ich auf sein Grab …“

      Lilien gehören zum uralten Gartenadel. Die edlen Blüten der Lilien verleihen dem Platz, an dem sie wachsen, eine gewisse Würde. Auch in der Vase verlangen diese stolzen Adligen besondere Aufmerksamkeit und allen voran steht die Madonnenlilie – sie passen eben nicht in jede beliebige Gesellschaft. Es gibt heute hervorragende Neuzüchtungen. Die Begegnung mit diesen großblumigen, standfesten Hybriden ist ein Naturerlebnis besonderer Art. Grundregel aller Lilienkultur ist, dass sie mit den „Füßen“ kühlschattig stehen wollen, ihre Blüten aber im warmen Licht der Sonne entfalten wollen.

      Die Naturformen können jahrelang ungestört in Wildstaudenpflanzenwachsen. Madonnenlilien und Hybride passen auch ins Staudenbeet. Leider werden ihre Zwiebeln hin und wieder von Wühlmäusen gefressen.

      Zu den altbekannten Naturformen gehören die Goldbandlilie mit breit geöffneten, schalenförmigen Blüten, die Madonnenlilien mit schneeweißen trichterförmigen Blüten, die lebhaft gefleckten Tigerlilien, die orangeroten Feuerlilien mit offenen Kelchen und die Königslilien mit großen trichterförmigen Blüten. Im Riesenreich der Zuchtformen sind besonders die Martagon-Hybriden, die Auratum-Hybriden und die Bellingham-Hybriden zu empfehlen. Ihr starker, warmer, außerordentlich angenehmer Duft teilt sich der ganzen Umgebung mit.

      In der Pflanzenheilkunde Chinas setzt man Lilien bei Vergiftungen, als stimulierende Mittel, bei Melancholie, zur Entwässerung, harntreibend, blut- und schmerzstillend ein.

      In der Küche verwendet man alle Teile, getrocknet, frisch und eingefroren, hauptsächlich aber Knospen und Blüten. Je nach Sorte, schmecken sie – oder nicht – roh oder filtriert. Wer es übers Herz bringt, kann auch Taglilien für einen Blumenstrauß verwenden. Dafür werden abends dickknospige Stängel geschnitten. Allerdings müssen abgeblühte Blüten entfernt werden, denn sie werden matschig, nässen und verursachen dunkle farbige Flächen.

      „Diese mein frumme Mutter hat 18 Kind getragen und erzogen, hat große Armut gelitten, Schrecken und große Widerwärtigkeit.“ Schonungslos, wie ihr Leben war, zeichnete Albrecht Dürer das Gesicht der Mutter. Dieses „Bildnis der Mutter“ von 1514 wurde zum Symbol der „durch Krankheit, Kriege, Not und Entbehrung“ leidenden Mutter bis zum Beginn des 19. Jahrhunderts. Ganz anders sah Vincent van Gogh das „Bild einer Mutter“. Er malte eine gütige Bürgersfrau als Denkmal der zeitlosen Mütterlichkeit. In seiner Figur, der bretonischen Wiegenfrau, stellt er die Mutter dar, die nach dem Volksglauben der Bretonen den Schiffern auf hoher See als milden Trost das Schlummerlied ihrer Kindheit sang; und wenn sein letzter Vers ihnen Untergang und Tod ansagt, dann nimmt sie die Allmacht der Liebe auf. Wir erfahren aus Briefen des Malers, dass er das Bild in den Hafenschenken von Marseille zwischen zwei kreisenden Sonnen aufgehängt wissen wollte, um damit die menschlich Gestrandeten zur Ahnung einer höheren,